Nach einer hitzigen Debatte hat der EU-Gipfel die Verteilung von 40'000 Flüchtlingen von Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten vereinbart. Dies erfolgt auf freiwilliger Basis - und nicht wie von der EU-Kommission und Italien gefordert auf Grundlage einer festen Quote.
«Alle Staaten haben Zusagen gemacht», sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk am Freitagmorgen in Brüssel. Ausnahmen seien nur Ungarn und auch Bulgarien. Tusk sagte: «Diese beiden Länder unterliegen schon einem grossen Migrationsdruck und werden deshalb als Sonderfälle behandelt.»
Die EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarten zudem, dass sich alle Staaten an der Umsiedlung von 20'000 anerkannten Flüchtlingen aus Lagern etwa rund um Syrien beteiligen. «Das gibt 60'000 Menschen eine Lebensperspektive», fasste EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Gipfel-Ergebnisse zusammen und kritisierte dies zugleich als «bescheidene Ambition». «Wir müssen schauen, ob das System funktioniert», sagte er mit Blick auf die nun vereinbarte Freiwilligkeit.
Die Staats- und Regierungschefs stritten bei den stundenlangen Beratungen darüber, ob die Umverteilung der 40'000 Asylberechtigten - also Menschen aus Syrien und Eritrea - auf Basis freiwilliger Zusagen oder verpflichtender Verteilschlüssel erfolgen sollte.
Frankreichs Staatspräsident François Hollande sagte über die Debatte: «Es gab Momente der Spannung.» Juncker sprach von «einer schwierigen Diskussion».
Allen voran Italien hatte mehr verlangt. Premier Matteo Renzi begrüsste nach dem Gipfel die Zusagen nur als «ersten Schritt». Renzi hatte in der Gipfelrunde mit scharfen Worten eine verpflichtende Quote gefordert.
Diplomaten zitierten den Italiener mit den Worten: «Wenn Ihr mit der Zahl von 40'000 nicht einverstanden seid, verdient Ihr es nicht, Europa genannt zu werden. (...) Wenn das Eure Vorstellung von Europa ist, dann könnt Ihr es lassen.» Er fuhr fort: «Entweder es gibt Solidarität - oder verschwendet nicht unsere Zeit.»
Insbesondere die osteuropäischen und baltischen Staaten, die bislang nur selten das Ziel von Migranten sind, beharrten auf dem Prinzip der Freiwilligkeit.
Die EU ignoriere Hinweise auf die stark genutzte Flüchtlingsroute über den Balkan, auf der Ungarn liegt, und kümmere sich nur um die Lage am Mittelmeer, sagte Aussenminister Peter Szijjarto im Fernsehen. Dies sei «inakzeptabel und unverständlich». Jeder in Brüssel wisse, dass in Ungarn mehr Flüchtlinge ankämen als in Italien und in Griechenland.
Budapest besteht zurzeit auf einem Abschiebestopp von Flüchtlingen aus EU-Staaten nach Ungarn. Das Argument: Die Betroffenen hätten «wahrscheinlich» in Griechenland zuerst EU-Boden betreten, Ungarn sei daher für sie nicht zuständig.
Der rechtsnationale ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sagte in Brüssel: «Wir sind nicht herzlos, aber auch nicht hirnlos, man muss beides im Gleichgewicht halten.»
Nach Angaben von Diplomaten kann die Verteilung frühestens im Spätsommer beginnen. «Die Innenminister werden das Verfahren bis Ende Juli abschliessend klären», sagte Tusk. Bis dahin sollen in Italien und Griechenland Aufnahmelager entstehen, wo Flüchtlinge registriert und identifiziert werden. (trs/sda/reu/afp/apa/dpa)