Früher waren Kreuzfahrten vor allem etwas für reiche alte Damen. Sie konnten es sich leisten, von Luxus und mit einer exklusiven Gesellschaft von Gleichgesinnten umgeben, um die Welt zu segeln. Bis vor etwa 20 Jahren vergnügte sich so nur ein sehr wohlhabendes Publikum auf hoher See. Kreuzfahrtschiffe waren kleine Inseln voller glückseliger, reicher Menschen.
Heute zieht es in den Ferien immer mehr Touristen aufs Meer. Die Kreuzfahrtbranche boomt wie nie zuvor. Rund 150'000 Schweizerinnen und Schweizer machen jedes Jahr eine Kreuzfahrt. Weltweit fuhren 2016 über 24 Millionen Passagiere zur See. Und die Reedereien lassen sich nicht lumpen. Immer grösser, immer luxuriöser, immer komfortabler werden die Schiffe. Das sind nicht mehr nur schwimmende Hotels, sondern schwimmende Städte. Die Kehrseite sind völlig überlaufene Hafenstädte – und vor allem massive Luftverschmutzung. Denn: Kreuzfahrtschiffe werden mit Schweröl betrieben, einem Abfallprodukt aus der Erdölindustrie.
Es gibt kaum mehr eine Ecke der Welt, die nicht mit dem Kreuzfahrtschiff erreicht werden kann. Sei es die Antarktis, die Arktis, Asien oder Afrika – die Riesenschiffe kreuzen schon längst nicht mehr nur im Mittelmeer und in der Karibik.
Jahrhundertealte Städte wie Venedig, Stockholm oder Brügge werden derweil regelrecht geflutet mit Touristenmassen. Venedig trifft es dabei besonders bitter. Die Serenissima, die «allerdurchlauchteste» aller Seefahrerstädte, versinkt allmählich in der Lagune, weil die Stadt einst auf hölzernen Pfählen ins Brackwasser gebaut wurde.
Heute legen am riesigen Kreuzfahrtterminal am Rande der Altstadt über 1500 Schiffe im Jahr an. Jedes bringt einige tausend Schaulustige mit. Und ihr gewaltiger Wellenschlag zerstört die hölzernen Pfähle noch schneller. Die Luft über Venedig ist bisweilen tiefschwarz vom Russ aus den Schornsteinen. Die Unesco hat der Stadt und dem Staat Italien ein Ultimatum gestellt: Falls sie dem Massentourismus nicht Herr werden, wird Venedig auf die «Rote Liste» der gefährdeten Welterbestätten gesetzt.
Eine Dokumentation des englischen Fernsehsenders Channel 4 zeigte letzte Woche, wie schmutzig die Luft an Bord eines Kreuzfahrtschiffes tatsächlich ist. Die Fernsehjournalisten nahmen Proben und stellten fest, dass die Luft, auf offener See, am Heck des Schiffes doppelt so hoch mit Feinstaub und giftigen Russpartikeln belastet ist, wie am viel befahrenen Piccadilly Circus in der Londoner Innenstadt.
Georg Klingler von Greenpeace Schweiz sagt, es sei kein Wunder, hätten Kreuzfahrtgäste so schlechte Luft auf ihren Schiffen: «Kreuzfahrt- und andere Hochseeschiffe sind eigentlich schwimmende Abfallverbrennungsanlagen. Sie haben einen extrem hohen Schwefelgasausstoss.» Schweröl darf 3,5 Prozent Schwefel enthalten. 3500 mal so viel, wie im Strassenverkehr zugelassener Diesel. Der Abgasausstoss eines Kreuzfahrtschiffes entspricht etwa dem, was gleichzeitig eine Million Autos ausstossen.
Das betrifft nicht nur Kreuzfahrtschiffe, fast alle Hochseeschiffe fahren mit Schweröl. «Abgesehen von der schlechten Luft an Bord, ist dieser Ausstoss für die Umwelt so oder so eine Katastrophe», sagt Klingler. «Schweröl ist ein Abfallprodukt, das momentan ohne genügende Standards auf den Meeren entsorgt wird.»
Der Weltverband der Kreuzfahrtindustrie, die Cruise Lines International Association, betont, dass die Branche in den letzten Jahren mehr als eine Milliarde Dollar in die Entwicklung neuer Technologien investiert habe, um die Luftverschmutzung zu reduzieren. Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO (Motto: «Sichere, geschützte und effiziente Schifffahrt auf sauberen Meeren») mit Sitz in London will bis 2020 den Grenzwert auf 0,5 Prozent Schwefelanteil begrenzen.
Das bedeute das Ende des Schweröls. Sauber ist die Luft dann aber noch längst nicht. Der schwefelärmere Marinediesel ist immer noch ungesund. Dabei gäbe es eine wirklich umweltfreundliche Technologie: Mit Flüssigerdgas als Treibstoff gibt es gar keine Russemissionen mehr. Noch fehlt zwar in den meisten Häfen die Infrastruktur zum Auftanken der Schiffe mit dem Gas. Erste Reedereien stellen aber ihre Flotte schrittweise um.
Einer der Branchenführer ist MSC Cruises, ein italienisches Familienunternehmen mit Sitz in Genf. Das Unternehmen hat zurzeit eine Flotte von 13 Kreuzfahrtschiffen mit konventionellem Antrieb. In Zukunft will MSC seine Schiffe nur noch mit Gas befeuern. In der Werft STX im französischen Saint-Nazaire bestellte die Reederei im Mai zwei neue Schiffe, angetrieben mit Flüssigerdgas.
Auch in einem anderen Punkt hat die Kreuzfahrtindustrie schon grosse Fortschritte gemacht: Bis vor einigen Jahren kippten die Seeleute Abfall und Fäkalien einfach ins Meer. Heute ist das praktisch nicht mehr möglich, die Schiffe müssen die Unmengen an Müll sachgerecht in den Häfen entsorgen. Wo der Abfall in manchen Ländern am Ende landet, ist allerdings wieder eine andere Frage. Und das Problem, der von Touristenmassen überfluteten Städte, dürfte in Zukunft kaum kleiner werden. Die Kreuzfahrtschiffe der nächsten Generation werden Platz für bis zu 7000 Passagiere haben.