Die Westbalkanroute über Mazedonien und Serbien trifft an der ungarischen Grenze auf den Schengenraum. Über diese Route gelangen derzeit am meisten Flüchtlinge nach Mitteleuropa; mehr als über die zentrale Mittelmeerroute. Ungarn hat an der Grenze zu Serbien einen Zaun gebaut, um die Flüchtlinge fernzuhalten, doch in einem Wald bei Röszke an der serbischen Grenze hat es eine Lücke: Jeden Tag gelangen dort nach Schätzungen 2000 bis 3000 Flüchtlinge ins Land.
Zugleich lässt Budapest die Flüchtlinge derzeit nicht nach Österreich und weiter nach Deutschland ausreisen, sondern will sie in einem der fünf Flüchtlingszentren registrieren lassen – wie es das EU-Recht eigentlich vorsieht. Auch dies führt dazu, dass sich die Anzahl der Flüchtlinge in Ungarn stetig erhöht.
Innenpolitisch benötigt der ungarische Regierungschef Viktor Orbán das Chaos, um Stimmen für seine rechtskonservative, fremdenfeindliche Politik zu gewinnen. Im Februar hat die Regierungspartei Fidesz ihre Zweidrittelsmehrheit verloren. Um der erfolgreichen rechtsextremen Jobbik-Partei das Wasser abzugraben, steuert Orbán einen prononciert rechten Kurs. Er hat viele Jobbik-Parolen übernommen, um seine Macht über die nächste Wahl hinaus zu sichern.
Aussenpolitisch will Orbán mit dem Flüchtlingschaos möglicherweise aber auch Gelder aus Brüssel locker machen.
Gemäss dem Dubliner Übereinkommen muss der Vertragsstaat, in den ein Asylbewerber nachweislich zuerst eingereist ist, das Asylverfahren durchführen. Das Dublin-Verfahren wird mit dem Ansturm der Flüchtlinge in Ungarn jedoch zusehends ausgehebelt – das Land ist mit der Registrierung der Flüchtlinge überfordert.
Zwar hat die Regierung in Budapest angekündigt, sie wolle fortan wieder alle ankommenden Flüchtlinge registrieren. Nur so könne man Ausnahmezustände wie in den vergangenen Tagen an den Budapester Bahnhöfen verhindern. Zugleich hiess es jedoch, Ungarn werde sich weigern, die registrierten Flüchtlinge an der Weiterreise nach Österreich oder Deutschland zu hindern. Dies laufe zwar dem Dublin-Abkommen zuwider, aber die «Unhaltbarkeit des Systems bei diesen Menschenmassen» sei mittlerweile in der ungarischen Regierung «allgemein akzeptiert». Tatsächlich weigert sich Ungarn, 230 nach Tschechien weitergereiste Flüchtlinge zurückzunehmen.
Nach der Registrierung müsste Ungarn mit den Asylbewerbern ein Asylverfahren durchführen. Bei positivem Bescheid dürften die Bewerber in Ungarn bleiben, bei negativem Bescheid müssten sie das Land und den Schengenraum verlassen.
Nein. Ein Teil der Flüchtlinge, die nach Ungarn eingereist sind, waren zuvor bereits in Griechenland – wo sie eigentlich zuerst hätten registriert werden müssen. Die griechischen Behörden sind jedoch seit längerem von der Situation überfordert und winken die Flüchtlinge einfach nach Mazedonien durch, von wo sie über Serbien nach Ungarn gelangen.
Auch die Nicht-Schengen-Staaten Mazedonien und Serbien hindern die Flüchtlinge nicht an der Weiterreise nach Ungarn.
Andere osteuropäische Staaten wie Polen, Tschechien und die Slowakei möchten ihre Flüchtlingspolitik mit Ungarn abstimmen. Sie alle fürchten die Einführung eines EU-Verteilschlüssels für Flüchtlinge, in dem sie einen Angriff auf ihre Souveränität sehen.
Da die meisten Asylbewerber nach Deutschland, Österreich oder Schweden weiterreisen möchten, fordern diese Länder – im Verein mit Brüssel – immer lauter verbindliche Verteilquoten. Bereits steht die Drohung von Subventionskürzungen für die renitenten Osteuropäer im Raum.
Dagegen hat der tschechische Innenminister darauf hingewiesen, dass man die Flüchtlinge nicht in Tschechien halten könne, wenn sie unbedingt nach Deutschland oder Schweden wollten.
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