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Im US-Wahlkampf soll Cambridge Analytica Facebook-Daten missbraucht haben.

President-elect Donald Trump, left, and chief strategist Steven Bannon, right, talks as they attend a meeting at Mar-a-Lago, in Palm Beach, Fla., Wednesday, Dec. 21, 2016. (AP Photo/Andrew Harnik)
Trump und Chefstratege Bannon, im Dezember 2016, nach erfolgreicher Wahl.Bild: AP

Firma verwendet für Trumps Wahlkampf missbräuchlich Daten von 50 Millionen Facebook-Usern

Cambridge Analytica soll Facebook-Daten für den Trump-Wahlkampf nutzbar gemacht haben. Dies enthüllt ein Whistleblower. Jetzt interessiert sich die Justiz in Grossbritannien und den USA für den Fall.
17.03.2018, 22:5318.03.2018, 08:33
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Christopher Wylie, Whistleblower

Der «Guardian» liess am Samstag eine journalistische Bombe platzen. Zwei britische Journalistinnen enthüllen in einer Artikel-Serie unter dem Titel «The Cambridge Analytica Files», wie die persönlichen Daten von bis zu 50 Millionen Facebook-Usern missbräuchlich verwendet worden seien, um ein Tool zur Beeinflussung von Wahlen zu kreieren.

Das Tool soll auf Anweisung von Steve Bannon bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 eingesetzt worden sein und könnte Donald Trump mit zum Sieg verholfen haben. Und auch die Brexit-Abstimmung, also den folgenschweren Ausstieg Grossbritanniens aus der EU, könnte das Tool beeinflusst haben.

Nach dem Bericht des «Observer» hat Cambridge Analytica Daten von Facebook-Mitgliedern 2014 ohne deren Zustimmung genutzt, um ein Programm zu erstellen, mit dem Wahlentscheidungen vorhergesagt und beeinflusst werden können. Durch das Programm erstellte Nutzerprofile hätten es erlaubt, ihnen personalisierte Wahlwerbung zukommen zu lassen.

Auch die «New York Times» wartete mit Enthüllungen zu einem möglicherweise grossen Skandal auf. Auf einen Bericht am Freitagabend (US-Ortszeit) folgt diese Schlagzeile:

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screenshot: nytimes.com

Die Staatsanwaltschaft des US-Bundesstaates Massachusetts hat Ermittlungen gegen die Datenanalysefirma Cambridge Analytica eingeleitet. Anlass dafür seien Berichte, Cambridge Analytica habe private Information von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern ausgewertet und mit den Analyse-Ergebnissen den Wahlkampf von Donald Trump unterstützt.

«Die Bewohner von Massachusetts erwarten umgehend Antworten von Facebook und Cambridge Analytica. Wir beginnen mit Ermittlungen», twitterte die Generalstaatsanwältin Maura Healey.

Berüchtigter Name

Die Firma Cambridge Analytica dürfte spätestens seit Dezember 2016 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sein. Damals berichtete «Das Magazin» über deren angebliche Big-Data-Wunderwaffe, die es ermöglichen soll, Menschen anhand ihres Verhaltens auf Facebook «minutiös zu analysieren».

Der entsprechende Tagi-Magi-Artikel sorgte für ein gewaltiges Echo und wurde auch heftig kritisiert. Die Autoren selber relativierten später und schrieben, sie hätten die Behauptungen des Psychologen Michal Kosinski, einem führenden Experten für Psychometrik, zu wenig kritisch hinterfragt.

Das Zauberwort lautet Micro-Targeting: Potenzielle Wählerinnen und Wähler werden psychologisch analysiert, um sie mit personalisierter Wahlkampfwerbung in den sozialen Netzwerken einzudecken. Anhand von Facebook-Likes soll es möglich sein, die sexuelle Orientierung, Rasse, Geschlecht der User – und sogar Intelligenz und Kindheitstraumata herauszulesen. Diese höchst privaten Informationen dienen dazu, Individuen mit massgeschneiderten Botschaften zu manipulieren.

Wie sich nun herausstellt, könnte mehr hinter dem Tool stecken, als manche Kritiker meinten: Ein ehemaliger Mitarbeiter von Cambridge Analytica hat dem «Guardian» als Whistleblower über Monate Detailinformationen geliefert.

Laut «Guardian» hat Cambridge Analytica Millionen Facebook-Profile von US-Wählern gesammelt und verwendet, um eine leistungsstarke Software zu entwickeln. Mit ihr könne man Entscheidungen an der Wahlurne vorhersagen und beeinflussen.

Facebook widerspricht der Darstellung, dass Daten von 50 Millionen Usern missbräuchlich verwendet wurden und behauptet, es seien deutlich weniger User betroffen.

Gleichzeitig gab das US-Unternehmen am Freitag bekannt, dass es Cambridge Analytica und den Wissenschaftler Aleksandr Kogan (siehe Akteure unten) von der Plattform suspendiert habe, bis Informationen über den Missbrauch von Daten im Zusammenhang mit einem «Forschungsprojekt» vorliegen.

