Das Krebsrisiko eines Menschen soll stärker vom Zufall abhängig sein, als von seinem Erbgut und seiner Umwelt. Das stellen zwei Wissenschaftler von der University in Baltimore (USA) in einer neuen Studie fest.
Der Biostatistiker Cristian Tomasetti und der Onkologe Bert Vogelstein fanden heraus, dass zwei Drittel aller Krebsmutationen auf Fehlern in der Zellteilung beruhen.
«Es ist bekannt, dass wir Umweltfaktoren wie Rauchen vermeiden müssen, um das Krebsrisiko zu senken», sagt Tomasetti in einer Mitteilung der Universität. «Weniger bekannt ist, dass eine normale Zelle, die sich teilt und ihre DNA kopiert, jedes Mal mehrere Fehler macht. Diese Kopierfehler sind eine bedeutende Quelle von Krebsmutationen, die historisch unterschätzt wird.» Ein Fehler in einer Stammzelle wird also mitunter an Milliarden Tochterzellen weitergegeben. So können sich später Tumore bilden.
Bei einer Zellteilung werden rund 3,3 Milliarden Basenpaare der DNA kopiert. Dabei treten in der Regel bis zu drei Kopierfehler auf, schreiben die Forscher. Diesen Wert verglichen die Wissenschaftler mit der Stammzellenteilung von 17 Krebsarten und der Häufigkeit der jeweiligen Tumore.
Das Team fand so heraus, dass 66 Prozent aller Tumormutationen das Resultat von zufälligen Kopierfehlern ist. 29 Prozent basieren auf Umwelteinflüssen und fünf Prozent gehen auf Erbfaktoren zurück. «Solche Tumore werden immer auftreten, egal wie perfekt die Umwelt ist», sagt Vogelstein.
Manche Krebsarten sind sogar noch mehr von Zufall bestimmt.
Prostata-, Gehirn- und Knochenkrebs werden demnach zu 95 Prozent von zufälligen Kopierfehlern bestimmt.
Das Team betont jedoch, dass der Einfluss der Lebensweise für andere Krebsarten durchaus beträchtlich ist. Bei Lungenkrebs stellen Umweltfaktoren wie Rauchen etwa 65 Prozent der Mutationen dar, aber selbst hier machen zufällige Kopierfehler immer noch 35 Prozent aus.
Grundsätzlich empfehlen die Forscher zwei Formen der Krebsprävention: Bei jenen Tumorarten, bei denen die Umwelt eine wichtige Rolle spielt, solle man Tipps zur Vorbeugung geben. Bei den anderen Tumoren, die vor allem vom Zufall abhängen, sei dagegen eine gute Früherkennung gefragt.
Die Ergebnisse von Tomasetti und Vogelstein sind in der Wissenschaft durchaus umstritten und sorgen für Diskussionen.
«Ein Verständnis des Krebsrisikos, das Pech ignorieren würde, wäre ebenso unangebracht wie eines, das Umwelt- und Erbfaktoren nicht berücksichtigen würde», schreibt Martin Nowak von der Harvard University. «Die frühere Analyse von Tomasetti und Vogelstein hat schon viele Diskussionen verursacht, und die neuen Resultate werden das ebenfalls tun. Die Ergebnisse zeigen einen eindeutigen Bedarf, Krebs mathematisch präzise zu verstehen.» (sem)