Die italienische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) des eurokritischen Starkabarettisten Beppe Grillo steht vor einem wichtigen Durchbruch: Bei der Stichwahl um das Bürgermeisteramt in Rom geht die Spitzenkandidatin der Protestpartei, Virginia Raggi, heute Sonntag als klare Favoritin ins Rennen.
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— Virginia Raggi (@virginiaraggi) 18. Juni 2016
In der ersten Runde der Kommunalwahl hatte sich die 37-jährige Rechtsanwältin vor zwei Wochen bereits mehr als 35 Prozent der Stimmen gesichert. Der Kandidat von Ministerpräsident Matteo Renzi und seiner Partito Democratico (PD), Roberto Giachetti, kam nur auf knapp 25 Prozent.
Raggi könnte die erste Frau sein, die ins römische Kapitol einzieht. Viele resignierte Wähler hoffen auf frischen Wind im Rathaus, zumal die Juristin im Wahlkampf versprochen hatte, zunächst die dringlichsten Missstände im Alltagsleben der Römer in Angriff zu nehmen, Schlaglöcher zu kitten und die öffentlichen Verkehrsmittel aufzuwerten.
Jedoch lastet ein wahrer Berg von Problemen auf der Hauptstadt, die schon lange als «unregierbar» gilt – sie reichen von einem dramatischen Schuldenberg über das tägliche Verkehrschaos, Dreck und Smog bis hin zu Korruption im Verwaltungsapparat.
Auch in Turin könnte das 2009 als Protestinitiative gegründete M5S einen überraschenden Erfolg verbuchen. Hier hofft die Unternehmerin Chiara Appendino, sich gegen den amtierenden Bürgermeister und PD-Kandidaten Piero Fassino durchzusetzen.
Fassino hatte eigentlich damit gerechnet, bereits im ersten Wahlgang die 50-Prozent-Marke zu knacken, musste sich aber mit 41,8 Prozent zufriedengeben. Die erst 31-jährige Appendino kam auf knapp 31 Prozent, wirbt seither aber unermüdlich um Wählerstimmen. Das M5S setzt auf Ehrlichkeit und Transparenz, Kritiker werfen ihr aber populistische Züge vor.
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— Chiara Appendino (@c_appendino) 17. Juni 2016
Insgesamt sind fast neun Millionen Italiener zu den Urnen gerufen. Gewählt wird in 126 Gemeinden sowie in sechs Grossstädten: Rom, Mailand, Turin, Neapel, Bologna und Triest. Die Abstimmung gilt als wichtiger Stimmungstest für Renzi.
Im ersten Wahlgang war die Beteiligung mit landesweit nur 62,1 Prozent sehr gering, Beobachter sprachen von einem «antipolitischen Wind» im Land und betonten, die Wahl sei von Protestwählern und Gleichgültigkeit bestimmt worden.
In Mailand muss Renzis Kandidat Giuseppe Sala, der Chef der im Oktober zu Ende gegangenen Weltausstellung in der lombardischen Metropole, gegen Stefano Parisi vom Mitte-Rechts-Lager antreten. Sala hatte in der ersten Runde überraschend nur einen kleinen Vorsprung vor Parisi.
Auch in Bologna tritt ein Renzi-Vertrauter gegen eine Mitte-Rechts-Kandidatin an. Eine Niederlage in diesen Städten würde als herber Schlag für den Regierungschef gewertet.
Allerdings hat Renzi mehrmals betont, dass die Kommunalwahlen stark lokal beeinflusst und keine Abstimmung über die Regierung seien. Der eigentliche Test für ihn steht im Oktober an, wenn ein wichtiges Verfassungsreferendum über seine politische Zukunft entscheiden wird.
Die Wahllokale sind von 7.00 Uhr bis 23.00 Uhr geöffnet. (kad/sda/dpa)