International
Indien

Monsun: Während die Welt nach Texas schaut, erlebt Südasien eine katastrophale Monsunzeit

Pakistani commuters travel on a flooded street following a heavy rainfall in Karachi, Pakistan, Thursday, Aug. 31, 2017. Monsoon rains in Pakistan's port city of Karachi left at least eight peopl ...
Überflutete Strassen in Karachi, Pakistan.Bild: AP/AP

Während die Welt nach Texas schaut, erlebt Südasien eine katastrophale Monsunzeit 

01.09.2017, 09:4501.09.2017, 15:17
Mehr «International»

Die jährlichen Regenfälle in Südasien bringen diesmal Leid in einem Ausmass, das es hier lange nicht mehr gab. Hunderte Menschen sind in der Monsunzeit gestorben. Während die Welt nach Texas schaut, verlieren die schutzlosesten Bewohner einer armen Region alles.

Was einmal eine Strasse war, ist nun ein Fluss. Aus dem Wasser ragen Hausdächer hervor. Ein Boot mit einer obdachlos gewordenen Familie an Bord gleitet vorbei. Diese Szene könnte sich in Houston abspielen.

Die Dächer sind aber aus Stroh, das Boot ein Kanu und kein Motorboot - dies ist Südasien. Mehr als 1700 Menschen sind hier in diesem Sommer bei Überschwemmungen ums Leben gekommen.

Es gibt zwar jedes Jahr eine Monsunzeit, diesmal ist sie aber besonders verheerend. Und diese Ecke der Welt ist viel schlechter gerüstet als die USA, die Folgen zu bewältigen.

Abgeschnitten und ohne Hilfe

«Wir wurden mitten in der Nacht wach, als ein Fluss in der Nähe überflutete», erzählt der Bauer Lekhnarth Khatri vom Geschehen Mitte August in dem nepalesischen Dorf Jhapa an der indischen Grenze. Die meisten Bewohner hätten sich in einer hochgelegenen Schule in Sicherheit gebracht.

Es habe zwei Tage gedauert, bis Helfer Reis und Kochutensilien brachten. «Mehr als 200 Kinder, Frauen und alte Leute hatten zwei Tage lang nichts zu essen.»

Von der Regierung sei nichts gekommen, erzählt Khatri. «Wir haben unsere gesamte Reisernte verloren, und wir wissen nicht, wie wir ohne Hilfe über die Runden kommen sollen.» Mit den entstandenen Schäden müssten sie allein zurechtkommen. «Unser Haus ist unbewohnbar geworden, überall ist Schlamm», sagt der 32-Jährige. Auch Kleidung und Bettwäsche sei nun unbrauchbar.

Houston versinkt nach dem Hurrikan Harvey in den Fluten

1 / 23
Houston versinkt nach dem Hurrikan Harvey in den Fluten
«Harvey» brachte auch in der Nacht zum Dienstag grosse Regenmengen in den Südosten von Texas, wie der Nationale Wetterdienst am frühen Morgen (Ortszeit) mitteilte.
quelle: ap/the galveston county daily news / jennifer reynolds
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Vor allem sei das Dorf immer noch grösstenteils von der Aussenwelt isoliert. «Unsere Kinder können nicht zur Schule gehen, weil die Fluten die Strassen weggeschwemmt haben.»

Kein Notfallplan

Teile Südasiens erleben nach Einschätzung des Roten Kreuzes die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Das wiegt umso schwerer, bedenkt man, dass es in der Region jedes Jahr in der Monsunzeit von Juni bis September Hochwasser und Erdrutsche mit hunderten Toten gibt.

Mehr als 41 Millionen Menschen in Indien, Nepal und Bangladesch seien derzeit betroffen, teilt die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften mit. Einige Dörfer seien noch komplett von der Aussenwelt abgeschnitten.

Die Behörden hätten keinen Notfallplan gehabt, meint der nepalesische Wasserwirtschaft-Experte Madhukar Upadhya in Kathmandu. «Das Ausmass mag diesmal anders sein, aber das ist ein jährlich wiederkehrendes Ereignis», sagt er.

Es fehle auch an Mitteln - etwa Boote, um Gestrandete zu retten. «Die Katastrophe hat die schutzlosesten Menschen getroffen. Die Folgen werden Krankheit, Armut und Nahrungsknappheit sein. Und es wird bald wieder aus den Nachrichten verschwinden, und dann sind wir wieder am Anfang.»

Flüsse waren nicht ausgebaggert

In Bangladesch wurden nach offiziellen Angaben seit der zweiten Augustwoche rund 700'000 Häuser beschädigt und gut ein Zehntel davon komplett zerstört - ebenso mehr als 800'000 Hektar Anbaufläche.

