Thomas Williams ist so was wie Breitbart-Chef Steve Bannons Ohr in Europa. Man würde es dem nett lächelnden Herrn mit der sanften Stimme zwar nicht geben. Aber er steht seit drei Jahren im Dienst von Breitbart, der rechten News-Organisation, die mitverantwortlich war für Donald Trumps überraschenden Wahlsieg im vergangenen November. An der Spitze von Breitbart steht Bannon, Trumps ehemaliger Chef-Berater. Schon vor seinem (temporären) Umzug ins Weisse Haus führte der ehemalige Investment-Banker die rechte Breitbart-Redaktion und wollte in Rom einen Späher installieren, der mit kritischem Blick über Migrationsprobleme, die Verfolgung von Christen und Populismus in Europa schreibt. Bannon rief seinen alten Freund Thomas Williams an, der seit Jahren in Italien lebte und als Theologe an päpstlichen Hochschulen lehrte. Das war vor drei Jahren. Breitbart war damals noch ein Nischenprodukt. Heute gilt die Organisation als einflussreichste Stimme des rechten Amerikas. Und Thomas Williams ist ihr Mann auf dem Alten Kontinent. Am Rande des SwissMediaForum in Luzern nahm er sich eine Stunde Zeit für die «Schweiz am Wochenende».
Thomas Williams, Sie sind tiefgläubiger
Katholik, studierter Theologe
und Ethik-Experte. Wieso arbeiten
Sie ausgerechnet für eine so radikale
Organisation wie Breitbart?
Thomas Williams: Ich habe mich vor
drei Jahren nach einem neuen Job umgesehen
und dann rief mich mein Freund
Steve Bannon an, den ich seit vielen Jahren
kenne. Er hat mich gefragt, ob ich
nicht das neue Rom-Büro von Breitbart
führen möchte.
Und da haben Sie ohne zu zögern Ja
gesagt?
Ich wusste bei Steves Anruf noch gar
nicht, was Breitbart überhaupt ist. Ich
musste das erst mal googeln. Und um
ehrlich zu sein: Ich war nicht eben beeindruckt.
Steves Angebot aber tönte spannend.
Er wollte, dass ich vom Zentrum
der Alten Welt aus über die Kirche und
den Vatikan schreibe, aber eben auch
über politische Themen wie Migration,
Christen-Verfolgung und populistische
Parteien in Europa.
Alles typische Breitbart-Themen also,
die einen viel zu düsteren Blick auf
die Situation in Europa werfen.
Das haben Sie jetzt gesagt.
Sie haben Steve Bannon, Trumps zwischenzeitlichen
Chef-Berater, 2003
bei den Dreharbeiten zu Mel Gibsons
umstrittenem Film «The Passion of
the Christ» kennen gelernt, bei dem
Sie als religiöser Berater mitwirkten.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Bannon heute?
Wir sind Freunde und haben eine Weile
lang täglich zusammen eine Radiosendung
gestaltet. Ich bewundere ihn sehr,
er ist ein brillanter Denker. Und – auch
wenn er vielerorts anders dargestellt
wird – Steve Bannon ist ein sehr guter Zuhörer
...
... mit sehr radikalen politischen
Ideen.
Ich stimme nicht mit all seinen Positionen
überein. Ich habe manchmal auch
Mühe mit seinem Tonfall. Er ist ein militärischer
Mann, er glaubt, er sei mitten in
einem harten Kampf und müsse aggressiv
auftreten, um gehört zu werden. Ich
habe ihm auch schon gesagt, dass ich
manche der Breitbart-Headlines viel zu
aggressiv finde. Auch seine extreme
Angst vor den Folgen der Massenmigration
teile ich nicht.
Ich nehme an, Steve Bannon ruft Sie
jeden Tag an, um Ihnen zu sagen,
was Sie schreiben sollen.
Das hat er noch nie gemacht. Er hat sich
noch nie in meine Arbeit eingemischt.
Bei manchen Themen, die Breitbart anpackt,
sage ich von Anfang an, dass ich
nicht darüber schreiben werde, weil ich
anderer Ansicht bin als Bannon. Das war
bisher noch nie ein Problem.
Bannon gilt spätestens seit seinem
treuen Einstehen für Donald Trump
im Wahlkampf als Vorzeige-Mann der
radikalen Rechten in den USA. Sind
Sie ein radikaler Rechter?
Nein, das bin ich nicht. Ich bin ein Konservativer,
aber ich würde es beispielsweise
nicht ausschliessen, auch mal für
einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten
zu stimmen.
2016 haben Sie das aber nicht getan,
nehme ich an.
Nein, ich habe Trump gewählt. Ich fand
beide Kandidaten, Hillary und Trump,
nicht wirklich gut. Aber ich dachte mir,
dass niemand schlimmer sein kann als
Hillary. Und wenn ich mir anschaue, was
Trump in seiner Zeit als Präsident gemacht
hat, dann muss ich sagen: Ich bin
froh, dass ich ihn gewählt habe.
