US-Präsident Donald Trump hat das internationale Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt und neue Sanktionen beschlossen. Die Vereinbarung sei desaströs, funktioniere grundsätzlich nicht und könne den Iran nicht an der Entwicklung von Atomwaffen hindern, sagte Trump am Dienstag in einer Ansprache im Weissen Haus in Washington. Ein Festhalten an dem Abkommen würde zu einem atomaren Rüstungswettlauf im Nahen Osten führen.
Der Iran warf den USA in einer ersten Reaktion vor, die Verpflichtungen nie eingehalten zu haben. Einige der anderen Unterzeichnerstaaten – Frankreich, Deutschland und Grossbritannien – hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder für das Abkommen eingesetzt. Sein Land stehe bereit, die Entwicklung von Atomtechnologie nach Gesprächen mit den EU-Vertretern wieder aufzunehmen. Ruhani warf Trump allgemein vor, internationale Abkommen zu untergraben. Der Iran hatte Neuverhandlungen ausgeschlossen und mit nicht näher ausgeführten Gegenmassnahmen gedroht.
Für den iranischen Präsidenten Hassan Ruhani ist der Rückzug der USA aus dem internationalen Atomabkommen ein schwerer Rückschlag. Die Atomvereinbarung von 2015 war der bisher grösste Erfolg des moderaten Politikers und seine ganze Politik basierte darauf, dass die Aufhebung der Sanktionen der Wirtschaft neuen Schwung geben würden.
Diese Hoffnung hat sich jedoch ebenso wenig erfüllt, wie das Ziel eines Ausgleichs mit dem Westen. «Ruhani hat hoch gepokert mit dem Atomabkommen und all sein politisches Kapital da rein investiert», meint der Teheraner Politikexperte Modschtaba Musawi gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. «Nun, da das Abkommen in seinen letzten Zügen liegt, verliert Ruhani alles – all seine wirtschaftlichen und politischen Pläne, die er auf der Grundlage des Atomabkommens gebaut hat.»
Der Wiener Iran-Experte Walter Posch warnt, dass die Entscheidung eben jene Kreise im Iran stärke, die für Teherans harten aussenpolitischen Kurs verantwortlich sind. Statt zur Eindämmung des Irans könnte Trumps Entscheidung somit zu einer weiteren Eskalation im Nahen Osten führen.
Die Hardliner im Iran waren von Anfang an gegen das im Juli 2015 zwischen dem Iran und den fünf Uno-Vetomächten sowie Deutschland geschlossene Wiener Atomabkommen. Sie kritisieren seitdem auch Präsident Hassan Ruhani, einen der Architekten des Abkommens, das verhindern soll, dass Teheran die Fähigkeiten zur Entwicklung von Atomwaffen erlangt.
Der frühere US-Präsident Barack Obama, Trumps Vorgänger, der das Atomabkommen mitverhandelt hatte, kritisierte diesen scharf. «Ich glaube, dass die Entscheidung, das Atomabkommen zu riskieren, ohne dass es einen iranischen Verstoss gegen den Deal gibt, ein ernster Fehler ist», hiess es in einer Stellungnahme auf Facebook.
«Ohne das Atomabkommen könnten die Vereinigten Staaten vor die negative Entscheidung gestellt werden, ob sie einen atomar aufgerüsteten Iran akzeptieren wollen oder einen weiteren Krieg im Nahen Osten.»
Obama hat sich in den vergangenen 15 Monaten nur äusserst selten zu tagesaktuellen politischen Entscheidungsprozessen geäussert.
Die Europäische Union will trotz der Entscheidung der USA für einen Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran an dem Deal festhalten. «So lange sich Iran an seine nuklearen Verpflichtungen hält – was er bislang tut – wird die EU der vollen Umsetzung des Abkommens verpflichtet bleiben», sagte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstagabend in Rom.
