«Es ist möglich geworden, sich vorzustellen, dass IT-Unternehmen wie Google und Facebook de facto den Wohlfahrtsstaat ersetzen werden», schrieb Evgeny Morozov kürzlich in einem Meinungsbeitrag in der «Financial Times». Er gilt als einer der einflussreichsten Kritiker des Internets und dem damit verbundenen «Alles-ist-technisch-machbar-geworden»-Denken.
Ausgangspunkt von Morozovs These ist ein Deal, den Google kürzlich mit der Regierung von Sri Lanka abgeschlossen hat. Darin verpflichtet sich das IT-Unternehmen, das Land mit einem Gratis-WiFi-Netz auszurüsten. Einen ähnlichen Deal ist Google mit der Stadt New York eingegangen. Auch Facebook geht ähnliche Verpflichtungen ein und setzt darauf, dass sich das Gratis-Engagement mit höheren Werbeeinnahmen auszahlen wird.
Letztlich geht es bei all diesen Deals zwischen IT-Unternehmen und öffentlicher Hand stets um das Gleiche: Wir stellen euch gratis eine Dienstleistung zur Verfügung, ihr wiederum gebt uns gratis die persönlichen Daten eurer Bürger.
Dieses Modell ist ausbaufähig, beispielsweise im Gesundheitswesen. Es gibt immer mehr Gadgets, die frühzeitig Krankheiten entdecken – Fitness-Ringe und Uhren beispielsweise –, und so wie im Zeitalter des Internets der Dinge Rolltreppen, Kühlschränke und Autos selbstständig melden, wenn sie defekt sind, wird dies bald auch der menschliche Körper tun.
Das verändert, oder disruptiert, wie man neuerdings sagt, das gesamte Gesundheitssystem. Google weiss aufgrund der Klicks heute schon schneller als die Ärzte, wann und wo sich eine Grippeepidemie abzeichnet. Dieser Trend wird sich noch verstärken. «Krankheiten werden von den Patienten frühzeitig selbst entdeckt werden», stellt Morozov fest. «Und nicht mehr der Staat, sondern die Technokonzerne werden die Rechnung übernehmen.»
Morozov ist kein Freund dieser Entwicklung. Sein Buch «To Save Everything Click Here» ist eine leidenschaftliche Anklage gegen den sich abzeichnenden IT-Staat. Er argumentiert dabei wie folgt: Die Techno-Enthusiasten sind überzeugt, dass sie die Probleme lösen können, die für die Politik anscheinend unlösbar geworden sind. Mit anderen Worten: «Wir können die Politiker und die Politik mit Technokraten und Verwaltern ersetzen», stellt Morozov fest.
Die zunehmende Gratis-Kultur der IT-Giganten ist für Morozov der erste Schritt hin zu dieser Entwicklung, in der Algorithmen zunehmend die Menschen ersetzen. Die Menschen sollten sich jedoch sehr gut überlegen, ob sie diesen Deal auch annehmen wollen. «Es mag verlockend sein, die persönlichen Daten gegen Gratisdienste einzutauschen, Dienstleistungen, die bisher mit Steuergelder bezahlt werden», schreibt Morozov. «Aber wozu brauchen wird dann noch politische Parteien?»
Mit anderen Worten: Wenn unser Leben von Algorithmen bestimmt wird, dann werden wir vielleicht gesünder und wohlhabender sein, aber auch fremd bestimmt und unglücklich.
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Nicht uninteressant übrigens, dass in einer Zeit, wo Daten immer wichtiger werden, die SVP plötzlich das Bundesamt für Statistik quasi abschaffen will (Budget halbieren). Diese Daten kann doch auch eine US-Firma sammeln, denken sich wohl SVP und deren dumme Wähler.