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Syrien

Nach dem Militärschlag des Westens gegen Assad: Ein Überblick in 11 Punkten

Damascus skies erupt with surface to air missile fire as the U.S. launches an attack on Syria targeting different parts of the Syrian capital Damascus, Syria, early Saturday, April 14, 2018. Syria&#03 ...
Marschflugkörper über der syrischen Hauptstadt Damaskus: In der Nacht auf Samstag feuerten die USA, Grossbritannien und Frankreich rund 100 Raketen auf Syrien ab.Bild: AP/AP

Nach dem Militärschlag des Westens gegen Assad: Ein Überblick in 11 Punkten

14.04.2018, 23:2815.04.2018, 08:26
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Die USA und deren Verbündete haben mit Luftschlägen gegen Ziele in Syrien nach eigener Aussage Vergeltung für einen Giftgasangriff syrischer Truppen geübt. Nun stehen die Zeichen zwischen dem Westen und Russland auf Konfrontation.

Was war der Anlass?

Aus Vergeltung für den mutmasslichen Giftgaseinsatz in der syrischen Stadt Duma eine Woche zuvor hatten die USA, Frankreich und Grossbritannien in der Nacht zum Samstag mehr als 100 Geschosse auf drei Ziele abgefeuert. Im Visier waren offenbar zwei Ziele bei Homs und eines in der Hauptstadt Damaskus. Der Einsatz richtete sich demnach gegen die Infrastruktur der chemischen Waffenproduktion im Land.

Welche Ziele wurden getroffen?

Die USA, Frankreich und Grossbritannien haben mehrere Ziele in Syrien angegriffen. Nachfolgend die bestätigten Orte, die die Westmächte ins Visier genommen haben:

  • 1. Militärflughafen Dumair
    Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge wurde der Militärflughafen Dumair östlich von Damaskus angegriffen. Die syrische Luftabwehr habe aber alle zwölf Geschosse abgefangen, hiess es in Moskau. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, dass keine «Raketen» in Dumair eingeschlagen seien.Von dem Flughafen östlich von Damaskus sollen die Helikopter des Typs Mi-8 Hip gestartet sein, die nach westlichen Angaben den Giftgasangriff in Duma in dem Gebiet Ost-Ghuta am Samstag vor einer Woche ausführten. Von dem Flugplatz starteten auch die Kampfjets, die in den vergangenen Wochen die damalige Rebellenhochburg Ost-Ghuta bombardierten. Bei der Offensive starben Menschenrechtlern zufolge weit über 1000 Zivilisten.
  • 2. Forschungszentrum in Barsah
    Ein Gebäude der Forschungseinrichtung nördlich von Damaskus wurde der syrischen Armeeführung zufolge beschädigt. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete später, es sei zerstört worden. In Barsah ist eine Zweigstelle der staatlichen Zentrums für wissenschaftliche Studien und Forschung untergebracht. Es soll laut Medienberichten Chemiewaffen entwickelt haben.
  • 3. Lagerstätte in Schien
    In dem Depot westlich der Stadt Homs in Zentralsyrien lagerte dem Generalstabschef des US-Militärs, Joseph Dunford, zufolge der chemische Kampfstoff Sarin. Nach US-Angaben soll es sich auch um eine Kommandozentrale gehandelt haben. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, in Schien sei auch eine Forschungseinrichtung gewesen. Die syrische Armee meldete drei verletzte Zivilisten durch den Angriff.
epa06668591 A handout image made available by the US Department of Defense (DoD) showing a Syria unclassified map indicating areas that were targeted by US, French and British forces on 14 April 2018. ...
Bild: EPA/US DEPARTMENT OF DEFENSE

Wie wehrte sich Syrien?

Mehr als hundert Marschflugkörper und Luft-Boden-Raketen seien «vom Meer und aus der Luft auf syrische militärische und zivile Ziele» geschossen worden, zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Samstag eine Erklärung des Verteidigungsministeriums in Moskau. Eine «bedeutende Zahl» dieser Raketen sei von der syrischen Luftabwehr abgeschossen worden.

