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«Wir sind einfach zu verschieden» – So stehen Schweiz-Katalanen zur Abspaltung

A man with a pro-independence Catalan flag and a Spanish flag hanging side by side on his balcony flashes the victory sign for the camera as he watches a march to protest the Catalan government's ...
Auch in Katalonien sind sich viele nicht einig: Braucht es die Unabhängigkeit oder wäre das der wirtschaftliche Untergang der Region?Bild: AP/AP

«Wir sind einfach zu verschieden» – so stehen Schweiz-Katalanen zur Abspaltung

Das umstrittene Referendum für ein unabhängiges Katalonien haben die Separatisten vor rund eineinhalb Wochen für sich entscheiden können. Doch nicht alle sind für die Abspaltung von Spanien. Schweiz-Katalanen im Pro und Contra.
11.10.2017, 19:1412.10.2017, 11:38
Helene Obrist
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Pro – «Spanien lässt uns nicht einmal Stierkämpfe verbieten.»

Francesc, 30, wohnt in Zürich, ist aber ursprünglich aus Barcelona. Er hat für die Unabhängigkeit Kataloniens gestimmt – per Post.

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bild: zvg

«Wir Katalanen sind von der Zentralregierung jahrzehntelang schlecht behandelt worden. Franco hat uns gar verboten, unsere Sprache zu sprechen, katalanische Namen wurden abgeändert. Noch heute hat die katalanische Sprache einen schweren Stand und wird von der Zentralregierung immer wieder angegriffen. Auch politisch werden wir eingeschränkt. 2012 hat Katalonien beispielsweise entschieden, Stierkämpfe zu verbieten. Das wurde dann 2016 vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig und ungültig erklärt!

Ich bin es satt, meine Kultur, meine Sprache und unsere Entscheidungen immerzu verteidigen zu müssen – deshalb halte ich eine Abspaltung für nötig. Jeder, der in einer ähnlichen Situation ist, wird das nachvollziehen können. Katalonien ist die ökonomisch stärkste Region Spaniens, auch finanziell gesehen würde es uns besser gehen, wenn wir unabhängig wären. Es kann schon sein, dass einige Unternehmen Katalonien im Falle der Unabhängigkeit verlassen würden oder das bereits tun. Aber in Spanien gibt es schon heute so viele sogenannte Working Poor. In Spanien zu bleiben, ist keine Garantie dafür, dass es uns irgendwann besser geht. Ausserdem: Ich ziehe ein dynamisches Land, das sich gut um seine Bürger kümmert, einem Land vor, das nur in Spanien bleibt, damit die Unternehmen nicht weggehen. 

Fakt ist: Die Beziehung zwischen Katalonien und Spanien funktioniert einfach nicht – wir sind zu verschieden. Ich verstehe nicht, warum wir nicht über eine Abspaltung entscheiden dürfen. Abstimmen zu können, ist doch ein Grundrecht. Es sollte nicht die Regierung darüber entscheiden dürfen, ob ein Referendum stattfindet oder nicht. Deshalb bin ich auch stolz, dass die Katalanen raus auf die Strasse sind, um sich für ihr Recht auf Abstimmung einzusetzen.

Ich verstehe, dass das Referendum vom 1. Oktober als rechtswidrig angesehen werden kann. Deshalb ist nun ein richtiges Referendum nötig, eines, das von der Zentralregierung unterstützt wird!» 

Contra – «Katalonien ist zu klein, um zu überleben.»

Deborah ist 24 Jahre alt und wohnte bis vor einem Jahr in Barcelona. Heute wohnt und arbeitet sie in der Schweiz. Sie ist gegen die Unabhängigkeit Kataloniens.

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bild: zvg

Eine Abspaltung Kataloniens wäre in meinen Augen eine Katastrophe und die Unabhängigkeit wäre der wirtschaftliche Untergang für die Region. Katalonien ist so klein, es könnte als Land gar nicht überleben. Vor allem weil die EU bereits angekündigt hat, abtrünnige Länder nicht aufzunehmen. Und gegen die Aufnahme in die EU muss nur ein einziges Land stimmen – was Spanien ziemlich sicher tun würde.

Ohne Hilfe der EU wird es fast unmöglich. England hat jetzt schon Probleme, ich will mir gar nicht vorstellen, wie es in Katalonien ohne die EU aussehen würde. Viele Firmen haben ihren Standort bereits gewechselt und ihren Sitz nicht mehr in Katalonien. Das bedeutet einen milliardenhohen Steuerverlust für Katalonien. Auch kostet es viele Arbeitsplätze kosten. Wenn die Unabhängigkeit offiziell wird, würde die Arbeitslosenquote rasant ansteigen, weil weitere Firmen aus Katalonien wegziehen werden. Zudem würden auch Touristen abgeschreckt, wenn sich Katalonien zu einem eigenständigen Land erklärte. 

In meiner Familie sind zum Glück alle gleicher Meinung. In meinem Freundeskreis hingegen scheiden sich die Geister. Meine beste Freundin ist beispielsweise eine Verfechterin der Abspaltung. Ich war an der autonomen Uni in Barcelona, wo viele sehr starke Verfechter der Unabhängigkeit studieren. Da könnte schon der eine oder andere Streit im Freundeskreis ausbrechen.

An Harmonie ist wohl in nächster Zeit nicht zu denken. Die Unzufriedenheit der Katalanen brodelte schon so lange. Spanien befindet sich erst in der Anfangsphase, das Kräfteringen der beiden Streitparteien wird meiner Meinung nach noch lange andauern. Ich glaube aber, dass sich nicht viel verändern wird und alles beim Alten bleibt.

Katalonien erklärt Unabhängigkeit - und setzt sie aus

Video: srf

Katalonien in Aufruhr

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Katalonien in Aufruhr
Katalanen feierten am Sonntagabend auf dem Placa de Catalunya in Barcelona das '1-O Referendum'.
quelle: epa/efe / santi donaire
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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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exeswiss
11.10.2017 21:39registriert Januar 2015
"Ich ziehe ein dynamisches Land, das sich gut um seine Bürger kümmert, einem Land vor, das nur in Spanien bleibt, damit die Unternehmen nicht weggehen. "

sagt ein katalane der in der schweiz lebt... den kümmert es nicht die bohne was die ökonomischen konsequenzen sein werden.
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DerTaran
11.10.2017 19:34registriert Oktober 2015
Hört bitte auf die Wahl als eindeutiges Votum zu bezeichnen. Unter den Umständen kann sie niemals bindent sein. Gewählt haben fast ausschliesslich die Beführworter.
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who cares?
11.10.2017 19:43registriert November 2014
Über Verteidigung der Kultur und Sprache lässt es sich gut reden aus dem sicheren Hafen in der Schweiz. Dass die Unabhängigkeit Katalonien in eine wirtschaftliche Krise stürzt, betrifft einem dann weniger. Und sind wir ehrlich, ohne die EU oder zumindest der Bereitschaft der EU Katalonien zu unterstützen, wird "von der ökonomisch stärksten Region Spaniens" leider nicht mehr viel übrig bleiben.
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