Die syrische und die russische Luftwaffe haben den zweiten Tag infolge keine Angriffe auf die umkämpfte syrische Grossstadt Stadt Aleppo geflogen. Am Mittwoch wurden lediglich Kämpfe an der Front gemeldet.
Die Stadt Aleppo im Norden Syriens gehört in dem mehr als fünfjährigen Bürgerkrieg zu den am heftigsten umkämpften Gebieten. Die Verbündeten Russland und Syrien hatten am Montag einseitig eine achtstündige Feuerpause für diesen Donnerstag in Aleppo angekündigt. Am Dienstagmorgen setzten die Luftwaffen beider Länder überraschend ihre Angriffe aus.
Am Mittwoch teilte die russische Armee in Moskau mit, die «humanitäre Pause» werde auf Bitten internationaler Organisationen von acht auf elf Stunden ausgeweitet. Sie werde bis Donnerstag um 19.00 Uhr (18.00 Uhr MESZ) dauern. Die Europäische Union und die UNO hatten eine achtstündige Feuerpause als zu kurz kritisiert.
«Es ist so weit ruhig», sagte Ibrahim al-Hadsch, Sprecher der in Rebellengebieten aktiven Hilfsorganisation Weisshelme. «Es gibt keine Luftangriffe, aber Beschuss von Regierungskräften.»
Russland warnte vor einem Scheitern der Waffenruhe, sollten sich nicht alle Gruppen daran beteiligen. «Ich schliesse aus, dass wir die humanitäre Pause zusammen mit der syrischen Regierung einseitig verlängern können», sagte Vizeaussenminister Sergej Rjabkow.
Während der Feuerpause sollen Rebellen und Zivilisten Aleppos Rebellengebiete über Korridore verlassen können. Die Regimegegner lehnen das jedoch entschieden ab. «Das ist keine Waffenruhe», sagte der Sprecher der Rebellengruppe Fastakim, Sakaria Malahafdschi. «Acht Stunden, um Aleppo zu verlassen, das kommt einer Aufforderung zur Kapitulation gleich.»
Auch Usama Abu Seid, Berater der moderaten Rebellengruppe Freie Syrische Armee (FSA), erklärte: «Das eigene Land zu evakuieren kommt nicht infrage.» Für Zivilisten fordern die Regimegegner Korridore, die von den Vereinten Nationen überwacht werden.
Die Rebellengebiete Aleppos hatten in den vergangenen Wochen die heftigsten syrischen und russischen Luftangriffe seit Ausbruch des Bürgerkrieges erlebt. Während das Regime den Westen der früheren Handelsmetropole kontrolliert, beherrschen Rebellen den Osten. Dort sollen noch rund 250'000 Menschen leben, die unter akutem Mangel an Lebensmitteln, Trinkwasser und medizinischer Versorgung leiden.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan einigte sich nach eigenen Angaben in einem Telefonat mit Putin auf einen Abzug der radikalen Fatah-al-Scham-Front aus Aleppo. «Wir haben diesbezüglich unseren Freunden die nötigen Befehle erteilt», sagte Erdogan.
Die Fatah-al-Scham-Front (früher: Al-Nusra-Front) hat enge Beziehungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida. Russland rechtfertigt die Angriffe auf Aleppo mit dem Kampf gegen den Terror und fordert eine Trennung der moderaten Opposition von Radikalen.
Mit dem Abzug der Fatah-al-Scham-Front könne der «Frieden für das Volk von Aleppo» gewährleistet werden, sagte Erdogan. Er warnte ausserdem vor einer neuen Fluchtbewegung, sollten die Kämpfe in Aleppo nicht gestoppt werden. «Gott bewahre, wenn in Aleppo eine Migration losbricht, werden mindestens eine Millionen Menschen in die Türkei kommen. Diesen Preis können wir nicht bezahlen.»
Ende August nahm die türkische Armee mit Kämpfern der Freien Syrischen Armee zunächst die syrische Grenzstadt Dscharablus ein. Inzwischen kontrolliert die Türkei mit ihren Verbündeten ein ehemals vom IS besetztes Gebiet an der Grenze.
Erdogan sagte weiter, Ziel in Syrien sei eine 5000 Quadratkilometer grosse «von Terror gesäuberte» Sicherheitszone. Dazu werde die Türkei auch bis Al-Bab vordringen und Manbidsch von «allen Terrororganisationen säubern». (sda/dpa/afp/reu)