International
Schweiz

Wer über Israel schreibt, hat schon verloren – ich werde es trotzdem weiter tun

Wer über Israel schreibt, hat schon verloren – ich werde es trotzdem weiter tun

08.06.2015, 16:0709.06.2015, 11:09
Kian Ramezani
Folge mir
Mehr «International»

Da ich mit einer gewissen Regelmässigkeit über den israelisch-palästinensischen Konflikt berichte, weiss ich, was dies unweigerlich mit sich bringt: Hass-Kommentare. Angesichts des Themas eigentlich nicht verwunderlich, wären da nicht die leidigen persönlichen Attacken. So auch wieder dieser Tage im Zusammenhang mit der Ausstellung «Breaking The Silence» in Zürich:

Oder folgendes E-Mail nach dem Interview über die Ausstellung:

Hallo Herr Ramizani (sic)

Sind Sie froh, wieder etwas Munition gefunden zu haben, mit der Sie einige Salven gegen Israel schiessen können? Ihre Haltung ist klar und die Motivation dafür liegt auf der Hand. Nur eine Frage der Zeit, bis auch Watson dies merkt und die Konsequenzen zieht.

Freundliche Grüsse
[Name gelöscht] 

Der Verweis auf meine vermeintliche Haltung und Motivation (und Herkunft?) sowie meine berufliche Zukunft erinnern mich an das E-Mail, eines Zürcher Lokalpolitikers vor einigen Jahren. Darin legte er meinem Chef nah, er solle doch endlich diesen «im Antizionimsus verkleideten Antisemiten» (gemeint war ich) entlassen.

Die Gehässigkeit kommt meistens von fanatischen Anhängern «Eretz Israels» – aber nicht immer: Als ich einmal den Grünen Nationalrat Daniel Vischer, Präsident der Gesellschaft Schweiz-Palästina, anrief, schleuderte er mir wütend entgegen: «Sie berichten doch immer pro-israelisch!»

Egal, was man schreibt, eine Seite wird damit ein Problem haben. Der Vorwurf ist stets derselbe und selten inhaltlich begründet: Warum kritisieren Sie immer nur die eine, und nie die andere Seite? Eine simple Archivsuche zeigt, dass durchaus beide Seiten kritisiert werden. In den vergangenen Tagen berichtete watson über eine Israel-kritische Ausstellung. Zuvor gab es Hamas-kritische Artikel zum Beispiel hier, hier und hier.

Wahrscheinlicher ist, dass fanatische Israel-Anhänger nur Israel-kritische Artikel wahrnehmen und die anderen ausblenden. Der Autor des obenstehenden E-Mails warf mir vor, man könnte ja auch einmal ein Interview mit dem israelischen Botschafter machen. Das haben wir getan. Aber es bringt nichts, denn in den Augen jenes Lesers ist jeder Israel-kritische Beitrag einer zuviel. Und kein Israel-freundlicher wird ihn jemals aufwiegen.

Möglich ist, dass Israel-kritische Beiträge bei den Lesern generell mehr Beachtung finden. Vielleicht weil an Israel die Massstäbe einer Demokratie angelegt und Verfehlungen darum strenger beurteilt werden. Die Palästinenserbehörde ist keine Demokratie, von der Hamas ganz zu schweigen. Oder vielleicht haben die Palästinenser den Underdog-Bonus, wie die ehemalige Zentralpräsidentin der Gesellschaft Schweiz-Israel, Vreni Müller-Hemmi, einmal mutmasste.

Es gibt nur einen Weg, den Anfeindungen für immer zu entkommen: Gar nichts mehr zu schreiben. Das geht aber nicht.

Wie berichtet watson über den Nahostkonflikt?

Der jüdische US-Komiker Jon Stewart kam zu ähnlichen Erkenntnissen:

«Burning Man» in Israel

1 / 16
«Burning Man» in Israel
Tänzer, Künstler, Cowboys, Hippies – alle friedlich versammelt in der Einöde Israels: In der vergangenen Woche haben sich rund 6000 Menschen in der Negev-Wüste getroffen, teils verkleidet, teils halbnackt.
quelle: epa/epa / abir sultan
Auf Facebook teilenAuf X teilen
No Components found for watson.appWerbebox.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
45 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ehringer
08.06.2015 18:39registriert Februar 2015
Mir ist scheissegal ob ein Land von Weissen, Schwarzen, Schwulen, Lesben, Juden oder pinken Einhörnern besiedelt ist. Wenn dieses Land jedoch mit Gewalt gegen Zivilisten versucht, eine andere Bevölkerungsgruppe aus ihrer Heimat zu vertreiben, dann werde ich das kritisieren. Ich bin deshalb weder rassistisch, homophob, antisemitisch oder contra pinke Einhörner. Das Verhalten der israelischen Regierung hat Kritik verdient genau so wie das Verhalten der Hamas Kritik verdient hat. Und du, lieber Kian, machst das sehr gut; und ihr, liebes Watson-Team, macht es leider als einzige. Gut gemacht.
846
Melden
Zum Kommentar
avatar
tkey
08.06.2015 16:29registriert November 2014
mach weiter so. gefällt mir sehr und bringt mich z.t. zu einer auseinandersetzung mit meinen eigenen ansichten was auch andere zulassen sollten.
634
Melden
Zum Kommentar
avatar
Commodore
08.06.2015 21:37registriert Januar 2015
Ach, Herr Ramezani, mit Ihnen ist dass ist wie mit den Mohammed-Karikaturisten die alles dürfen und wenn einer die Juden kritisiert ist er Antisemit. ;)
Nicht unterkriegen lassen - ich würde mich sogar freuen, wenn die Schandtaten der IDF hier etwas näher beleuchtet würden.
6113
Melden
Zum Kommentar
45
SBB-Chef Vincent Ducrot: «Es muss nicht unbedingt alles mit der Bahn erreichbar sein»
Die SBB wollen bis 2040 klimaneutral werden. Konzernchef Vincent Ducrot erklärt im Interview, wie sie das erreichen möchten und weshalb Züge oft nicht mit dem Individualverkehr mithalten können.

Herr Ducrot, die SBB möchten das klimafreundliche Reisen mit über 200 Massnahmen fördern. Welche fällt ins Gewicht?
Vincent Ducrot:
Wir wollen bis 2040 klimaneutral werden. Ohne Kompensation. Das geht nur durch ein Zusammenspiel verschiedener Massnahmen wie neuere und effizientere Züge und die komplette Umstellung auf erneuerbare Energie. Aktuell fahren Züge der SBB zu 90 Prozent mit Strom aus Wasserkraft und zu 10 Prozent aus Kernkraft. Das wird sich bereits 2025 ändern.

Zur Story