Nach Angaben der «Deutschen Welle» (DW) liess der türkische Minister für Jugend und Sport, Akis Cagatay Kilic, Filmmaterial von einem Interview beschlagnahmen, das der deutsche Auslandsender mit ihm führte.
Beim Gespräch habe Interviewer Michel Friedman dem Minister unter anderem Fragen zum gescheiterten Putsch in der Türkei, zur Situation der Medien, der Stellung der Frauen in der türkischen Gesellschaft gestellt, heisst es auf der Internetseite der «Deutschen Welle». Zudem habe er ihn Stellung nehmen lassen zu mehreren Zitaten von Staatspräsident Erdogan.
Als das Interview beendet war, passierte etwas Überraschendes: Sobald Kilic den Raum verlassen habe, habe sein Pressesprecher dem Filmteam eröffnet, das Gespräch dürfe nicht gesendet werden. Darauf hätten Friedman und sein Kollege protestiert, worauf Mitarbeiter des Ministers das Videomaterial konfisziert hätten.
Der Minister selbst erinnerte sich leicht anders an den Vorfall: Auf Twitter bestritt Kilic, dass das Interview beschlagnahmt worden sei. Solche Berichte entsprächen nicht der Wahrheit. Man habe lediglich gefordert, das Interview nicht auszustrahlen. Die «Deutsche Welle» müsse diesem Wunsch nach Autorisierung nachkommen.
Der Sprecher der «Deutschen Welle» bezeichnete diese Behauptung als «schlichtweg abenteuerlich». «Wenn das Videomaterial nicht unrechtmässig konfisziert worden wäre, hätte die DW das Material noch und könnte die Sendung wie geplant ausstrahlen», teilte Jumpelt mit. «Eine Abnahme des Interviews stand vor und während der Aufzeichnung nie zur Debatte. Diese vermeintliche Verpflichtung ist eine freie Erfindung des türkischen Ministers für Jugend und Sport.»
«Das Team der DW hat das Material keineswegs aus freien Stücken an die Vertreter des türkischen Ministeriums übergeben», hiess es weiter. «Dies geschah vielmehr unter unmissverständlichem Druck.» Das Interview mit dem Minister hatte Michel Friedman am Montagabend für eine Sendung der «Deutschen Welle» geführt.
DW-Intendant Peter Limbourg hatte den Vorfall als «neuen eklatanten Verstoss gegen die Pressefreiheit in der Türkei» kritisiert: «Was wir hier erleben, erfüllt den Tatbestand der Nötigung durch die türkische Führung. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nichts mehr zu tun.» Es könne nicht sein, dass ein Minister bereitwillig ein Interview gebe und dann dessen Ausstrahlung verhindern wolle, «weil ihm die Fragen nicht gepasst haben».
Lässt #BuReg es zu, dass nun öffentl-rechtl Sender in #Türkei drangsaliert wird? #dw #friedman @deutschewelle @djvde https://t.co/2KUws111d8
— Cem Özdemir (@cem_oezdemir) September 6, 2016
Die «Deutsche Welle» forderte die türkischen Behörden zur sofortigen Herausgabe des Videomaterials auf. Sie prüfe zudem mögliche rechtliche Schritte. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die türkischen Behörden auf, das beschlagnahmte Material unverzüglich herauszugeben. «Das ist der schwerstmögliche Angriff auf die Pressefreiheit, wie wir ihn nur aus Diktaturen kennen», kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Das deutsche Aussenministerium müsse sich einschalten. (trs/sda/dpa)