Aus syrischen Armeekreisen hiess es, es seien Dutzende Abwehrraketen abgefeuert worden – unter anderem vom Militärflughafen Al-Schairat. Diesen hatten die USA vor rund einem Jahr nach dem Giftgaseinsatz in der Stadt Chan Scheichun bereits angegriffen.

Der Luftangriff der USA, Frankreich und Grossbritannien auf Syrien:

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USA und Verbündete greifen Syrien an
Mit dem grössten gemeinsamen Luftangriff seit Kriegsausbruch in Syrien haben die USA, Frankreich und Grossbritannien Vergeltung für den mutmasslichen Giftgas-Einsatz im syrischen Duma geübt.
quelle: ap/ap / hassan ammar
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Wurden die Russen gewarnt?

US-Generalstabschef Dunford sagte, auf «die russischen Sorgen» sei bei der Auswahl der Angriffsziele eingegangen worden, um «das Risiko einer Verwicklung russischer Truppen abzumildern». An den Militärschlägen waren Schiffe und Flugzeuge der Alliierten beteiligt.

Nach russischen Angaben gab es keine Tote, einige Menschen seien leicht verletzt worden. Ein Grossteil der Geschosse wurde demnach abgefangen.

Wie reagierte Trump?

US-Präsident Donald Trump sagte in Washington, die Angriffe seien die Antwort auf den Einsatz chemischer Waffen durch die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad gegen das eigene Volk. «Dies sind nicht die Taten eines Menschen. Es sind die Verbrechen eines Monsters», befand Trump.

Über den Kurznachrichtendienst Twitter bedankte sich Trump bei Frankreich und Grossbritannien. «Wir hätten kein besseres Ergebnis haben können. Mission erfüllt!»

Wer beteiligte sich sonst noch an dem Militärschlag?

Neben den USA nahmen auch Grossbritannien und Frankreich an den Militärschlägen teil.

Die beteiligten Länder bemühten sich, dem Militärschlag als einmalige Aktion darzustellen – vorausgesetzt, es gäbe keine weiteren Chemiewaffeneinsätze. US-Verteidigungsminister James Mattis sagte, weitere Schläge seien nicht geplant.

Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian drohte für den Fall eines neuen Einsatzes von Chemiewaffen eine weitere Intervention an. Er fügte hinzu: «Aber ich denke, dass die Lektion verstanden wird.»

Die britische Premierministerin Theresa May bezeichnete das Vorgehen des Westens als alternativlos – und sprach zugleich von einer Warnung an Russland. «Wir können nicht erlauben, dass der Gebrauch chemischer Waffen normal wird: innerhalb Syriens, auf den Strassen Grossbritanniens oder irgendwo sonst in unserer Welt», sagte sie in Anspielung auf das Attentat auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter in England.

Wie reagierte Putin auf die Attacke?

Der russische Präsident Wladimir Putin hingegen – dessen Land mit dem syrischen Regime verbündet ist – verurteilte die Militärschläge aufs Schärfste. Er sprach von einem Bruch des Völkerrechts und einer neuen Eskalation, die die humanitäre Katastrophe in Syrien weiter verschlimmern werde.

Die meisten NATO-Länder – darunter die Türkei – sowie Israel und Saudi-Arabien reagierten mit Verständnis auf die Angriffe auf syrische Ziele.

Was sagt die Schweiz zum Angriff?

Die Schweiz nahm die Luftschläge «zur Kenntnis». Das Aussendepartement (EDA) betrachte nun deeskalierende Massnahmen zur «absoluten Priorität».