Wirklich?
Natürlich hat er peinliche Dinge getan.
Und ich mag auch seinen Stil nicht, um
ehrlich zu sein. Aber ich bleibe dabei. Er
war die richtige Wahl.
Gerade Sie als Mann der Tugend und
ehemaliger Priester müssen doch
schockiert sein über manche Aussagen
des Präsidenten.
Das bin ich auch. Er ist wirklich sehr
harsch und beleidigend manchmal. Das
elfjährige Video, zum Beispiel, das während
des Wahlkampfs auftauchte ...
... und festhielt, wie Trump prahlte,
er könne Frauen zwischen die Beine
greifen, weil er berühmt sei.
Genau, das war schon sehr beschämend.
Und das sollte man ihm einfach
durchgehen lassen?
Nun, ich habe schlimmere Dinge getan
in meinem Leben. Wenn ich auf Vergebung
hoffen darf, dann sollte man auch
Trump für seine Aussage vergeben können.
Breitbart hat Trump im Zusammenhang
mit diesem Video nie kritisiert.
Das Video wurde nur deshalb publik,
weil jemand Trumps Kampagne Schaden
zufügen wollte. Breitbart wollte da nicht
mitmachen. Wir wollten ihn deswegen
nicht gleich abschiessen.
Das war aus Ihrer Sicht also kein Fehler, dass Breitbart in keiner Weise auf die Veröffentlichung des Videos reagierte? Nachrichten bestehen immer aus einer bewusst getroffenen Auswahl an Themen, über die man berichtet. So ist das in den Medien. Nicht nur bei Breitbart, auch bei der «New York Times» zum Beispiel. Die lässt auch manches weg, über das man berichten könnte.
Schockierend war auch das Video
von Herrn Trump, das zeigt, wie er
als Präsidentschaftskandidat einen
behinderten Reporter nachäfft. Sie
haben selber einen behinderten
Sohn. Wie können Sie da noch zu
Trump stehen, wenn Sie dieses Video
sehen?
Was er da gemacht hat, das war zutiefst
entwürdigend. Es war falsch. Trotzdem
war er der beste Kandidat, den wir zur
Auswahl hatten.
Glauben Sie, Herr Trump sei ein religiöser
Mensch?
Ich glaube nicht, dass er sehr religiös ist,
nein. Aber es scheint mir, als sei er religiöser
geworden in den Monaten seit seiner
Wahl. Er öffnet sich offensichtlich
langsam für den Glauben. Das hat etwa
seine tief religiöse Ansprache im Sommer
im polnischen Warschau gezeigt. Das war
ein glanzvoller Moment seiner Präsidentschaft.
Sie sind Theologe. Ist es Gottes Wille,
dass Herr Trump Präsident ist, wie
das seine religiöse Beraterin Paula
White einmal sagte?
Das kann ich nicht sagen. Ich denke, es
ist ein bisschen vermessen, zu behaupten,
man kenne Gottes Willen.
Sie haben ein Buch geschrieben mit
dem Titel «Richtig und Falsch unterscheiden
können». Was könnte Donald
Trump daraus lernen?
(lacht) Vielleicht, dass man Erfolg
nicht nur an wirtschaftlichen Errungenschaften
messen sollte. Was uns erfolgreich
macht, ist vor allem Tugendhaftigkeit.
Das scheint er hie und da zu
vergessen.
Im Mai war der Präsident im Vatikan
zu Besuch. Wie haben Sie ihn da erlebt?
Leider gar nicht, ich hatte keine Gelegenheit,
dabei zu sein. Aber sowohl er als
auch der Papst scheinen zufrieden gewesen
zu sein mit dem Besuch.
Der Papst ist ein sehr politischer
Mensch. Er hat Trump verschiedentlich
scharf kritisiert. Ist es in Ordnung,
dass er sich politisch so weit
aus dem Fenster lehnt?
Grundsätzlich ist es an ihm, das zu entscheiden.
Ich fände es persönlich besser,
wenn er sich etwas zurücknehmen würde.
Er bringt die Kirche mit seinen Äusserungen
immer wieder in Bedrängnis. Ich
bin ein starker Verfechter der Trennung
zwischen Kirche und Staat. Und ich finde,
dass er diese Trennung nicht immer
klar zieht.
Als Trump mit der Idee einer Grenzmauer
zu Mexiko kam, hat sich der
Papst pointiert geäussert und gesagt,
die Welt brauche nicht mehr Mauern,
sondern mehr Brücken. Wer hat
Recht, der Präsident oder der Papst?
Der Papst braucht diese Brücken-Metapher
häufig. In diesem spezifischen Fall
hat der Journalist, der den Papst nach
seiner Meinung fragte, die Aussage so
provoziert. Das war noch bevor Trump
überhaupt als Kandidat feststand. Ich
denke, der Papst hat ihn damals noch gar
nicht gekannt. So oder so: Ich finde, wir
brauchen die Mauer.
Wozu denn?
