In Syrien steht Präsident Baschar al-Assad vor seinem zweiten grossen militärischen Erfolg seit der Einnahme der Metropole Aleppo Ende 2016. Das mit ihm verbündete Russland bot Rebellen und ihren Familien am Dienstag den sicheren Abzug aus Ost-Ghuta an, der letzten Hochburg der Aufständischen vor den Toren von Damaskus.
Russland garantiere den Kämpfern und ihren Familien freies Geleit durch einen Korridor, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Die Männer dürften persönliche Waffen mitnehmen. Ein Ziel wurde nicht genannt.
Bei früheren Abkommen wurde Assad-Gegnern die Flucht in andere Rebellen-Gebiete gestattet. Beobachter gehen davon aus, dass die Rebellen in Regionen nahe der türkischen Grenze im Norden Syriens ziehen dürfen.
In Ost-Ghuta kämpfen verschiedene islamistische Gruppierungen gegen das Assad-Regime. Einzelne dieser Dschihadisten-Milizen stehen Terrornetzwerken wie jenem von Al-Kaida nahe. Sie wollen Syrien von der derzeitigen gewalttätigen und korrupten politischen Elite befreien, die allerdings für eine säkulare Gesellschaft einsteht. Die Islamisten hingegen würden der Gesellschaft und besonders den Frauen neue Fesseln anlegen, befürchten Beobachter.
In Kreisen türkischer Diplomaten hiess es, es sollten neun Flüchtlingslager für 170'000 Menschen in der Umgebung von Idlib im Nordwesten Syriens errichtet werden. Auch weiter östlich seien Auffanglager geplant. Ob ein Zusammenhang mit dem Angebot Russlands besteht, blieb offen.
Die Türkei hatte vor sechs Wochen eine Offensive gegen die kurdische Miliz YPG in der Region Afrin im Norden Syrien gestartet. In Berlin verteidigte der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu am Rande eines Deutschland-Besuches den Einsatz trotz der von der Uno geforderten Waffenruhe. «Das sind Terrororganisationen und unsere Operationen dort stehen im Einklang mit dem internationalen Recht», sagte er.
Die Rebellen warfen Russland vor, auch die Zivilbevölkerung in Ost-Ghuta anzugreifen. «Moskau besteht auf einer militärischen Eskalation und will eine Vertreibung durchsetzen», sagte der Sprecher der Rebellengruppe Failak al-Rahman, Wael Alwan, der Nachrichtenagentur Reuters. Andere Oppositions-Vertreter äusserten sich ähnlich.
Den Truppen Assads und ihren Verbündeten ist es bislang gelungen, ein Drittel des landwirtschaftlich geprägten Ost-Ghuta zu erobern. Zudem läuft die Rebellen-Enklave Gefahr, in zwei Teile gespalten zu werden. In der Region leben nach Angaben der Uno rund 400'000 Menschen.
Nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind seit dem 18. Februar durch Luftangriffe 780 Menschen getötet worden.
Die beiden Verbündeten Assads, der Iran und Russland, wollen zusammen mit der Türkei die Neuordnung Syriens auf einem Gipfeltreffen im April vorantreiben.
Daran würden die Präsidenten Russlands, der Türkei und des Iran - Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan und Hassan Ruhani - teilnehmen, erklärte ein Sprecher des türkischen Aussenministeriums. Nächste Woche werde Aussenminister Cavusoglu nach Moskau reisen und eine Woche darauf in die USA.
Die USA beschränken sich in Syrien im Wesentlichen auf den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat, lehnen aber ebenso wie die Türkei Assad ab.
Assads Verbündeter Russland verlor am Dienstag beim Absturz eines Militärtransporters während des Landeanfluges auf den Stützpunkt Humaimim bei Latakia 32 Besatzungsmitglieder.
Die Uno kündigte an, einen zweiten Hilfskonvoi in die Enklave senden zu wollen, nachdem am Montag 46 Lastwagen in das umkämpfte Gebiet gelangt waren. Allerdings konnten 14 Lkw nicht vollständig entladen werden, sondern mussten wegen eines Artillerie-Angriffs auf den Ort Duma vorzeitig zurückfahren. Das Deutsche Rote Kreuz warnte: «Die Menschen hungern und sind völlig ausgezehrt.»
In Genf veröffentlichte die Uno eine auf 500 vertraulichen Interviews fussende Studie, nach der die von den USA angeführte Allianz und Russland für viele zivile Opfer in Syrien verantwortlich sind. Russland wird darin auch mit mutmasslichen Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht. Zudem setze die syrische Regierung weiterhin Chemiewaffen ein.
Zu den Vorwürfen gehört unter anderem ein russischer Luftangriff mit mindestens 84 Toten auf einem Markt in Atareb und drei ein Angriffe der US-Koalition auf eine Schule nahe Rakka mit 150 Toten.
Allein seit Jahresbeginn sind nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef mindestens 1000 Kinder getötet oder schwer verletzt worden.
Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs vor knapp sieben Jahren sind Hunderttausende Menschen ums Leben gekommen, mindestens elf Millionen wurden vertrieben - rund die Hälfte der syrischen Gesamtbevölkerung. (sda/reu/dpa/afp)