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Lateinamerika

Umstrittener Sieg: Maduro zementiert Macht im Krisenland Venezuela.

Venezuela's President Nicolas Maduro raises his fist during a closing campaign rally in Caracas, Venezuela, Thursday, May 17, 2018. Maduro is seeking a new six-year mandate and despite crippling  ...
Nicolás Maduro klammert sich an die Macht.Bild: AP/AP

Maduro zementiert seine Macht in Venezuela – doch das Land kommt nicht aus der Krise

Oppositionelle sitzen in Haft, auf der Strasse tobt der Protest und doch macht Präsident Nicolás Maduro keine Anstalten, Konsequenzen zu ziehen. Jetzt liess er sich weitere sechs Jahre im Amt bestätigen.
21.05.2018, 07:0021.05.2018, 08:16
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Venezuela steht am Abgrund – doch im Präsidentenpalast Miraflores heisst es erstmal: «Weiter so». Obwohl die Inflation durch die Decke geht, die Regale in den Supermärkten meist leer bleiben und Hunderttausende Menschen bereits die Flucht ergriffen haben, lässt sich Staatschef Nicolás Maduro in einer umstrittenen Wahl für weitere sechs Jahre im Amt bestätigen.

Nach Angaben des Wahlamtes haben 5,8 Millionen der 20,5 Millionen Wahlberechtigten im Land für Maduro gestimmt. Das sind zwar weit weniger, als die zwölf Millionen Stimmen, die der Präsident zuletzt von seinen Anhängern gefordert hatte. Für einen sicheren Sieg gegen chancenlose Konkurrenten reicht es aber immer noch locker.

«Vaterland oder Kolonie, Frieden oder Gewalt.»
Nicolás Maduro

Mit markigen Worten hatte Maduro die Venezolaner zu den Urnen gerufen. Für den ehemaligen Busfahrer und Nachfolger des in Venezuela bis heute verehrten Hugo Chávez geht es stets ums grosse Ganze. Alles stehe auf dem Spiel, «Vaterland oder Kolonie, Frieden oder Gewalt», sagt der sozialistische Präsident, als er am Sonntag kurz nach Öffnung der Wahllokale um 6:00 Uhr in der Früh seine Stimme abgibt.

Nichts dem Zufall überlassen

Bei seiner Wiederwahl überliess Maduro nichts dem Zufall: Er kontrolliert alle staatlichen Institutionen und hat das von der Opposition beherrschte Parlament entmachtet. Viele Oppositionelle sitzen in Haft, wurden von der Wahl ausgeschlossen oder sind ins Ausland geflohen. Das wichtigste Oppositionsbündnis MUD rechnete mit Wahlbetrug und boykottierte die Wahl. Nach Einschätzung der Regierungsgegner lag die Wahlbeteiligung bei nicht mal 30 Prozent.

«Ich wähle nicht, weil ich kein Vertrauen in das Wahlamt habe. Es wird Betrug geben», sagt Janet Borges aus der Oppositionshochburg Chacao. Für wen würde die 47-Jährige stimmen, wenn auch die grossen Oppositionsführer zur Wahl zugelassen wären? «Ich würde natürlich Leopoldo López wählen.»

Bild: EPA/EFE

Der frühere Bürgermeister von Chacao sitzt wegen Anstachelung zur Gewalt bei Protesten gegen die Regierung seit Jahren in Haft. «Das ist keine Wahl», sagt seine Ehefrau Lilian Tintori. Auch der einflussreiche Oppositionsführer Henrique Capriles darf bei der Wahl nicht antreten. Maduros drei Gegenkandidaten Henri Falcón, Javier Bertucci und Reinaldo Quijada stammen aus der zweiten Reihe und galten von vornherein als chancenlos.

Treue Anhängerschaft

María Justo wohnt in Petare, einem der grössten Slums Südamerikas. Das Armenviertel am Rande der Hauptstadt Caracas galt stets als Bastion der Chavisten, aber angesichts der Krise verlieren auch die Menschen dort langsam die Geduld mit Maduros sozialistischer Regierung. «Ich bin wählen gegangen, damit dieser Herr verschwindet», sagt Justo. «So können wir nicht weitermachen.»

«So können wir nicht weitermachen»
Maria Justo.

Auch wenn viele Menschen mit der Lage unzufrieden sind, verfügt Maduro noch immer über eine treue Anhängerschaft. Viele Arme haben unter Chávez erstmals Wertschätzung erfahren, haben Wohnungen und subventionierte Lebensmittelpakete erhalten, konnten zur Schule und Universität gehen.

Bild: AP/World Press Photo

«Dieses Volk leidet Hunger, aber es bleibt loyal», sagt Fernando Carvajal aus dem Viertel 23 de Enero im Zentrum von Caracas. Für die Wirtschaftskrise macht der 61-jährige Händler eine Verschwörung des Auslands verantwortlich. «Das ist ein Krieg vieler Länder, die uns blockieren wollen. Das ist die internationale Ultrarechte.»

Land im Katastrophenmodus

Venezuela ist ein Land im Katastrophenmodus: In den Supermärkten bleiben die Regale leer, in den Krankenhäusern sterben Kinder, weil es keine Medikamente gibt. Gewalt und Kriminalität sind völlig ausser Kontrolle. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit sagenhaften 13’800 Prozent Inflation im laufenden Jahr, die Wirtschaftskraft dürfte um rund 15 Prozent einbrechen.

Es deutet wenig darauf hin, dass sich die Lage nach dem neuerlichen Wahlsieg von Maduro nun verbessern wird. Zahlreiche Länder in der Region, die USA und die EU haben bereits angekündigt, das Ergebnis nicht anzuerkennen. «Die Regierung wird sich weiter radikalisieren», befürchtet der Analyst Félix Seijas.

Bild: EPA

Der Politikwissenschaftler Luis Salamanca sagt angesichts der schweren Wirtschaftskrise und der Hyperinflation: «Das Land ist unregierbar.» Ausländische Hilfe zur Bewältigung der humanitären Krise lehnt Maduro ab. Über Finanzhilfen des IWF will er auch nicht verhandeln.

Zunächst wird der Präsident wohl etwas Kosmetik betreiben: Anfang Juni will er bei der Landeswährung Bolívar drei Nullen streichen. Dann wird für eine Tasse Kaffee vielleicht nicht mehr gleich ein Millionenbetrag fällig. An den grundlegenden Problemen des einst reichen Landes ändert die Zahlenakrobatik freilich nichts. (sar/sda/dpa)

Heftige Proteste gegen die Regierung in Venezuela

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Heftige Proteste gegen die Regierung in Venezuela
Bei heftigen Strassenschlachten zwischen der Polizei und Demonstranten sind in der venezolanischen Hauptstadt Caracas Dutzende Menschen verletzt worden.
quelle: ap/ap / ariana cubillos
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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Limpleg
21.05.2018 12:16registriert November 2015
Das Volk ist sowas von egal... Die Regierung wird sich nun so lange Berreichern, bis es nichts mehr gibt...
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FrancoL
21.05.2018 12:01registriert November 2015
Falsch verstandener Sozialismus gepaart mit Ditakturelementen ist eine tödliche Mischung die eigentlich NICHTS mit einer linken Idee zu tun hat.

Mauro wird sein Land noch vollends an die Wand fahren, doch das wir er kaum einsehen.
2012
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