In der Stimme von Lori Alhadeff mischten sich Trauer und Zorn. Die letzten zwei Stunden habe sie damit verbracht, das Begräbnis ihrer Tochter vorzubereiten, schrie sie ins Mikrophon von CNN. Die 14-jährige Alyssa Alhadeff ist eine von 17 Personen, die am Mittwoch an der Marjory Stoneman Douglas Highschool in Parkland (Florida) vom 19-jährigen Nikolas Cruz erschossen wurden.
Ihre Mutter wandte sich in ihrer Verzweiflung direkt an US-Präsident Donald Trump: «Bitte tun Sie etwas. Handeln Sie. Jetzt. Unsere Kinder brauchen jetzt Sicherheit.» Die Wut von Lori Alhadeff richtete sich auch gegen aus ihrer Sicht mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen an der Schule, die nicht über Metalldetektoren verfügte. Vor allem aber hatte sie eine Forderung an die Adresse von Trump: «Sie können dafür sorgen, dass keine Waffen mehr in die Hände dieser Kinder gelangen.»
Ob Trump darauf eingehen wird, ist mehr als zweifelhaft. Nach dem jüngsten von fast schon unzähligen Schulmassakern in den USA hielt der Präsident am Donnerstag eine kurze Fernsehansprache, in der er das Wort «Waffen» kein einziges Mal erwähnte. Stattdessen kündigte Trump an, er wolle sich des «schwierigen Problems der psychischen Gesundheit» annehmen.
Dabei hatte Trump vor einem Jahr ein Gesetz unterzeichnet, das Vorschriften der Obama-Regierung rückgängig machte, die Menschen mit schweren psychischen Problemen den Kauf einer Waffe erschweren sollten. Sie waren nach dem Massaker in Newtown (Connecticut) im Dezember 2012 erlassen worden, beim dem 20 Schulkinder und sechs Erwachsene getötet wurden.
Der Täter war ein Ex-Schüler, dem «gravierende psychische Probleme» attestiert worden waren. Mit dem neuen Gesetz habe Trump rund 75'000 mental instabilen Personen den Kauf einer Waffe erleichtert, so die Website Quartz. In seinem Budgetvorschlag für das Jahr 2019 will der Präsident zudem wesentlich weniger Geld für Hintergrundchecks von Waffenkäufern zur Verfügung stellen.
Und noch etwas war auffällig an Trumps Ansprache. Zwar sprach der den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus, doch er tat dies auf seltsam emotionslose Art. Es war kein Vergleich mit Barack Obama, der nach dem Newtown-Massaker mit den Tränen kämpfte und um Worte rang. Auch dieses Mal drückte Obama mit einem Tweet mehr Empathie aus als Trump mit seiner Rede.
We are grieving with Parkland. But we are not powerless. Caring for our kids is our first job. And until we can honestly say that we're doing enough to keep them safe from harm, including long overdue, common-sense gun safety laws that most Americans want, then we have to change.
— Barack Obama (@BarackObama) February 15, 2018
«Trump scheint selten durch etwas erschüttert zu werden, das nicht direkt mit ihm zu tun hat», schreibt Politico. Er ist wütend, wenn er selbst betroffen ist, etwa durch die Russland-Ermittlungen. Bei Ereignissen wie dem Massaker von Las Vegas wirkt er teilnahmslos. Das mag auch mit der Abneigung der Republikaner gegen jegliche Art der Waffenkontrolle zusammenhängen.
Unter Trumps Wählern befinden sich viele Hardcore-Waffenfreaks. Sie will der Präsident nicht verprellen. Auch nach dem Massenmord in Florida spielt die Rechte in den USA auf Zeit. «Derzeit gibt es mehr Fragen als Antworten», sagte Paul Ryan, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, einem konservativen Radio: «Wir müssen Luft holen und die Fakten sammeln.»
Auf Donald Trumps Lieblingssender Fox News gab es Schuldzuweisungen in alle möglichen Richtungen. Die angeblich mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen an der Schule wurden genauso für die Tat verantwortlich gemacht wie die Eltern des Täters (Nikolas Cruz ist Vollwaise, seine Adoptiveltern sind verstorben, zuletzt wohnte er bei einem Freund der Familie).
Ausgeblendet und totgeschwiegen wurden andere Aspekte, etwa die Tatsache, dass Cruz auf seinem Instagram-Account ein Foto von sich mit einer roten «Make America great again»-Mütze aus Donald Trumps Wahlkampf gepostet hat. Stattdessen meinte ein ehemaliger Richter auf Fox News, der Täter hätte «mit einer Schleuder» gestoppt werden können.
Alles deutet darauf hin, dass es laufen wird wie immer: Man lässt eine Phase der Empörung und Betroffenheit vorübergehen und macht danach so weiter wie bisher. Im Senat des Bundesstaats Florida war für Donnerstag eine Anhörung zu einer weiteren Lockerung der Hintergrundchecks für Waffenkäufer angesetzt. Sie wurde nach dem Massaker verschoben.
Diese Mentalität stösst dem 17-jährigen David Hogg sauer auf. Er ist Schüler an der Marjorie Stoneman Douglas High School und überlebte die Schiesserei, weil eine Abwartin ihn und andere Schülerinnen und Schüler, die in Richtung des Schützen rannten, stoppen konnte. Auf CNN drückte er seinen Frust über die Politiker aus: «Wir sind die Kinder. Ihr seid die Erwachsenen.»
Student David Hogg who survived school shooting looks directly in camera, sends message to Trump and lawmakers: “Please, take action. Ideas are great… But what’s more important is actual action… saving thousands of children’s lives. Please, take action” https://t.co/pwO9MLc69E pic.twitter.com/DRxOxemBZJ
— CNN Breaking News (@cnnbrk) February 15, 2018
Im Gespräch mit der «New York Times» machte Hogg eine weitere bemerkenswerte Aussage: «Aus nationaler Sicht bin ich überhaupt nicht überrascht, und das ist einfach traurig.» Diese Tatsache sage «so viel aus über den derzeitigen Zustand unseres Landes, und wie viel getan werden muss.» Für Hogg bedeutet dies: «Wir müssen hinaus gehen und politisch aktiv werden.»
Darin sieht auch die «New York Times» eine Chance, um die Politik aus dem «Würgegriff» der finanzstarken Waffenlobby, allen voran der berüchtigten NRA, zu befreien. Mit einer starken Wahlbeteiligung könne «die NRA an der Urne besiegt werden». Bis dann werde das Blutvergiessen weitergehen.