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Venezuela steht am Abgrund und jetzt kommt die Maduro-Wahl

Venezuela steht am Abgrund und jetzt kommt die Maduro-Wahl

11.05.2018, 11:0611.05.2018, 11:12
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epa06669975 Venezuelan President Nicolás Maduro (C) speaks at a political event in Caracas, Venezuela, on 14 April 2018. Maduro called for peace and respect for Syria after condemning the attack by th ...
Nicolás MaduroBild: EPA/EFE

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro will sich am 20. Mai im Amt bestätigen lassen, zu einem Zeitpunkt, an dem sein Land am Abgrund steht. Nicht nur die USA, sondern auch die EU erkennen die Wahl nicht an.

Für viele ist der Nachfolger des von vielen verehrten, vor fünf Jahren gestorbenen Comandante Hugo Chávez längst zum Diktator mutiert. Maduros Gegner sind entweder ins Ausland geflohen oder inhaftiert. Nach dem Ausschalten des Parlaments will sich Maduro nun am 20. Mai im Amt bestätigen lassen.

Viele Venezolaner rechnen mit einem Wahlbetrug zugunsten von Maduro, denn gefühlt ist eine überwiegende Mehrheit gegen ihn. Oppositionelle wie Lilian Tintori und viele Oppositionsparteien rufen zum Wahlboykott auf.

Der Oppositionelle Henri Falcón ist einer der wenigen, der sich trotzdem zur Wahl stellen will – er hofft, dass die Unzufriedenheit einfach in einer zu überwältigenden Form an der Urne zum Ausdruck kommt.

epa06519137 A group of people protest to commemorate those who died during the protests between 2014 and 2017, at the East Cemetery in Caracas, Venezuela, 12 February 2018. EPA/Miguel Gutierrez
Bild: EPA/EFE

Denn das einst reiche Land leidet unter der schwersten Krise seiner Geschichte. Die Ölproduktion in dem Land mit den grössten Reserven ist nach Angaben der Förderorganisation OPEC auf den tiefsten Stand in 30 Jahren eingebrochen. Zudem leidet Venezuela unter der höchsten Inflation der Welt, wegen fehlender Devisen können kaum noch Medikamente und Lebensmittel importiert werden.

Venezuela 2018, das ist ein apokalyptisches Szenario: Wer in Caracas zu Bargeld kommt, muss die Geldscheine in Tüten ins Geschäft tragen, um selbst ein paar Bonbons zu kaufen.

Die Kriminalitätsrate ist explodiert, die Menschen hungern, in den Spitälern sterben die Kinder wegen fehlender Medikamente. Viele Menschen stehen Schlange vor den leeren Supermärkten. Und Hunderttausende Venezolaner sind in den vergangenen Monaten in die Nachbarländer geflohen.

Kinder fallen in Ohnmacht

«Das ist ein humanitärer Notfall», sagt die Oppositionelle Tintori. Das klingt nicht übertrieben. Auf dem Weg zu dem Treffen mit ihr muss man gesperrte Strassen umfahren, ein Dieb auf der Flucht ist mit seinem Motorrad verunglückt. Gleichgültig beschreiben die Polizisten das Geschehene wie einen alltäglichen Vorfall.

In dem reichen Bezirk Chacao wühlen abends Menschen in Müllsäcken. Das Absurde: Wegen des Festhaltens an früheren Subventionen ist Benzin immer noch billiger als Wasser.

In den Elendsvierteln ist die Lage dramatischer. «Viele Kinder sind hier auf dem Schulhof in Ohnmacht gefallen, weil sie nichts gegessen haben», erzählt Yasiri Paredes in einer Schule auf einem Berghang im verarmten Westen von Caracas.

Die 31 Jahre alte Köchin arbeitet in der Suppenküche einer Hilfsorganisation in dem Slum La Vega. Dort wird jeden Tag Essen für über 100 Kinder ausgegeben, damit sie mindestens eine warme Mahlzeit am Tag bekommen.

Früher betrieb Paredes eine eigene kleine Kantine. Sie musste sie schliessen, weil sie weder Geld noch Lebensmittel hatte. Überleben können sie und ihre zwei Töchter nun dank ihrer freiwilligen Arbeit, wo auch sie kostenlos essen dürfen.

Vom Hardliner zum Hoffnungsträger

Könnte sie wirklich frei wählen, würde sie für Leopoldo López stimmen. Es ist bezeichnend für das venezolanische Drama, dass der früher oft als konservative Hardliner geltende López nun selbst in den Armenvierteln als Alternative gesehen wird. Eigentlich rechnen aber die wenigsten damit, dass sich nach dem 20. Mai etwas ändert.

Seit Juli 2017 sitzt der 47 Jahre alte López unter strengen Auflagen im Hausarrest, politisch äussern darf er sich nicht. Beim Vorbeifahren an dem Haus von López und Tintori sind die Autos der Geheimpolizei Sebin vor dem Eingang deutlich zu erkennen, der Fahrer warnt aber: Nicht fotografieren. Sonst könnte es Ärger geben.

Im vergangenen Jahr gab es nach 2014 wieder monatelange Strassenproteste, gerade wirken die Menschen aber zu müde. In Caracas gibt es in diesen Tagen nur vereinzelt kleine Demonstrationen. Tintori fleht die internationale Gemeinschaft um grösseren Druck auf Maduro an: «Wir können nicht länger warten». (sda/dpa)

Ein Stück Glück, wo es am nötigsten ist

Video: srf
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4 Kommentare
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MaskedGaijin
11.05.2018 13:08registriert Oktober 2014
Jean Zieglers Genosse.
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