Mit einem Lieferwagen hat ein Mann in London zehn Mitglieder einer muslimischen Gemeinde verletzt. Der 48-Jährige war in der Nacht zum Montag in eine Menschenmenge in der Nähe eines Gebetshauses gerast. Die Polizei behandelt die Tat als Terrorangriff.
Der Täter wurde festgenommen und steht unter dem Verdacht des versuchten Mordes, weitere Verdächtige gibt es nicht. Ob ein vor Ort gestorbener Mann als Folge des Angriffs umkam, war nach Angaben der Polizei zunächst unklar – er bekam demnach schon vorher Erste Hilfe.
Acht der Opfer mussten nach Polizeiangaben im Spital behandelt werden. Wie schwer sie verletzt waren, war zunächst nicht bekannt. Die Gemeindemitglieder waren während des Fastenmonats Ramadan nach dem Ende eines Gebets im Stadtteil Finsbury Park auf der Strasse.
Die Einsatzkräfte hatten nach eigenen Angaben gegen 00.20 Uhr (Ortszeit) die ersten Notrufe vom Ort des Geschehens in der Seven Sisters Road erhalten. Unmittelbar nach der Tat soll der Imam der Gemeinde den Fahrer des Lieferwagens festgehalten und zugleich vor wütenden Umstehenden beschützt haben.
Das Gebetshaus verurteilte den Vorfall: «Wir haben über Jahrzehnte sehr hart für eine friedliche und tolerante Gemeinschaft hier in Finsbury Park gearbeitet und verurteilen schärfstens jeden Akt des Hasses, der versucht, unsere wunderbare Gemeinschaft zu spalten», heisst es in einer Mitteilung, die das Muslim Welfare House im Internet veröffentlichte.
Das Motiv des Täters war zunächst unklar, Waffen hatte er nach Angaben der Polizei nicht dabei. Er sollte unter anderem auf seine psychische Gesundheit untersucht werden.
Dem Leiter des Muslim Welfare House zufolge soll er gerufen haben: «Ich habe meinen Teil getan», anderen Zeugen zufolge soll er gesagt haben, er wolle Muslime töten. Scotland-Yard-Chefin Cressida Dick kündigte an, zusätzliche Beamte einzusetzen - auch in der Nähe von muslimischen Einrichtungen.
Der bei der Tat benutzte Lieferwagen stammt aus Wales. Er wurde von einer Firma in Pontyclun in der Nähe der walisischen Hauptstadt Cardiff ausgeliehen, sagte der Minister für Wales, Alun Cairns, am Montag. Die Polizei in Südwales arbeite mit den Ermittlern von Scotland Yard zusammen.
Premierministerin May sprach von einem «schrecklichen Zwischenfall». Das Land werde sich durch die Tat aber nicht spalten lassen, sagte sie nach einer Krisensitzung. «Hass und Böses dieser Art werden niemals Erfolg haben».
Police arrive on the scene to respond to an incident where a vehicle has collided with pedestrians in London https://t.co/PyvVHDaEmO pic.twitter.com/ykp4UmlU6d
— CNN (@CNN) June 19, 2017
Die blutige Attacke erinnere daran, dass «Terrorismus, Extremismus und Hass viele Formen annehmen», sagte May. «Unsere Entschlossenheit, sie zu bekämpfen, muss dieselbe sein, wer auch immer verantwortlich ist.»
Theresa May says the #FinsburyPark terror attack is a "reminder that terrorism, extremism and hatred take many forms" pic.twitter.com/gEXHV9TUPh
— Sky News (@SkyNews) 19. Juni 2017
Ex-Premierminister David Cameron nannte die Tat auf Twitter eine «entsetzliche terroristische Attacke auf friedlich betende Muslime». Auch Londons Bürgermeister Sadiq Khan bewertete die Tat als zielgerichtete Attacke. Manchesters Bürgermeister Andy Burnham schrieb: «Wir werden weiter zusammenstehen gegen Extremisten, die einen Teufelskreis der Gewalt wollen.»
Auch ausserhalb Grossbritanniens löste die Attacke Entsetzen aus. Deutschlands Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, es spreche einiges dafür, dass es eine «Tat aus blindem Hass» sei. Der EU-Chefunterhändler für die Verhandlungen über einen britischen EU-Austritt, Michel Barnier, und der britische Brexitminister David Davis sprachen den Opfern und ihren Familien ihr Mitgefühl aus.
North London: One man killed. Eight hospitalised after van hits pedestrians outside London mosque. Man arrested. https://t.co/L1Wy88trGR pic.twitter.com/9e0ypeTeSn
— 7 News Melbourne (@7NewsMelbourne) 19. Juni 2017
Seit März war Grossbritannien dreimal von Terroranschlägen erschüttert worden. In Manchester hatte ein Selbstmord-Attentäter Ende Mai nahe einem Pop-Konzert 22 Menschen getötet. In London töteten Terroristen im März und Anfang Juni insgesamt mindestens 13 Menschen. Die Londoner Polizei hatte nach den jüngsten Anschlägen mehr islamfeindliche Vorfälle registriert als üblich. (sda/dpa)