In weniger als zwei Wochen wird in Frankreich gewählt. Das Rennen um die zwei begehrten Plätze für die Stichwahl vom 7. Mai ist heiss wie nie. Die guten Umfragewerte von Überraschungsmann Jean-Luc Mélenchon vom Wochenende haben nochmals neuen Pfeffer in den Wahlkampf gebracht.
Marine Le Pen und Emmanuel Macron, die in den bisherigen Umfragen die deutlichen Favoriten für die zweite Runde der Wahlen waren, müssen plötzlich wieder zittern.
Während die Formkurven der beiden Kandidaten der etablierten Parteien, François Fillon und Benoît Hamon nach unten zeigen, hat Linksaussen-Politiker Mélenchon seit Mitte März um acht Prozentpunkte zugelegt und liegt neu auf Rang 3.
Pour la 1ere fois, #Mélenchon (18%) passe devant #Fillon (17%) dans un sondage @TNS_Sofres. Devant, #LePen et #Macron (en recul) sont à 24% pic.twitter.com/l5GlxHjSPI
— Olivier Biffaud (@bif_o) 9. April 2017
Gestern Montag wurde nun offiziell die Schlussphase des Wahlkampfes eingeläutet. Dies bedeutet, dass der Rundfunkaufseher CSA die Redezeiten der Kandidaten akribisch genau beobachtet. Sowohl im Fernsehen als auch im Radio.
Die Kandidaten erhalten unabhängig von ihrem politischen Gewicht die gleiche Redezeit.
Die Zeit vor dem Bildschirm wenige Tage vor der Wahl am 23. April ist in Frankreich besonders kostbar. Es ist von Vorteil, wenn man sie gut nutzt und einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Und genau dies hat Marine Le Pen getan. Am Sonntagabend liess sie auf dem Sender «RTL» eine Bombe platzen, welche gestern Montag die Schlagzeilen und Timelines Frankreichs besetzte.
Die Rechtsaussen-Politikerin hat eine Verantwortung Frankreichs für die Festnahme und Deportation Tausender Juden während des Zweiten Weltkriegs abgelehnt.
«Wenn es Verantwortliche gab, dann waren es die, die damals an der Macht waren, es ist nicht Frankreich», so Le Pen am Sonntagabend. Damit verwies sie auf das Vichy-Regime, welches während des Zweiten Weltkrieges mit Nazideutschland kollaborierte.
Le Pen beschwerte sich darüber, dass den französischen Kindern nur die «dunkelsten Aspekte» der Geschichte des Landes beigebracht würden. «Ich will, dass sie wieder stolz sind, Franzosen zu sein.»
Pour Marine Le Pen, la France « n’est pas responsable du Vél’d’Hiv ». Donc, rien n'a changé au #FN...et ce n'est pas un détail ! ⬇️ pic.twitter.com/w65JB0PdTB
— J't'ai à l'œil... (@OeilDeLynx6969) 9. April 2017
Im Juli 1942 hatten französische Polizisten im Rennradstadion Vel d'Hiv rund 13'000 Juden zusammengetrieben, welche darauf deportiert und in den Vernichtungslagern der Nazis ermordet wurden.
Es dauerte bis ins Jahr 1995, ehe erstmals ein französischer Präsident die Schuld Frankreichs für dieses Verbrechen anerkannte. «Franzosen und der französische Staat haben den verbrecherischen Wahnsinn der Besatzer unterstützt», sagte der damalige konservative Präsident Jacques Chirac und sprach von einer «unauslöschlichen Schuld».
Emmanuel Macron, härtester Gegner Le Pens, verurteilte deren Aussage gestern Montag scharf. Die Front-National-Chefin habe einen «schwerwiegenden Fehler» begangen. Sie habe «ihr wahres Gesicht» gezeigt und «falls es jemand noch bezweifelte, Marine Le Pen ist tatsächlich die Tochter von Jean-Marie Le Pen.»
Der 88-jährige Vater der Kandidatin, bezeichnete die Gaskammern der Nazis einst als «Detail» der Geschichte und wurde wegen rassistischer und antisemitischer Aussagen bereits weit über 20 Mal rechtskräftig verurteilt. Nachdem die Tochter die Führung des Front National im Jahr 2011 von ihrem Vater übernahm, versuchte sie den Antisemitismus-Stempel loszukriegen, um eine breitere Wählerschaft zu erreichen.
Mit der Aussage von Sonntag hat Le Pen diese jahrelange Arbeit in Gefahr gebracht. Doch sie habe dies wohl bewusst getan, sind sich zahlreiche Experten in den französischen Medien gestern Montag einig. Ein unkontrollierter Ausrutscher sei dies kaum gewesen.
Die vergangenen Wahlkampf-Wochen sind nicht nach Le Pens Geschmack gelaufen. Eine Wahl in die zweite Runde ist zwar nach wie vor sehr wahrscheinlich, doch dort sagen die Umfragen eine deutliche Niederlage der Rechtspopulistin voraus.
Mit dem heikelsten aller Themen hat Le Pen nun wieder Feuer in ihren Wahlkampf gebracht. Ob ihr dies nützen oder schaden wird, werden wir erst in zwei Wochen wissen. Die nächsten zwölf Tage dürften turbulent werden.