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«Es reicht! Lasst uns zur Vernunft zurückkehren» – hunderttausende Spanier demonstrieren

epa06252471 People with Spanish and Catalan flags gather during the rally called by Societat Civil Catalana (Civil Catalan Society) in downtown Barcelona, Spain, 08 October 2017, to support the unity  ...
Der Demonstrationszug in Barcelona am Sonntag.Bild: EPA/EPA

«Es reicht! Lasst uns zur Vernunft zurückkehren» – hunderttausende Spanier demonstrieren

In Barcelona haben am Sonntag hunderttausende Menschen gegen eine Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien demonstriert. Nach Polizeiangaben versammelten sich rund 350'000 Menschen, die Veranstalter sprachen sogar von bis zu 950'000 Demonstranten.
08.10.2017, 16:0412.10.2017, 11:40
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Auf dem zentralen Urquinaona-Platz in der katalanischen Regionalhauptstadt sangen die Menschen «Viva España», skandierten «Ich bin Spanier» und schwenkten rot-gelbe Fahnen. Zu der Kundgebung unter dem Motto «Es reicht! Lasst uns zur Vernunft zurückkehren», hatte die Organisation Katalanische Zivilgesellschaft aufgerufen, die die Unabhängigkeitsbestrebungen ablehnt.

Die Menschen forderten lautstark die Festnahme von Regionalregierungschef Carles Puigdemont. Es waren in der grossen Mehrheit Katalanen, viele Teilnehmer waren aber aus anderen Regionen Spaniens in Dutzenden von Bussen und Zügen angereist.

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Die Demonstranten reisten teilweise auch aus anderen Landesteilen nach Barcelona.Bild: AP/AP

Tosender Jubel brach in der Menge aus, als der peruanisch-spanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa zum Abschluss der Kundgebung kämpferisch rief: «Keine separatistische Verschwörung wird die spanische Demokratie zerstören können.»

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Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa (links) demonstriert für die Einheit Spaniens.Bild: AP/AP

Bereits am Samstag hatten landesweit zehntausende Menschen für die Einheit Spaniens demonstriert. In Madrid und Barcelona versammelten sich Befürworter eines Dialogs zwischen Madrid und der katalanischen Regionalregierung vor den Rathäusern. Bei einem «patriotischen Marsch» in Madrid für Spaniens Einheit schwenkten die Menschen spanische Flaggen und beschimpften die katalanische Führung.

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Bereits am Samstag hatten zehntausende Menschen landesweit für die Einheit Spaniens demonstriert.Bild: AP/AP

Rajoy will «alle Instrumente nutzen»

In einem Interview der Zeitung «El País» wies Ministerpräsident Mariano Rajoy die Aufrufe zum Dialog mit den Separatisten erneut scharf zurück. «Spanien wird nicht geteilt werden und die nationale Einheit wird erhalten bleiben», fügte er hinzu. «Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden gesetzgeberischen Instrumente nutzen, um das sicherzustellen.»

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Ministerpräsident Mariano Rajoy.Bild: EPA/EFE

Er halte es auch nicht für ausgeschlossen, Artikel 155 der Verfassung anzuwenden, um Katalonien die Autonomie abzuerkennen. «Ich schliesse nichts innerhalb der Gesetze aus.»

Es war Rajoys erstes Zeitungsinterview seit dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien am Sonntag vor einer Woche. Dabei hatten nach Angaben der katalanischen Regionalregierung 90 Prozent der Teilnehmer für eine Abspaltung von Spanien gestimmt. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 43 Prozent.

Die spanische Zentralregierung hatte mit einem grossen Polizeiaufgebot versucht, das vom Verfassungsgericht für rechtswidrig erklärte Referendum zu verhindern. Hunderte Menschen wurden verletzt. Madrids verschärfte Gangart hatte in der vergangenen Woche hunderttausende empörte Katalanen auf die Strasse gebracht.

Wahllokal in Katalonien gewaltsam gestürmt

Video: srf

Ende der Woche hatte es dann mögliche Anzeichen einer Entspannung in dem Konflikt gegeben. Am Freitag entschuldigte sich ein Vertreter Madrids für die Polizeigewalt. Auch Rajoy sagte, es seien «einige Fehler gemacht» worden.

Die Krise entzweit das Land und springt zunehmend auf die Wirtschaft über. Banken und Firmen haben angekündigt, ihre Zentralen zu verlegen.

So berichten spanische Medien über das Katalonien-Referendum

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So berichten spanische Medien über das Katalonien-Referendum
Spaniens grösste Tageszeitung ist «El Pais». Das linksliberale Blatt titelt: «Die Regierung verhindert mit Gewalt die Abstimmung über das illegale Referendum.»
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Regionalparlament tagt Dienstagabend

Medienberichten zufolge will Puigdemont am Dienstagabend vor dem Parlament in Barcelona Stellung zur «aktuellen politischen Lage» beziehen. Ob er dabei tatsächlich die Unabhängigkeit ausrufen oder lediglich das weitere Vorgehen seiner Regierung vorstellen will, blieb vorerst offen.

Eine für Montag geplante Parlamentssitzung, bei der die Erklärung der Unabhängigkeit erwartet worden war, war vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden und wurde abgesagt.

(oli/sda/afp/dpa/reu)

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Birdie
08.10.2017 18:00registriert November 2016
Finde ich super, dass die Katalanen die sich auch als Spanier fühlen auf die Strasse gehen und auch ihre Meinung zeigen. So funktioniert es und alles friedlich.

Fragwürdig finde ich es nur wenn jemand wie Vargas Llosa, ein eingebürgerter Peruaner der in Madrid lebt, extra nach Barcelona geht um zu demonstrieren. Wäre ja irgendwie auch komisch würde Piqué nach Madrid demonstrieren gehen.

Hoffe immer noch auf einen Konsens, Rajoy soll endlich offen für Gespräche auf Katalonien zugehen, statt sich so abzuschotten.
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Max Dick
08.10.2017 17:01registriert Januar 2017
Schön, dass es von den vernünftigen Stimmen in dieser Region auch mal etwas zu hören gibt. Es kann nicht sein, dass eine lauthalsige Minderheit(?) den Eindruck verbreiten kann, alle Leute in der Region denken so wie sie.
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