Drei Jahre nach seinem durch blutige Unruhen erzwungenen Rücktritt als Staatschef des Jemen spielt Ali Abdallah Saleh weiter eine Schlüsselrolle im Kampf um die Macht im Land. Er gilt als Strippenzieher hinter der Militäroffensive der schiitischen Huthi-Rebellen gegen seinen Nachfolger und einstigen Stellvertreter Abd Rabbo Mansur Hadi.
Die Eroberung der Hauptstadt Sanaa im Januar und nun der rasche Vormarsch der Aufständischen durchs Zentrum in den Süden des Jemen wäre ohne Salehs Zutun nicht möglich, sind sich die Experten einig.
Ihm seien weiterhin Teile der Armee und des Verwaltungsapparats treu ergeben. «Das Kräfteverhältnis neigt sich zunehmend Richtung Saleh und Huthis, aber vor allem profitiert Saleh», erklärt Mustafa Alani, Konfliktforscher am Gulf Research Center.
Ein im Februar im Auftrag des UNO-Sicherheitsrats erstellter Expertenbericht kam zu dem Schluss, dass Saleh die Huthi-Rebellen mit Geld und der Komplizenschaft von Elitetruppen unter seinem Einfluss «direkt unterstützt». «Die Huthis sind Marionetten an seinen Fäden», sagt Jassin Makkawi, Berater von Präsident Hadi im Gespräch mit AFP.
Nachdem er das Land drei Jahrzehnte mit eiserner Faust geführt hatte, musste Saleh im Februar 2012 zurücktreten. Eine von den Golfstaaten vermittelte Einigung garantierte ihm Immunität und beendete Massenproteste im Gefolge des Arabischen Frühlings.
Der von vielen als Überlebenskünstler bewunderte Ex-Präsident blieb aber im Land und unterhöhlte die Machtbasis seines Nachfolgers Hadi. Dieser musste im Februar von Sanaa in die südliche Hafenmetropole Aden fliehen und erklärte diese Stadt zur neuen Hauptstadt.
Beim aktuellen Vormarsch der Aufständischen auf Aden wurde klar, dass es sich bei den meisten um Armeeangehörige handelt und nicht um Huthi-Kämpfer, wie örtliche Behördenvertreter berichten. In mehreren Fällen wurde zudem offensichtlich, dass Kommandanten unter dem Einfluss ihres langjährigen Oberbefehlshabers etwa eine Armeebasis aufgaben, ohne dass ein einziger Schuss fiel.
«Es gibt in der Befehlskette sicherlich Anweisungen, die direkt bis zu Saleh zurückverfolgt werden können», sagt Laurent Bonnefoy, Jemen-Spezialist am Pariser Zentrum für internationale Studien (CERI).
Ironie des Schicksals: Obwohl Saleh wie die Huthis zu den Zaiditen gehört, einem Zweig des schiitischen Islam, hatte der damalige Staatschef von 2004 bis 2010 im Norden des Landes gegen sie Krieg geführt. «Dennoch gibt es Hinweise, dass sich Ali Abdallah Saleh mit den Huthis verbündet hat, um die Machtbasis seiner Feinde zu zerstören», heisst es in dem Expertenbericht für die UNO.
Der heute 73-Jährige überlebte einen langen Bürgerkrieg, die Rebellion im Norden, einen von Al-Kaida angezettelten Aufstand im Süden und einen Bombenangriff auf seinen Palast, bei dem er im Juni 2011 schwer verletzt wurde.
Er gilt als kluger Taktiker, der sich sogar bei seinem Rücktritt noch als «Heilsbringer» zu verkaufen wusste, weil er seinem Land weiteres Blutvergiessen erspare. Saleh selbst erklärte einst, den Jemen zu regieren, sei «wie auf Schlangenköpfen zu tanzen».
Auch nach seinem Rücktritt blieb Saleh an der Spitze seiner Partei GPC, der auch sein Nachfolger angehört. So spielte der einstige «starke Mann» des Jemen dort weiter eine öffentliche Rolle.
Anfang des Monats organisierte die GPC im von den Huthis kontrollierten Sanaa einen Protestmarsch, bei dem Hunderte forderten, Salehs Sohn Ahmed solle bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl antreten.
Nach Angaben des UNO-Reports häufte Saleh durch Korruption in den 33 Jahren seiner Regentschaft ein Vermögen zwischen 30 und 55 Milliarden Euro an – in einem der ärmsten Länder der Welt. Der Sicherheitsrat verhängte Sanktionen, zu denen das Einfrieren seines Auslandsvermögens gehört. (aeg/sda/afp)