Die griechische Tragödie dominiert den Gipfel der EU-Regierungschefs in Brüssel. Doch auf einer Nebenbühne geben auch die Briten ein Gastspiel in Sachen EU-Austritt. Während jedoch ein «Grexit» zu einer realistischen Option geworden ist, dürfte ein «Brexit» derzeit wenig wahrscheinlich sein.
Im Vorfeld der Konferenz in Brüssel hat sich sogar die Queen zum Verhältnis des Vereinigten Königreichs zum alten Kontinent geäussert. Sie sprach dabei Klartext: «Wir alle wissen, dass ein Auseinanderdividieren von Europa äusserst gefährlich wäre und müssen es verhindern, im Westen wie auch im Osten des Kontinents», erklärte Königin Elisabeth bei einem Besuch in Berlin.
Auch Premierminister David Cameron hat seine Anti-EU-Rhetorik zurückgeschraubt. Bei seinem kurzen Auftritt vor den versammelten Regierungschefs beliess er es bei Gemeinplätzen. Zuvor hatte Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates, unmissverständlich erklärt: «Die Werte der EU stehen nicht zum Verkauf.»
Cameron befindet sich in einer misslichen Lage. Um der nationalistischen UKIP und den Hinterbänklern in der eigenen Partei den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte er angekündigt, spätestens 2017 ein Referendum zur britischen EU-Mitgliedschaft durchzuführen. Zuvor würde er die Bedingungen der Mitgliedschaft neu verhandeln, versprach er.
Dieses Versprechen muss Cameron nun einlösen. Er möchte es möglichst rasch hinter sich bringen, am liebsten schon im nächsten Jahr. Deshalb hatte er auf einer Minitournee durch Europa in den letzten Tagen die Stimmung ausgelotet und bald gemerkt, dass er nicht mit substanziellen Konzessionen rechnen kann.
Um die Neuverhandlungen trotzdem als grossen Sieg verkaufen zu können, zielt Cameron auf Erfolge der symbolischen Art. So möchte er, dass die EU einmal mehr betont, dass es in der Gemeinschaft um mehr Wettbewerb und nicht um mehr Regulierung gehe. Oder er kämpft gegen Sozialleistungen für Zuwanderer aus anderen EU-Staaten, obwohl es praktisch keine polnischen Spengler und portugiesischen Krankenschwestern gibt, die solche Leistungen beziehen.
Wirtschaftlich gesehen wäre ein «Brexit» für das Vereinigte Königreich ein Desaster. Eine soeben veröffentlichte Studie der Denkfabrik Global Counsel kommt zum Schluss, dass ein solcher Austritt so kompliziert wäre, dass er mindestens zehn Jahre dauern würde. In dieser Zeit würde ein hohes Mass an Rechtsunsicherheit herrschen.
Genau das fürchten Unternehmer und Manager am meisten. «Die Wirtschaft würde mit sehr vielen Unsicherheiten konfrontiert sein», erklärt Gregor Irwin, der Verfasser der Studie in der «Financial Times». «Das hätte schwerwiegende Folgen für die gesamte Volkswirtschaft.»
Auch politisch wären die Konsequenzen fatal. Anders als die Engländer wollen die Schotten in der EU bleiben. Ein «Brexit» würde sofort wieder die Separationsfrage auf den Tisch bringen. Im vergangenen Jahr wurde eine Ablösung Schottlands von England in einem Referendum nur knapp verworfen.
All dies sind schlechte Nachrichten für das EU-feindliche Lager in der Schweiz. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die EU den Engländern grosse Zugeständnisse machen wird. Folgerichtig wird auch der Spielraum der Schweizer Unterhändler in Brüssel begrenzt bleiben.