Was wir wissen: Der Psychologieprofessor hatte 2015 mit einer App für Persönlichkeitsprognose («thisisyourdigitallife») per Facebook-Login Benutzerdaten gesammelt und ausgewertet – im Einklang mit Facebooks Richtlinien. Dabei konnte er auch Daten von Facebook-Freunden sammeln.

Kogan soll die Daten an Dritte weitergeleitet haben, unter anderem an Cambridge Analytica, und damit gegen die Plattform-Richtlinien verstossen haben. Und er soll der Aufforderung zur Löschung der Daten nicht nachgekommen sein.

Noch ist das ganze Ausmass der Enthüllungen nicht klar und die Auswirkungen sind nicht abzuschätzen.

In Grossbritannien laufen laut «Guardian» zwei Untersuchungen im Zusammenhang mit Cambridge Analytica, unter anderem wegen Datenschutz-Verstössen.

Und auf der anderen Seite des Atlantiks werden Vorgänge rund um die US-Präsidentenwahl untersucht. Sonderermittler Robert Mueller soll sich für die Firma interessieren. Er ist damit beauftragt, die mögliche Einflussnahme Russlands auf die Präsidentschaftswahlen unter die Lupe zu nehmen.

Update: Mittlerweile ist in den USA eine Online-Petition lanciert worden, die Auskunft verlangt von Facebook:

Das sind die wichtigsten Akteure und Namen

Cambridge Analytica, Datenanalyse-Firma mit Sitz in New York

Versucht durch Big Data auf die soziale Stellung und politische Einstellung von Individuen zu schliessen, um diese zu beeinflussen. Der Firmenname rührt von der Zusammenarbeit mit Psychometrikern der britischen University of Cambridge.

Facebook, US-Konzern, weltgrösstes Social-Media-Netzwerk.

Laut «Guardian» wurden zwischen 2014 und 2016 die Daten von 50 Millionen Usern ohne deren Zustimmung genutzt. Die britische Zeitung schreibt von einer der bislang «grössten Datenpannen». Die Daten seien von Cambridge Analytica missbräuchlich verwendet worden, um US-Wähler zu beeinflussen.

Bild
screenshot: guardian

Global Science Research (GSR)

Firma, die mit Cambridge Analytica kooperiert hat. Gründer und Geschäftsführer ist Aleksandr Kogan.

SCL Elections Ltd

Tochterfirma von Cambridge Analytica. Ging laut «Observer» eine kommerzielle Vereinbarung mit GSR ein, zwecks Erfassung und Verarbeitung von Facebook-Daten.

Michal Kosinski, Wissenschaftler, Cambridge University

Experte für Psychometrie.

Aleksandr Kogan, Wissenschaftler, Cambridge University

Psychologie-Professor. Hat einen Online-Persönlichkeitstest entwickelt, den hunderttausende Facebook-User freiwillig absolvierten und damit nicht nur persönliche Daten preisgaben, sondern auch die Daten ihrer Facebook-Freunde.

Kogan hat laut «Guardian» russische Stipendien für Forschungszwecke in Anspruch genommen und besass von Facebook eine Lizenz zum Sammeln von Profildaten, allerdings nur zu Forschungszwecken. Indem er die User-Daten für kommerzielle Zwecke aufsaugte, habe er gegen die Bestimmungen des Social-Media-Unternehmens verstossen.

Donald Trump, US-Präsident

Setzte im Wahlkampf auf die Dienste von Cambridge Analytica.

Robert Mercer, Hedgefonds-Milliardär und Informatiker

Hat sein Vermögen durch Software gemacht, die mit «Predictive Modeling» die Entwicklung von Aktienkursen prognostiziert. Er ist der Hauptfinancier von Cambridge Analytica. Ehemaliger Geldgeber von Steve Bannon, bis zum Zerwürfnis Anfang 2018.

Steve Bannon, Ex-Berater von Trump

Sass im Verwaltungsrat von Cambridge Analytica und vermittelte die Dienste der Firma für Trumps Wahlkampf 2016. Ab August 2016 leitete er die Wahlkampagne.

Christopher Wylie, Whistleblower

Ex-Mitarbeiter von Cambridge Analytica.

Mit Material der Nachrichtenagentur SDA

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
18.03.2018 03:00registriert Juni 2016
Es kommt immer mehr Dreck zutage.der Tagi Artikel beunruhigte mich schon damals, möglich wäre es durchaus gewesen fragt sich nur wie Effizient das war und wie sehr das die Wahl beeinflusst hat
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Pianovilla
18.03.2018 00:22registriert November 2014
Robert Mercer ist längst nicht mehr Bannon's Freund. Mercer's Gattin Rebekah ist nämlich glühende Trump-Unterstützerin und die Hauptgeldgeberin von Breitbart News. Sie hat persönlich Bannon bei Breitbart nach dessen Rückkehr dorthin abgesägt bzw. seinen Rauswurf gefordert. Dies als Vergeltungsaktion dafür, dass Bannon dem Autor Michael Wolff für dessen Buch "Fire and Fury" dermassen viele - für Trump wenig schmeichelhafte - Interna verraten hat. Mercers sind aber natürlich Trump's Freunde. Milliardäre unter sich.
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