Kann Uli Hoeness angesichts der immer gravierenderen Enthüllungen um das Ausmass seiner Steuerhinterziehung dem Gefängnis überhaupt noch entgehen? Experten halten dies für möglich (siehe unten). Anderer Meinung ist die renommierte «Spiegel»-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen. Für sie ist eine Bewährungsstrafe «überhaupt nicht mehr vorstellbar», wie sie im Video-Interview erklärt.
Die Entscheidung über eine mögliche Verlängerung des Prozesses soll laut Gerichtssprecherin Andrea Titz erst am Mittwoch fallen. Zuvor hatte sie es bereits als «nicht mehr sehr wahrscheinlich» bezeichnet, dass das Urteil wie geplant schon am Donnerstag fällt. Neben der Einvernahme weiterer Zeugen erhält Hoeness' Verteidigung Gelegenheit, die neuen Zahlen der Steuerfahndung zu überprüfen. Deshalb wird bereits spekuliert, dass es noch Wochen dauern könnte bis zur Urteilsverkündung.
Der #Hoeneß Prozess geht laut SpOn in die Verlängerung. Müssen wir uns auf ein 11 Meter Schießen gefasst machen? #kalauer
— Roland Hachmann (@netzfischer) 11. März 2014
Der zweite Prozesstag im Fall Hoeness ist zu Ende, und er brachte erneut Brisantes ans Licht. Nachdem der Bayern-Präsident gestern die hinterzogene Summe selber von 3,5 auf 18,5 Millionen Euro korrigiert hat, geht man nach der Zeugenaussage der zuständigen Steuerbeamtin aus Rosenheim sogar von 27,2 Millionen aus. Dabei soll es sich sogar um eine «Best-Case-Rechnung» zugunsten von Hoeness handeln, wie die Zeugin betonte, basierend auf den Unterlagen, die erst seit dem 27. Februar vorliegen. Die Zeit reichte bisher nur für eine oberflächliche Prüfung – zumal «Millionen fehlen, von denen keiner weiss, wo sie sind».
Es könnte für Hoeness also noch viel dicker kommen. Wie Ken Heidenreich am Rande des Prozesses weiter sagte, handle es sich auf jeden Fall um schwere Steuerhinterziehung, für die bis zu zehn Jahre Haft drohen. Und trotzdem gibt es laut Spiegel Online noch Juristen, die eine Gefängnisstrafe für vermeidbar halten. Hoeness' Selbstanzeige könne «trotz der formalen Unregelmässigkeiten erheblich zu seinen Gunsten gewichtet werden», sagt die Steuerstrafrechts-Expertin Christine Varga. «Eine Bewährungs- in Verbindung mit einer Geldstrafe ist durchaus möglich.»
Und schon wieder eine neue Zahl: Die Steuerfahndung bezifferte Hoeness' Steuerschuld jetzt auf 27,2 Millionen Euro. Zu den von der Steuerfahnderin genannten 23,7 Millionen Euro kommt offenbar noch die Steuerschuld von 3,5 Millionen Euro hinzu, von der die Anklage ursprünglich ausging. Dies erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft München, Ken Heidenreich. Er korrigierte damit seine ursprünglichen Angaben, wonach es 26,2 Millionen Euro seien.
Und Schäuble rechnet schon mal den Haushalt neu! #Hoeness
— Hatice Akyün (@HaticeAkyuen) 11. März 2014
Die Summe der hinterzogenen Steuern wird noch einmal nach oben korrigiert: Die Angaben der Zeugin beziehen sich offenbar nur auf die Jahre 2003 bis 2006. Laut Ken Heidenreich, Sprecher der Staatsanwaltschaft, müssen 2,5 Millionen Euro an Kapitalerträgen aus den Jahren 2007 bis 2009 hinzugezählt werden. Damit ginge es im Fall Hoeness um eine Steuerschuld von 26,2 Millionen Euro.
Jetzt schon 26,2 Millionen. Wieviel Kohle hat der Uli eigentlich insgesamt auf dem Konto?? #Hoeness
— Christian Benzing (@cbenzing) 11. März 2014
Für Uli Hoeness wird es immer enger. Er hat insgesamt sogar 23,7 Millionen Euro an Steuern hinterzogen. Dies sagte die für den Hoeness-Fall zuständige Steuerbeamtin nach der Mittagspause aus. Die Summe ergab sich demnach aus der Neuberechnung seiner Steuern aufgrund der kurz vor dem Prozess eingereichten Unterlagen.
#Hoeneß' Steuerfahnderin erhöht auf 23 Millionen. Wer bietet mehr?
— Ulrike Sosalla (@DenkenistLuxus) 11. März 2014
Bei der Befragung am Nachmittag geht es um Hoeness' Devisengeschäfte: Er wettete in den Jahren 2002 bis 2005 mit Summen in zweistelliger oder sogar dreistelliger Millionenhöhe auf Schweizer Franken, US-Dollar und kanadische Dollar. Einmal machte er damit auch einen Gewinn von 70 Millionen Euro. Hoeness nimmt die vorgetragenen Summen laut Focus Online ungerührt hin. Manchmal mache er einen Gesichtsausdruck, der sagen könnte: Ach ja, meine wilden Jahre.