Sehen Sie, als Trump zum ersten Mal davon
sprach, dachte ich auch, das sei eine
dumme Idee. Aber die USA haben eine
sehr durchlässige Grenze zu Mexiko. Die
Mauer hindert Migranten nicht daran, ins
Land zu kommen. Aber sie zwingt sie,
das auf legalem Weg zu tun.
Als Reaktion auf Herrn Trumps Entscheid,
die Zahl der Flüchtlinge zu
begrenzen, die er ins Land lassen
will, haben Sie einen Artikel über
Thomas von Aquin geschrieben.
Schon er habe sich, so schreiben Sie,
dafür eingesetzt, dass Nationen selber
darüber bestimmen sollen, wen
sie reinlassen und wen nicht. Ist das
weise, mittelalterliche Denkmuster
auf komplexe Migrationsprobleme
der heutigen Zeit anzuwenden?
Thomas von Aquin zu lesen, ist immer
weise. Man muss ihm ja nicht wortwörtlich
folgen, aber seine Ansichten können
uns helfen, unsere eigene Perspektive zu
überdenken. Mit dem Artikel wollte ich
zeigen, dass man auch als gläubiger
Mensch nicht automatisch für offene
Grenzen sein muss.
Thomas von Aquin ist berühmt für
seine Definition der vier Kardinaltugenden.
Eine davon, die Mässigung,
scheint in Amerika in Vergessenheit
geraten zu sein.
Da gebe ich Ihnen recht. Amerikaner
könnten viel profitieren, wenn sie mehr
Thomas von Aquin lesen würden.
Ihre Organisation versucht alles, um
das Bild der Migration in Europa so
düster wie möglich zu malen. Erst
kürzlich berichteten Sie über eine
vermeintliche spanische Schlepperbande,
die Migranten mit Jetski übers
Mittelmeer bringe. Als Illustration
des Artikels zeigten Sie ein Foto des
deutschen Fussballers Lukas Podolski
auf einem Jetski. Damit haben Sie
sich alle Glaubwürdigkeit verspielt.
Mit dem Artikel hatte ich nichts zu tun.
Aber ja, Breitbart will auf die Folgen der
Migration aufmerksam machen. Wir wollen,
dass sich die Leute Sorgen machen.
Und das machen Sie mit – entschuldigen
Sie den Begriff – «Fake News»?
Ich mag den Begriff nicht. Er macht vieles
kaputt. Trump verwendet ihn strategisch
geschickt. Ich verstehe seine Überlegungen
dahinter. Aber ich finde den
Begriff daneben.
Breitbart schreibt auch immer wieder
über die Schweiz, über das Burka-Verbot,
über die Masseneinwanderungs-Initiative,
sogar über unsere
Energie-Politik. Was macht die
Schweiz in den Augen der Breitbart-Leser
interessant?
Sie bewundern die Schweiz für ihre Unabhängigkeit.
Anders als viele andere
europäische Länder habt ihr eure
Macht nicht an Brüssel abgetreten.
Dass ihr dem Druck standhaltet, das erstaunt
viele.
Das Bild, das Breitbart von der
Schweiz zeichnet, ist aber oft sehr
undifferenziert. Sie persönlich haben
zum Beispiel mal über die Idee geschrieben,
mit Panzern die Schweizer
Südgrenze gegen illegale Migranten
zu verteidigen. Sie zitieren in Ihrem
Text nur zwei Personen: SVP-Nationalrat
Andreas Glarner und Lega-Politiker
Norman Gobbi. Die beiden
sind nicht gerade repräsentativ für
die politische Debatte im Land.
Diese Kritik ist berechtigt. Manchmal
muss bei Breitbart alles sehr schnell gehen.
Ich schreibe dann bis zu drei Artikel
an einem Tag. Da habe ich dann keine
Zeit mehr für journalistischen Tiefgang.
Sie schreiben auch immer wieder
über bio-ethische Themen, gegen das
Recht auf Abtreibung und gegen die
Sterbehilfe. In der Schweiz ist beides
legal.
Das ist sehr schlecht, finde ich. Nur
schon die Tatsache, dass Sterbehilfe
hier erlaubt ist, erhöht den Druck auf alte
und kranke Menschen. Ich bin überzeugt,
manche entscheiden sich nur
deshalb, mit der Sterbehilfe aus dem Leben
zu gehen, weil sie ein schlechtes
Gewissen haben und ihre Familie nicht
länger belasten wollen. Das ist doch
schrecklich.
Vielleicht sollten wir das Gespräch
mit einem etwas fröhlicheren Thema
beenden, oder?
Das wäre schön, ja.
Also: Wein. Sie sind ein diplomierter
Weinkenner. Ihr Präsident, Donald
Trump, trinkt nicht. Was verpasst er?
(lacht) Einiges! Aber ehrlich, wenn ich
mir sein Temperament anschaue, dann
ist es ganz gut, dass er nicht trinkt. Er hat
schon nüchtern genug Inbrunst und Leidenschaft.
Wenn er trinken würde, wäre
er gefährlich.