Gesellschaft & Politik

Stoppt das Bundesamt für Migration das Lauftalent?

«Während der Rennen werde ich meistens respektvoll behandelt.» Asylbewerber Guta Fikru.
«Während der Rennen werde ich meistens respektvoll behandelt.» Asylbewerber Guta Fikru.Bild: Ruedi Burkart
Äthiopischer Asylbewerber

Stoppt das Bundesamt für Migration das Lauftalent?

Guta Fikru, Asylbewerber aus Äthiopien, gewinnt Läufe in Serie. Doch nun ist seine Zukunft ungewiss. Nächste Woche muss er dem Bundesamt für Migration Rede und Antwort stehen. 
06.09.2014, 09:4306.09.2014, 11:15
Ruedi Burkart
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Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Eine Handvoll Eritreer sitzt auf Plastikstühlen vor dem schmucklosen Betonbau am Rande des Dorfes. Viel geredet wird nicht. Die Langeweile ist förmlich greifbar vor der Villmerger Asylantenunterkunft. 75 Männer aus verschiedenen afrikanischen Staaten leben zurzeit dort.

Einer sticht aus der Menge heraus. Nicht, weil er speziell gross wäre oder weil er besonders laut sprechen würde – im Gegenteil. Guta Fikru spricht leise, in kurzen Sätzen.

Immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Den Äthiopier zeichnet etwas ganz Spezielles aus. Seit knapp zwei Jahren mischt er die regionale und überregionale Laufszene auf.

Wo immer er an den Start geht, steht meistens sein Name zuoberst auf der Rangliste. Badener Limmat-Lauf, Wohler Pfingstlauf, Homberglauf, Staufberglauf, Lenzburger Lauf – die Liste von Fikrus Siegen dieses und vergangenes Jahr liesse sich beliebig verlängern.

Und: Der Mann aus Afrika ist auch im kalten Schweizer Winter schnell. Letztes Jahr gewann er unter anderem den Gersauer Silvesterlauf und pulverisierte den zwölf Jahre alten Streckenrekord förmlich.

«Wenn ich laufe, fühle ich mich einfach gut», sagt Fikru in seiner Landessprache. Ein Kollege übersetzt, Betreuer Michael Neugel vom kantonalen Sozialdienst nickt.

Nächste Woche zur Befragung

«Guta wird hier im Haus von allen geachtet», so Neugel, «dank seinen sportlichen Erfolgen ist er so etwas wie der Captain an Bord.

Er ist ein Vorbild für alle hier, weil er erfolgreich ist. Er macht etwas aus seiner Situation.» Zeitungsausschnitte mit Guta Fikrus Siegen zieren die Wand in Neugels Büro. Über seine Zeit vor seiner Flucht in die Schweiz will Fikru nicht viel erzählen.

Nur so viel: Er sei vor knapp zwei Jahren über Italien in die Schweiz eingereist. Nach einer kurzen Zeit in Baden lebt er seit Oktober 2012 in Villmergen.

Aufgewachsen sei er in einem Dorf namens Homa Wellega in Äthiopien als eines von insgesamt neun Kindern. Während er es in die Schweiz schaffte, leben zwei seiner Brüder in den Vereinigten Staaten. Alle anderen Geschwister seien immer noch in der Heimat.

Allerdings: Nächste Woche wird der Asylbewerber seine ganze Geschichte erzählen müssen. Er ist vom Bundesamt für Migration (BFM) zu einer Befragung nach Kreuzlingen aufgeboten worden.

Jetzt auf

«Danach wird entschieden, wie es mit ihm weitergeht», so Betreuer Neugel. Aktuell hat Fikru den Status N inne. Das heisst, dass er in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt hat, von der Sozialhilfe lebt und auf eine definitive Antwort der Behörden wartet.

Sabotage in Attiswil

Immer wieder tauchen afrikanische Läufer mal schnell an einem Anlass auf, heimsen den Tagessieg – und die damit verbundene Prämie – ein und gehen dann wieder. Daran haben Konkurrenten und Veranstalter nicht immer Freude. Offene Ablehnung erlebt Guta Fikru allerdings nie.

«Ich bin eigentlich immer respektvoll behandelt worden», so der Seriensieger, «sportlich fair.» Na ja, fast immer. Vor einem Jahr war er beim Attiswiler Geländelauf auf bestem Weg zum Tagessieg und dem mit 600 Franken dotierten Streckenrekord.

Doch in der Schlussphase des Rennens wurde er, der überlegen Führende, wegen einer mutwillig manipulierten Streckenführung in eine Sackgasse geleitet. Als einziger Läufer notabene. Dem Veranstalter aus dem Bernbiet war das Malheur peinlich, Fikru – er lief noch auf den dritten Tagesrang – erhielt zum Trost 200 Franken.

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