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Kommt es jetzt in Deutschland zu Neuwahlen? Das Jamaika-Debakel in vier Punkten erklärt

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Wie weiter mit Deutschland? Nicht nur Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Seehofer durchleben schwere Stunden. Bild: EPA/EPA

Kommt es jetzt in Deutschland zu Neuwahlen? Das Jamaika-Debakel in vier Punkten erklärt

Es ist Merkels grosse Krise: Das wichtigste Land Europas steht weiter ohne Regierung da. Die FDP hat die Koalitionsgespräche in letzter Sekunde platzen lassen. Das musst du wissen. 
20.11.2017, 04:2220.11.2017, 07:00
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  • Jamaika adé! Die FDP hat die Verhandlungen über die Regierungskoalition abgebrochen. Deutschland steht acht Wochen nach den Bundestagswahlen weiter ohne Regierung da.
  • Über vier Wochen lang hatten zuvor die CDU, CSU, Grüne und FDP über die Regierungsbildung verhandelt. 
  • Es ist eine der grössten Krisen von «Mutti». Es ist gar möglich, dass die CDU ohne Merkel in mögliche Neuwahlen zieht. 
  • Die SPD betont, eine Neuauflage der Grossen Koalition sei «keine Option». 

Der grosse FDP-Knall

«Lieber nicht regieren, als falsch zu regieren»: Kurz vor Mitternacht liess FDP-Chef Christian Lindner die Bombe platzen und verkündete das Ende der Jamaika-Sondierungsgespräche. Die Partei überrumpelte ihre Gesprächspartner mit der Twitter-Botschaft: 

Lindner machte deutlich, dass die Gräben zwischen FDP und Grünen aus seiner Sicht zu gross waren. Die Liberalen seien für Trendwenden in der Politik gewählt worden, etwa in der Bildung oder bei der Entlastung der Bürger. Diese seien nicht erreichbar gewesen

Das sagt Merkel

«Es ist ein Tag des tiefen Nachdenkens, wie es weitergeht in Deutschland»: Noch in der Nacht äusserte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Jamaika-Fail. Man müsse nun mit den Tatsachen umgehen. Sie werde nun alles dafür tun, «dass dieses Land auch durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird».

Das Statement von Merkel im Video.Video: YouTube/TutorialsGerman

Im Laufe des Tages will Merkel Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über den Stand der Dinge informieren. «Dann müssen wir schauen, wie sich die Dinge weiterentwickeln». 

«Schockiert» – die Reaktionen

CSU-Chef Horst Seehofer bezeichnete den Abbruch der Sondierungen als «Belastung» für Deutschland. Eine Einigung sei «zum Greifen nahe» gewesen. Auch bei der Migrationspolitik – eines der umstrittensten Themen in den Sondierungen – wäre eine Einigung möglich gewesen.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir hat die FDP hart attackiert. Jamaika sei von der FDP «zunichte gemacht und abgelehnt», sagte er. CDU-Innenminister von Baden-Württemberg, sprach vom «grössten anzunehmenden Unfall» für die deutsche Wirtschaft. 

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte, als FDP-Chef Lindner das Ende der Verhandlungen verkündet habe, hätten Grüne, CDU und CSU gemeinsam vor den Bildschirmen gestanden und «schockiert über diesen Abgang» zugesehen.

So geht es weiter

Nachdem die Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition gescheitert sind, sind nun drei Szenarien denkbar: 

  • Neuwahlen, die derzeit wahrscheinlichste Option. Gerüchten zufolge soll Merkel Neuwahlen für den 22. April 2018 anstreben. So einfach ist das aber nicht: Eine Neuwahl ist erst nach einer Kanzlerwahl möglich. Wird ein neuer Regierungschef nur mit relativer Mehrheit gewählt, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Innerhalb von 60 Tagen muss dann neu gewählt werden.
  • Minderheitsregierung: Eine weitere Option nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen ist, dass Merkel eine Minderheitsregierung anführen wird, etwa mit der FDP oder den Grünen. Sie braucht dann aber bei Abstimmungen einige Dutzend Stimmen aus anderen Fraktionen. Es gilt als so gut wie ausgeschlossen, dass sich Merkel darauf einlässt.
  • Grosse Koalition: Wie in der letzten Legislatur wäre grosse Koalition zwar rechnerisch möglich, wird aber von der SPD kategorisch abgelehnt. Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz hatte am Sonntag bekräftigt, für den Fall eines Scheiterns stehe seine Partei nicht für eine Regierungsbeteiligung zur Verfügung. «Der Wähler hat die grosse Koalition abgewählt»

(amü/sda/dpa)

Das erste Treffen von Merkel und Macron

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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walsi
20.11.2017 05:46registriert Februar 2016
So überraschend ist das jetzt nicht. Bei eine Koalition aus vier Parteien müssen alle so viele Kompromisse eingehen, dass es richtig weh tut. Der FDP wurde der Schmerz anscheinend zu gross und sie zogen die Reissleine.
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Tepesch
20.11.2017 07:42registriert Oktober 2015
Da ist man doch gleich froh hat die Schweiz eine Konkordanz Regierung. Eigentlich ist es doch pervers, wenn zwei oder mehr Parteien innerhalb weniger Wochen genau festlegen was in den nächsten 4 Jahren geschehen soll und die Oposition nicht mal ein kleines bischen miteinbezogen wird.
Eine Minderheitsregierung in DE wäre daher zu Begrüssen. Und würde sicher zu einer besseren Abbildung des Volkswillen führen.
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Shin Kami
20.11.2017 05:02registriert Juni 2016
Toll jetzt kriegt der Grüssaugust doch mal was zu tun. Ich hoffe die SPD bleibt hart und Merkel muss eine Minderheitsregierung nehmen. (Das sie Kanzlerin bleibt bezweifle ich nicht, alleine schon mangels Gegenkandidaten). Hoffentlich gewinnt die AFD bei neuwahlen nicht noch mehr...
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