Vor der Mittagspause ging es um die Einkünfte von Uli Hoeness aus den Jahren 2002 bis 2008. Die Zeugin führte aus, wie seine steuerrelevanten Daten von der Bank Vontobel lauten. So viel verdiente der Bayern-Präsident:
2002: 6,8 Mio. Euro
2003: 6,5 Mio. Euro
2004: 6,1 Mio. Euro
2005: 11,5 Mio. Euro
2006: 10,9 Mio. Euro
2007: 10,1 Mio. Euro
2008: 10,8 Mio. Euro
Nach der Pause ab 13 Uhr geht es mit der Feststellung ab 2009 weiter.
Weiter geht es im Justizpalast. Schätzung d. Steuerschuld und Umgang der Verteidigung mit den späten Daten bleibt spannend. #hoeness
— miasanrot (@miasanrot) 11. März 2014
Die späte Lieferung der Daten dürfte eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Selbstanzeige von Uli Hoeness spielen. Eine entscheidende Frage für deren Gültigkeit ist, ob Hoeness darin umfassende Angaben gemacht hat. Wie die Steuerfahnderin vor Gericht schilderte, gab es nach der Selbstanzeige mehrere Gespräche und Treffen, bei denen Hoeness über seine Steuerberater und Anwälte Angaben zur ursprünglichen Anzeige ergänzte oder das Nachreichen von Daten ankündigte – bis hin zu der Übergabe des besagten USB-Sticks zwei Wochen vor Prozessbeginn.
Gerichtssprecherin Andrea Titz erklärt, die Aussage der Steuerbeamtin werfe «etliche Fragen» auf. Es sei nicht sicher, dass die Vernehmung der Zeugin heute schon abgeschlossen werden könne. Es wird immer unwahrscheinlicher, dass am Donnerstag ein Urteil verkündet wird.
Urteil am Donnerstag im #Hoeneß-Prozess in weite Ferne gerückt: "Es ist davon auszugehen, dass weitere Termine erforderlich sind", so Titz
— Jörg Völkerling (@jv_joevoe) 11. März 2014
Die Steuerfahnderin belastet Uli Hoeness offenbar massiv. Er soll Unterlagen zu seinen zwei Schweizer Konten über ein Jahr vor den Finanzbehörden zurückgehalten haben, schreibt Spiegel Online. Die Hoeness-Verteidigung habe die PDF-Dateien erst am 27. Februar abgegeben – ein USB-Stick mit insgesamt mehr als 52'000 Seiten.
Die Bank Vontobel habe die Dateien aber bereits am 18. Januar 2013 erstellt, einen Tag nach der Selbstanzeige des Bayern-Präsidenten. Der Steuerfahnderin zufolge sagten die Hoeness-Anwälte bei der Übergabe der Daten, es handle sich «nicht um ein taktisches Manöver, sondern den Ausdruck von Hoeness' Willen, alles beizulegen».
Das Geständnis von Uli Hoeness, deutlich mehr Steuern hinterzogen zu haben als bislang angenommen, hat in Deutschland zu heftigen Reaktionen geführt. Vertreter von Politik und Kirchen kritisierten den Bayern-Boss scharf, auf Twitter dominieren die Rufe nach einer möglichst unbedingten Gefängnisstrafe.
Was mir wichtig ist, dass jemand Bekanntes jetzt mal in den Knast geht für #Steuerhinterziehung. #Hoeness
— David Ittekkot (@davezeville) 11. März 2014
Trotz der Turbulenzen will Hoeness heute abend beim Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Arsenal auf der Tribüne sitzen, schreibt «Bild». Das Hinspiel in London hat der FC Bayern mit 2:0 gewonnen. Beim Auswärtsspiel in Wolfsburg am letzten Samstag hatte der Klubpräsident gefehlt, um sich auf den Prozess vorzubereiten.
Der zweite Prozesstag hat um 9.30 Uhr begonnen. Die Finanzbeamtin ist eigentlich die letzte von vier geladenen Zeugen. Der Vorsitzende Richter Rupert Heindl kündigte laut Focus Online jedoch an, dass morgen früh ein weiterer Zeuge vernommen werden soll, ein Betriebsprüfer. Dann solle auch die Frage beantwortet werden, warum Hoeness trotz seiner immensen Verluste nicht Pleite ging. Ursprünglich hatte Richter Heindl geplant, schon am Donnerstag das Urteil zu verkünden. Dieser Zeitplan steht nach der überraschenden Entwicklung in Frage.
Das Landgericht München II beschäftigt sich heute mit den umfangreichen neuen Unterlagen, die Hoeness' Anwälte erst kurz vor dem Steuerstrafverfahren eingereicht hatten. Befragt wird eine Steuerbeamtin aus Rosenheim, die die 70'000 Seiten der Bank Vontobel derzeit unter die Lupe nimmt.
Die entscheidende Frage wird sein, ob die Sichtung dieses Aktenberges mehr Zeit benötigt. Darüber hinaus muss sich zeigen, was das Eingeständnis von Hoeness zum Auftakt des Prozesses, insgesamt 18,5 Millionen Euro an Steuern hinterzogen zu haben, für ihn bedeutet.
Hoeness und seine Anwälte hatten mit den neuen Zahlen auch die Staatsanwaltschaft überrascht. Diese hatte dem 62-Jährigen noch vorgeworfen, 3,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben.
Am zweiten Verhandlungstag blieb vor dem Münchner Justizpalast der grosse Andrang zunächst aus. Es versammelten sich deutlich weniger Zuschauer vor dem Gerichtsgebäude. Hoeness erschien wieder in einem schwarzen Anzug, dieses Mal mit grau-blauer Krawatte. Er lächelte kurz in die Kameras, wirkte aber ernster als am Vortag. Seine Frau Susi war auch wieder ins Gericht gekommen.