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Spanien

Katalanischer Regierungschef Carles Puigdemont schliesst Neuwahl aus

Students take part in a protest against the Spanish government announcement of implementing the article 155 in Catalonia region, in Barcelona, Spain, Thursday, Oct. 26, 2017. Catalonia's governme ...
Aufwühlende Stunden in Barcelona am Donnerstagnachmittag.Bild: AP/AP

Puigdemont lehnt Neuwahlen ab – jetzt liegt der Ball beim Parlament

26.10.2017, 22:4426.10.2017, 23:00
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Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hat in einer Rede in Barcelona entgegen aller Erwartungen Neuwahlen abgelehnt. Madrid reagierte umgehend mit Härte und erklärte, man werde Katalonien «retten».

Er werde seinen Plan für eine Unabhängigkeit der Region weiter verfolgen, erklärte Puigdemont am Donnerstag in einer Rede vor dem Regierungspalast in Barcelona, die vom Fernsehen übertragen wurde. Zuvor hatte er seine Ansprache mehrfach verschoben. 

Madrid warf er vor, eine Einigung zu verhindern. In allen spanischen Medien war fest damit gerechnet worden, dass er Neuwahlen ansetzt - damit hätte sich in letzter Minute eine mögliche Lösung in dem Konflikt angebahnt.

Puigdemont sagte, er sei zu Neuwahlen bereit gewesen. Allerdings hätte es dafür Garantien Madrids bedurft, dass die Abstimmung unter normalen Bedingungen abgehalten werden könne. Madrid habe aber keinerlei Garantien gegeben.

Madrid bekräftigt «legale Verpflichtung»

Die spanische Regierung reagierte mit Härte. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría bekräftigte die «legale Verpflichtung» Madrids, den Unabhängigkeitsplänen ein Ende zu setzen.

«Keine Regierung kann akzeptieren, dass eine fortschrittliche Demokratie in einem Teil ihres Landes nicht vollständig gilt. Und das ist in Katalonien der Fall», sagte sie am Donnerstagabend. Man werde nun dafür sorgen, «dass das Gesetz (in Katalonien) respektiert wird».

Im Rahmen von Zwangsmassnahmen, die der Senat am Freitag in Madrid billigen soll, will Madrid unter anderem die Regionalregierung in Barcelona absetzen und innerhalb von sechs Monaten Neuwahlen abhalten.

Puigdemont hatte Spanien den ganzen Tag in Atem gehalten. Die Rede war ursprünglich für 13.30 Uhr geplant, erst verschoben und dann zunächst ganz abgesagt worden. In allen grossen spanischen Medien waren die Neuwahlen praktisch als gesetzt bezeichnet worden. Auch ein Termin war genannt worden: der 20. Dezember.

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Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría reagierte mit aller Härte auf die Worte Puidgemonts.Bild: EPA/EFE

Tausende demonstrieren

Vor dem Regierungspalast hatten seit dem Mittag Tausende Menschen für die Unabhängigkeit und gegen den «Verrat» durch die Regionalregierung demonstriert.

Im Falle der Ausrufung von Neuwahlen durch die Katalanen wäre die Regierung von Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy in Zugzwang geraten. Sie hatte in den vergangenen Tagen klargemacht, dass eine Ausrufung von Neuwahlen alleine nicht ausreiche, um die angekündigten Zwangsmassnahmen gegen die nach Unabhängigkeit strebende Regierung auszusetzen. Es brauche einen Kurswechsel und einen klaren Verzicht auf eine Unabhängigkeitserklärung.

Laut der Zeitungen «La Vanguardia» und «El Pais» gab es am Donnerstag Verhandlungen zwischen Rajoys Konservativer Volkspartei PP und der sozialdemokratischen PSOE, die für ein Aussetzen der Massnahmen im Falle von Neuwahlen plädiert habe.

epa06290750 A Catalan pro-independence flag waves over hundreds of Catalan university and secondary students protesting against the application of the Spanish Constitution's Article 155 to the Ca ...
In Barcelona kam es am Donnerstagnachmittag erneut zu Demonstrationen.Bild: EPA/EFE

Parlament in Barcelona tritt zusammen

Am Abend begann die mit Spannung erwartete Sitzung des katalanischen Parlaments. Abgeordnete der katalanischen Sozialdemokraten (PSC) und der liberalen Bürgerpartei (Ciudadanos) forderten Puigdemont in der Debatte auf, zur «Legalität» zurückzukehren und Neuwahlen anzusetzen. Zwei Mitglieder von Puigdemonts Koalition drängten den Regierungschef dagegen dazu, die Unabhängigkeit auszurufen. Die Parlamentsdebatte sollte am Freitag ab 10.00 Uhr fortgesetzt werden.

Der spanische Senat tritt ebenfalls am Freitag um 10.00 Uhr zusammen, um die Entmachtung der Regionalregierung, die Beschränkung der Vollmachten des katalanischen Parlaments und die Ausrufung von Neuwahlen in Katalonien zu beschliessen.

Diese Massnahmen hatte Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy am Wochenende als Antwort auf die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen verkündet. Eine Zustimmung zu Rajoys Plänen im Senat gilt als sicher, da seine rechtskonservative Volkpartei (PP) dort über die Mehrheit verfügt.

Im Senat hätte sich auch Puigdemont äussern können, er sagte die Reise nach Madrid aber letztlich ab. Bei einer Zustimmung des Senats könnten die Massnahmen gegen die Regionalregierung bereits ab Samstag umgesetzt werden. Neuwahlen könnten dann bereits im Januar stattfinden.

(cma/sda/dpa/afp)

Er will Unabhängigkeit – Wer ist der Präsident Kataloniens?

Video: srf
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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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olmabrotwurschtmitbürli #wurstkäseszenario
26.10.2017 19:36registriert Juni 2017
Wäre es möglich etwa wöchentlich eine Zusammenfassung zu machen zu folgenden Aspekten:

- Ist Katalonien gerade unabhängig?
- Wann ist momentan der nächste Wahltermin angesetzt und welche Seite nimmt daran Teil?
- Wer hat zu wievielt am vergangenen Sonntag in Barcelona wogegen demonstriert?
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AfterEightUmViertelVorAchtEsser___________________
26.10.2017 15:17registriert August 2017
Putsch-Dämon und Rachoi sollen sich endlich einigen, oder beide zurücktreten. Ist ja schlimmer als zwei 5-Jährige im Kindergarten.
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Scaros_2
26.10.2017 16:07registriert Juni 2015
Dieses Theater nervt nur noch und kann man nicht mehr ernst nehmen.
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