International
Syrien

Dramatische Hungersnot in der belagerten Stadt Madaja

Am 26. Dezember demonstrierten Kinder in Beirut gegen die Belagerung von Madaja.
Am 26. Dezember demonstrierten Kinder in Beirut gegen die Belagerung von Madaja.
Bild: JAMAL SAIDI/REUTERS

Schockierende Bilder: Im syrischen Madaja verhungern die Menschen – Assad lässt keine Hilfe zu

Tausende Menschen sind in Madaja eingeschlossen. Berichten eines Arztes zufolge essen sie Gras, Katzen und Hunde um zu überleben. Lastwagen mit Hilfsgütern stehen bereit, können aber nicht passieren.
07.01.2016, 04:5007.01.2016, 08:22
Mehr «International»

In der eingeschlossenen syrischen Stadt Madaja droht Tausenden Menschen der Hungertod. Die letzte Hilfslieferung habe die von Regierungstruppen belagerte Stadt im Westen des Bürgerkriegslandes im Oktober erreicht, sagte eine Sprecherin des Welternährungsprogramms.

Lokale Medien und Aktivisten berichten über schlimme Zustände in der Stadt. Die Webseite des TV-Kanals al-Dschasira berichtete, alleine im Dezember seien in dem Ort, der etwa 25 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Damaskus liegt, 31 Menschen verhungert. Zunächst nicht zu verifizierende Fotos aus der Stadt zeigten völlig abgemagerte und leblose Körper.

Ein Arzt in Madaja berichtete der Nachrichtenagentur DPA am Mittwoch, die Bewohner dort würden Gras essen, um ihren Hunger notdürftig zu stillen. Zudem hätten sie vor einigen Tagen begonnen, Katzen und Hunde zu schlachten. Die Angaben des Arztes konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

«Die Menschen sterben in Zeitlupe», sagte ein Sozialarbeiter aus Madaja dem Guardian.

Lastwagen mit Hilfsgütern zur Ernährung der Stadtbewohner stünden bereit, sagte WFP-Sprecherin Bettina Lüscher. Voraussetzung sei, dass die Konfliktparteien den Helfern Zugang gewähren.

Das Wetter erschwert die Lage zusätzlich: Madaja liegt in 1500 Metern Höhe, die Temperaturen liegen derzeit unter dem Gefrierpunkt. Inzwischen verbrennen die Menschen sogar Plastik, um sich zu wärmen. Nach Angaben von Ärzten leiden wegen des beissenden Rauchs viele Menschen an Atemproblemen. Beim Versuch, Feuerholz in umliegenden Wäldern zu sammeln, seien bereits mehrere Menschen von Scharfschützen erschossen worden.

Seit mehr als 170 Tagen belagert

Madaja wird von Aufständischen der Freien Syrischen Armee (FSA) kontrolliert. Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wird der Ort nahe der libanesischen Grenze seit mehr als 170 Tagen von Regime-Truppen und der mit Diktator Baschar al-Assad verbündeten Schiitenmiliz Hisbollah belagert. 40'000 Menschen, darunter etwa die Hälfte Zivilisten, lebten zurzeit in der Stadt, die wegen sich dort aufhaltender Rebellen heftig bombardiert werde.

Die Menschenrechtsbeobachter sitzen in Grossbritannien, beziehen ihre Informationen jedoch aus einem dichten Netz an Informanten in Syrien. Sie gelten als gut informiert und zuverlässig.

FSA-Kämpfer in der Stadt versuchen offenbar, trotz der verheerenden Lage noch Profit zu schlagen. Nach Angaben von Augenzeugen kostet auf dem Schwarzmarkt von Madaja ein Kilogramm Milchpulver für Babys inzwischen rund 300 Franken. Der Preis für ein Kilo Weizenmehl und ein Kilo Reis soll jeweils bei mehr als 200 Franken liegen.

Reaktion auf Belagerung von Kfarja und Fua

Belagerungen sind ein beliebtes Mittel beider Konfliktparteien im bald fünf Jahre andauernden Bürgerkrieg. Sowohl Regierungstruppen als auch Rebellen wollen damit Land unter ihre jeweilige Kontrolle bringen. Die Belagerung des mehrheitlich von Sunniten bewohnten Madajas wird von Beobachtern als Reaktion auf die Belagerung der mehrheitlich von Schiiten bewohnten Dörfer Kfarja und Fua in der Provinz Idlib gesehen.

Rebellen belagern Kfarja und Fua seit mehr als einem Jahr, beide Dörfer sind ebenfalls von der Versorgung abgeschnitten. Im September verschlimmerte sich die Situation der Bewohner in der ganzen Region, als die Rebellen einen nahe gelegenen Luftwaffenstützpunkt einnahmen. Über diesen Stützpunkt hatten die Menschen Lebensmittel bezogen. (dwi/viw/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
10 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Benji
07.01.2016 08:00registriert September 2014
Und wer sich da noch freut, wenn ein Flüchtlingsschiff untergeht, ist noch viel ärmer.
8213
Melden
Zum Kommentar
avatar
birdybird
07.01.2016 09:04registriert April 2015
ich könnte nur noch heulen wenn ich solche Bilder sehe! Fragt sich jetzt noch jemand wieso tausende von Flüchtlingen unterwegs nach Europa sind? Sie brauchen unsere Hilfe! Egal welcher politischen Gesinnung man angehört, die Menschen brauchen jetzt Hilfe, Diskussionen retten keine Leben!
527
Melden
Zum Kommentar
avatar
Biindli
07.01.2016 08:06registriert Oktober 2015
Das ist ja grauenhaft! :(
421
Melden
Zum Kommentar
10
«Dann wurde mir Schwarz vor Augen»: Mutter schildert den Flixbus-Unfall
Sadaf B. wollte mit ihren Kindern die Verwandtschaft in Zürich besuchen – dann verunfallte ihr Flixbus auf der deutschen A9. Gegenüber der «Leipziger Volkszeitung» schildert die Berlinerin den Horror-Unfall.

Schon zu Beginn sei die Fahrt holprig gewesen, erklärt die dreifache Mutter. So habe sich der Busfahrer verfahren und eine Vollbremse einlegen müssen. Auch habe er sich während der ganzen Zeit mit dem zweiten Fahrer gestritten.

Zur Story