Die Flüsse hätten die aus dem Himalaya herabfliessenden Wassermassen unter anderem deswegen nicht halten können, weil sie in den vergangenen Jahrzehnten versandet und nicht ausgebaggert worden seien, sagt Abu Moniruzzaman Khan vom UNO-Entwicklungsfonds in Bangladesch. So schlimme Überschwemmungen habe das Land seit 1988 nicht mehr erlebt, als mehr als 1600 Menschen starben.

Mitte August standen je ein Drittel von Nepal und Bangladesch unter Wasser. Mittlerweile sind die Pegel dort gesunken. Allmählich erreichen Hilfsgüter die Dörfer, und die Regierungen kündigen auch finanzielle Hilfe an. Trotzdem haben viele Menschen all ihr Hab und Gut sowie ihre Existenzgrundlage verloren. Und nun müssen sie sich wegen der möglichen Ausbreitung von Krankheiten Sorgen machen.

Wie nach Tsunami

Die überwiegende Mehrzahl der Opfer hat Indien zu beklagen. Mehr als 1300 Todesfälle zählt das Land seit Beginn der Monsunzeit - mit 514 die meisten im Bundesstaat Bihar.

Getroffen hat es dort einige der ärmsten Menschen Indiens, wie Hanna Butler vom Roten Kreuz berichtet, die vor wenigen Tagen in dortigen Dörfern Hilfsgüter verteilt hat. «Die Leute hatten von vornherein nicht viel, aber wenn eine Flut alles wegnimmt, was man hat, ist es niederschmetternd.»

Butler ist mittlerweile im Bundesstaat Manipur, an der Grenze zu Myanmar. «Es sieht aus, als sei hier ein Tsunami durchgefegt», erzählt sie.

Bis zu 20'000 der etwa 2.7 Millionen Einwohner seien obdachlos geworden. Viele müssten damit rechnen, auf absehbare Zeit in Zelten zu leben. Die Menschen hier seien Monsunregen zwar gewohnt. «Die Heftigkeit dieses Jahr hat sie aber überrascht.» (sda/dpa)

So heftig war der Monsun in Südasien seit Jahren nicht mehr

Video: srf/SDA SRF
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
12 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
retofit
01.09.2017 10:08registriert November 2015
Warum höre ich seit 1,5 Monaten in den Schweizer Medien nichts mehr von den absolut verheerenden Waldbränden um Vancouver, Kanada? Ein Freund kämpft da wie 'zig Tausende andere Menschen seit Wochen ums nackte Ueberleben, es soll sich um die grössten Waldbrände ever in Kanada handeln, umgerechnet 1/3 der Schweizer Fläche soll schon verbrannt sein...aber hier, nichts zu finden darüber. Stattdessen wird das neuste Iphone gepusht uswusw. Glückliche Schweiz (erInnen).
1005
Melden
Zum Kommentar
avatar
De Shipi
01.09.2017 13:18registriert August 2017
Die Schweiz behauptet neutral zu sein, aber kaum passiert was in Amerika, wie es in vielen vielen Ländern auf der Welt viel schlimmer passiert, gleich täglich berichten wie schlimm die es dort haben und Stars spenden auch reichlich. Aber die Länder, die es wirklich nötig hätten, denen muss ein kleiner Spalt als Info reichen. Die in Houston haben alle Geld und mehr als genug Hilfe. Hier in Pakistan hatten sie vorher nichts, jetzt sind viele dazu tot....einfach mal nachdenken...!
6311
Melden
Zum Kommentar
avatar
Tomtom64
01.09.2017 13:36registriert Januar 2014
Ich habe auch erst vorgestern über die Flutkatastrophe der Grenzregion von Nordindien, Nepal und Bangladesh gelesen. Mindestens 1200 Tote, 40 Millionen Direktbetroffene, riesige Überschweemungen, drohende Hungersnöte und Seuchen. Hier aber dreht sich die Berichtseerstattung praktisch nur um Texas ....

Selbst dieser Artikel wird noch mit Harvey-Bildern garniert.
341
Melden
Zum Kommentar
12
Swiss-Flüge nach Beirut bleiben bis Ende April eingestellt

Keine Swiss-Flüge nach Beirut bis und mit 30. April. Das hat die Fluggesellschaft am Mittwoch entschieden. Die Fluggesellschaft wird bis zu diesem Zeitpunkt den iranischen Luftraum nicht nutzen und die Situation in der Region «aufmerksam» verfolgen, wie sie mitteilte.

Zur Story