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Hast du den Trump-Überdruss? Wir auch. Aber da müssen wir durch.

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bild: watson via tagul
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Hast du den Trump-Überdruss? Wir auch. Aber da müssen wir durch

21.02.2017, 10:2821.02.2017, 16:47
Kian Ramezani
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Die Medien seien der Feind des amerikanischen Volkes, sagt Donald Trump. Abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen mag er sie nicht. Und die Medien, mögen sie Trump? Vordergründig nicht, wenn man sich die überwiegend kritische Berichterstattung ansieht.

Doch es gibt auch eine andere Seite: Die «New York Times» hat seit seiner Wahl 132'000 Abonnenten hinzugewonnen. Das Magazin «Vanity Fair» einmal nach einem seiner bösen Tweets 13'000. CNN-Chef Jeff Zucker stellt zufrieden fest, dass Trumps Attacken gut für die Zuschauerzahlen und Mitarbeitermotivation sind. Auch Trump-freundlichen Medien wie Fox News und Breitbart läuft es momentan glänzend.

Stossen sich die Medien an Trump gesund? Sein Stabschef Reince Priebus sprach am Wochenende von einer «Feeding Frenzy» (ungefähr «Fressrausch», exakte Bedeutung siehe Video unten). Ganz unrecht hat er damit nicht. Allerdings muss man auch sagen, dass sein Chef es den Journalisten derzeit sehr einfach macht.

Feeding Frenzy

Video: streamable

Jeder Tag bringt einen frischen Schwall von Tweets, von denen mindestens einer umgehend eine neue Kontroverse auslöst. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass mindestens einer seiner Mitarbeiter irgendetwas Unerhörtes von sich gibt. Im Wochentakt werden den Medien vertrauliche Informationen aus der Verwaltung zugespielt. Trump serviert den Medien direkt oder indirekt, gewollt oder ungewollt, Geschichte um Geschichte auf dem Silbertablett. 

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Die Party birgt aber auch Gefahren, sowohl für die Medien als auch die Öffentlichkeit. Wie jede Party ist sie irgendwann zu Ende. Oder mag sich wirklich jemand vorstellen, dass das vier Jahre lang so weitergeht? Wer soll das aushalten? Bei einigen Medienkonsumenten scheint sich bereits jetzt – nach vier Wochen – Trump-Überdruss einzustellen. 

Bislang hat der Präsident noch nicht allzu viel geleistet. Seine Verordnungen sind bedeutungslos, mit Ausnahme des Einreisestopps, der von der Justiz kassiert wurde. Die Frage ist: Wird sich die Öffentlichkeit noch in genügendem Ausmass für Trump interessieren, wenn er sich anschickt, heisse Eisen anzufassen? Steuersenkungen für Reiche, Umweltschutz-Abbau, Krankenversicherung als Privileg?

Für die Medien liegt der Schluss nah, die Artikelkadenz zu senken und zum Beispiel nicht mehr jeden Tweet zu kommentieren. Doch das geschieht bereits jetzt. Wenn Trump zum x-ten Mal über eine renommierte Publikation herzieht («failing», «fake news»), nimmt das kaum noch jemand wahr. Es wird schon fast als normal empfunden – was es nicht ist und nie sein darf. 

Die Normalitäts-Messlatte für Trump zu senken, ist gefährlich. Wenn Worte keine Bedeutung mehr haben, sind auch Debatten zwecklos. Das mag Trump entgegenkommen, dem ein imperialer Regierungsstil mehr zusagt als die langsamen Mühlen einer auf Kompromiss und Ausgleich basierenden Demokratie. Die Medien haben bei Licht betrachtet keine Wahl, als weiter über alle kleinen und grossen Affronts des Präsidenten zu berichten. Und zu hoffen, dass die Öffentlichkeit weiter davon Notiz nimmt.

Hast du den Trump-Überdruss?

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105 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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m. benedetti
21.02.2017 11:11registriert Januar 2017
Wie geht es eigentlich Griechenland? Was läuft im Ukrainekonflikt? Wo bleibt die Syrienberichterstattung bspw. über Aleppo? Südsudan? Gambia? Philippinen? undundund...
Jede überzeichnete Einthemen-Berichterstattung überschreitet irgendwann die Sättigungsgrenze und verliert dadurch an Relevanz. Es ist ein wenig wie mit den Callcentern. Anfangs nimmt man noch den Hörer ab, wird es zu viel, dann landen alle im Spamcontainer.
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ostpol76
21.02.2017 11:07registriert November 2015
Eigentlich habe ich den Trump Überdruss nur wegen euch. Da ihr der Meinung seid, ihr müsst über jeden Furz von Trump berichten.
Und wenn es nichts zu berichten gibt, kommt ihr noch mit einer Bilderstrecke oder 4 Köpfe 4 Szenarien.
Ich sehne mich auf den Tag an welchen sich die Webseite Watson lädt und keine unnützen Dinge über Trump zu lesen sind.
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Gefühlsschraube
21.02.2017 11:27registriert Oktober 2016
Genau dieser Umstand hat bei mir dazu geführt, dass vor 2 Wochen die Watson-App auf dem Handy gelöscht habe und nur noch ab und zu wie heute via PC reinschaue. Muss sagen es hat sich positiv ausgewirkt !
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