Verteidigungsminister Guy Parmelin sagte am Samstag in einem Interview mit Blick.ch, die USA und ihre Verbündeten hätten vor einem Raketenangriff die Untersuchung der OPCW abwarten können. Die UNO habe Experten für chemische Waffen nach Syrien geschickt, um ihre Untersuchung zum möglichen Giftgasangriff durchzuführen. «Diese Mission ist in der Lage festzustellen, ob, beziehungsweise welche Chemiewaffen eingesetzt wurden. Ihre Ergebnisse hätte man abwarten können», sagte Parmelin.

«Der Bundesrat appelliert an alle Parteien: Kehrt zurück an den Verhandlungstisch», sagte der Verteidigungsminister weiter. Der Krieg in Syrien sei Thema von Gesprächen in Genf gewesen. Diese Gespräche müssten weitergehen. So rasch wie möglich.

Wie entschied der UNO-Sicherheitsrat?

Russland ist im UNO-Sicherheitsrat mit dem Versuch gescheitert, eine Verurteilung der westlichen Raketenangriffe in Syrien zu erreichen. Bei einer Dringlichkeitssitzung des wichtigsten UNO-Gremiums stimmten am Samstag nur drei von 15 Mitgliedstaaten für einen entsprechenden russischen Resolutionsentwurf. Neben Russland waren das China und Bolivien. Acht Staaten stimmten dagegen, vier enthielten sich.

In dem Resolutionsentwurf wurden die Raketenangriffe der USA, Frankreichs und Grossbritanniens auf Ziele in Syrien als «Aggression» und als «Verletzung des Völkerrechts und der UNO-Charta» bezeichnet. Der Entwurf hatte von Anfang an keine Chance, zumal die USA, Frankreich und Grossbritannien als ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates ein Vetorecht haben.

Was weiss man über den Giftgasangriff?

Ungeachtet der nächtlichen Luftangriffe setzten die Experten der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) ihren Einsatz zur Untersuchung des mutmasslichen Giftgasangriffs im Osten der syrischen Hauptstadt Damaskus fort. Die Ermittler sollen herausfinden, ob in Duma Giftgas eingesetzt wurde.

Am 7. April sollen in der Region Ost-Ghuta nach Angaben der syrischen Hilfsorganisation Weisshelme mindestens 42 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt worden sein.

Wie ist die Lage in Ost-Ghouta?

Die syrische Armee hat inzwischen nach eigenen Angaben die einstige Rebellenenklave Ost-Ghuta vollständig zurückerobert. «Alle Terroristen haben Duma verlassen, ihre letzte Bastion in Ost-Ghuta», sagte ein Armeesprecher am Samstag nach Angaben der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana. Die syrische Führung bezeichnet alle Rebellen als «Terroristen».

Die syrische Armee hatte Mitte Februar eine Militäroffensive zur Rückeroberung von Ost-Ghuta gestartet. (wst/sda/dpa/afp)

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125 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Angelo C.
15.04.2018 00:24registriert Oktober 2014
Also unter dem Strich alles wie gehabt 🤔!

Die Schäden halten sich in engen Grenzen, während es die Angreifer tunlichst vermieden, russische Soldaten oder Maschinen zu attackieren, wohlwissend um die mögliche Antwort Putins.

Während erst heute und morgen (also nach den Angriffen!) die UN-Kommission nun in Duma abklärt, ob überhaupt ein Chemieeinsatz, und wenn ja, von wem aus stattgefunden hat 🙄.

Duma wurde inzwischen von der syrischen Armee übernommen, die letzten Rebellen sind abtransportiert -: und der Krieg landesweit grossmehrheitlich gewonnen.

Dies zu den erkennbaren Fakten...
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Baeri19
15.04.2018 06:49registriert November 2016
Suchen die da immer noch die Massenvernichtungswaffen vom Saddam? Auch so ein Scheinheiliger Grund warum ich all diesen offiziellen Statements kein Glauben mehr schenke. Ich bin erstaunt, wie die sich all diese Lügen merken können, ohne mal was falsches zu sagen und sich zu verraten.
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Dageka
15.04.2018 02:58registriert März 2014
Es herrscht Krieg. Und die leidtragenden sind nur die Zivilisten...
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