Ein Abend im Mai 2015. Geerte Piening läuft nach dem Ausgang nach Hause. Plötzlich drückt die Blase. Was tun? Das nächste öffentliche WC, das Frauen benutzen können, ist zwei Kilometer entfernt. Die Bar, in der sie den Abend verbracht hat, ist bereits geschlossen.
«Ob ich jetzt dort noch auf die Toilette gegangen wäre, macht gar keinen Unterschied», erzählt die 23-Jährige rückblickend. «Jeder weiss, dass wenn man was trinkt, dass man dann auf einmal fünf Minuten später wieder muss. So geht das halt manchmal an so einem Abend. Ich konnte nirgends mehr hin, nichts hatte mehr offen.»
Also entscheidet sich die junge Frau dazu, ihr Geschäft in der Öffentlichkeit zu erledigen. «Wildplassen», wie es die Holländer nennen. «Hätte ich in meine Hosen machen sollen?», fragt Piening.
Freunde der 23-Jährigen halten Wache und schauen, dass niemand zu nahe kommt. Doch das Unheil nimmt seinen Lauf. Auf einmal tauchen aus dem Dunkeln drei Polizisten auf. «Da konnte ich aber nicht mehr stoppen», erklärt Piening. «Was ich da mache, fragte mich ein Agent. Dabei war das doch ziemlich eindeutig.»
This is ridiculous! This is why we need #gendergelijkheid #wildplassen #everyonepees https://t.co/3j2RRGwvnk
— Women's March NL (@WomensMarchNL) 19. September 2017
Piening hat keine Lust zu diskutieren, sie nimmt die Busse von 140 Euro zunächst hin. Doch am nächsten Morgen denkt sie sich: «Das fechte ich an!» Man mache dies als Frau ja nicht zum Spass. So in einer Gasse sitzen mit den Unterhosen auf den Knien.
Über zwei Jahre hat es gedauert, bis die Angelegenheit vor Gericht behandelt wurde. Nun ist das Verdikt da. Geerte Pieining ist schuldig. Sie hätte sich an das Verbot gegen das «Wildplassen» halten müssen, so der Richter.
Doch Piening hat mit ihrer Beschwerde einen Nerv getroffen, die Geschichte wird in Holland auf und ab diskutiert. Sie führte ins Feld, dass es im Zentrum von Amsterdam zwar 35 öffentliche Pissoirs für Männer gäbe, für Frauen aber nur drei Toiletten.
Der Richter sah dies zwar ein. Doch das sei so, weil es viel mehr Männer gäbe, die in der Öffentlichkeit urinieren würden. «In all den Jahren, in denen ich hier arbeite, sind Sie erst die zweite Frau, der das passiert ist», so der Richter.
Er meint, Piening hätte sich halt einfach auf einem Pissoir für Männer erleichtern müssen. «Das ist zwar nicht schön, aber ich denke, in der Not kann man das mal machen.» Wenn es keinen Abfalleimer in der Nähe habe, so der Richter, werfe man den Müll auch nicht einfach auf den Boden. Immerhin reduzierte er die Busse von 140 auf 90 Euro, weil sie so lange auf ein Urteil warten musste.
Aber Amsterdam wäre nicht Amsterdam, wenn die Bevölkerung dieses Verdikt einfach so auf sich sitzen lassen würde. Auf Facebook wurde ein Event gegründet, der Frauen dazu aufforderte kommenden Freitag gleichzeitig ins Pissoir am Leidseplein zu urinieren.
Da sich für den Event über 1000 Personen anmeldeten, wurde die Aktion mittlerweile auf die ganze Stadt ausgeweitet. Frauen sollen sich auf den Pissoirs fotografieren und die Bilder auf Facebook und Instagram unter dem Hashtag #urinoirplassen teilen. Was die Veranstalter damit vorhaben, ist noch nicht bekannt. Auf jeden Fall dürfte es sich lohnen, den Hashtag morgen mal im Auge zu behalten.
Was meint eigentlich Geerte Piening zum ganzen Hype? «Es ist ein enorm feministisches Ding geworden, das war eigentlich gar nicht die Meinung», so die Frau, die alles ins Rollen gebracht hat. Aber auf der anderen Seite sei es auch gut, dass das Thema endlich angegangen werde. «Es ist doch echt peinlich für Amsterdam, dass man sich als Frau nirgends erleichtern kann.» (cma)