«Wir vertrauen voll auf die Kompetenz und Unabhängigkeit der Internationalen Atomenergiebehörde, die zehn Berichte veröffentlicht hat, in denen dem Iran die volle Einhaltung der Verpflichtungen bescheinigt wird.» Sie werde nun in den kommenden Stunden und Tagen mit allen Partnern die Auswirkungen der Entscheidung untersuchen, sagte sie.
Ihr Bedauern zeigten einige Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens. Frankreich, Deutschland und Grossbritannien riefen die USA in einer gemeinsamen Erklärung auf, nichts zu unternehmen, was eine Umsetzung des Abkommens durch die anderen Staaten verhindern werde.
France, Germany, and the UK regret the U.S. decision to leave the JCPOA. The nuclear non-proliferation regime is at stake.
— Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) 8. Mai 2018
Der französische Staatschef erklärte: «Wir werden kollektiv an einem breiteren Rahmen arbeiten.» Dieser solle die nukleare Aktivität, die Zeit nach 2025, das Raketenprogramm und die Stabilität im Mittleren Osten abdecken, «insbesondere in Syrien, im Jemen und im Irak». Macron hatte bereits bei seinem US-Besuch im April ein solches Gesamtkonzept für den Umgang mit dem Iran ins Gespräch gebracht.
Die Aussenminister Deutschlands, Frankreichs und Grossbritanniens wollen sich am Montag mit Vertretern des Iran treffen. Bei den Gesprächen soll es um die Zukunft des Abkommens gehen.
Dies sagte Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian am Mittwoch dem Radiosender RTL. Es gehe darum, über die «Gesamtsituation» zu beraten. Die Vereinbarung sei unentbehrlich für die Sicherheit der Region. «Dieses Abkommen ist nicht tot.»
Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bezeichnete es angesichts der von von US-Präsident Donald Trump wiedereingesetzten Sanktionen als «nicht hinnehmbar», dass sich die USA als «Wirtschaftspolizist für die Welt» aufführten.
Die Sanktionen würden alle europäischen Unternehmen vor «Schwierigkeiten» stellen, sagte Le Maire dem Radiosender France Culture. Er werde Ende dieser Woche mit US-Finanzminister Steven Mnuchin telefonieren. Ausserdem seien Gespräche mit europäischen Finanzministern geplant.
Israel begrüsste die Ankündigung. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte Trumps Entscheidung mutig und richtig. Das Abkommen hätte zu «einer Katastrophe für unsere Region, einer Katastrophe für den Weltfrieden» geführt.
Irans Erzrivale Saudi-Arabien lobte den Schritt ebenfalls. Saudi-Arabien hat die Bereitschaft zur Steigerung seiner Erdölproduktion nach der Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die USA angedeutet. «Saudi-Arabien fühlt sich der Unterstützung stabiler Öl-Märkte zum Wohle von Produzenten und Verbrauchern sowie der Nachhaltigkeit des weltweiten Wachstums nach der Entscheidung verpflichtet.»
Dies erklärte ein Vertreter des saudischen Energieministeriums am Mittwoch nach einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur SPA. Um Versorgungsengpässe zu vermeiden, werde man mit den grossen Produzenten und Verbrauchern innerhalb und ausserhalb der OPEC sprechen, kündigte er an.
Ein Ausstieg aus dem Abkommen dürfte weitreichende Folgen für den iranischen Erdölexport haben und zu einer weiteren Verunsicherung im Nahen Osten führen, einer Region, in der ein Drittel des Weltbedarfs an Erdöl produziert wird.
Die Schweiz zeigt sich besorgt über mögliche Folgen des US-Ausstiegs aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Der Entscheid Washingtons bedeute aber nicht das Ende des Abkommens, schreibt das Aussendepartement (EDA) in Bern am Dienstagabend in einer Reaktion. Die Schweiz rufe alle Vertragspartner des Abkommens zur Zurückhaltung und Weiterführung auf, und sie setze sich für die Wahrung ihrer Interessen ein.
Die Rechtslage in der Schweiz betreffend den Iran ändere sich mit Entscheiden der USA zu Sanktionsthemen nicht, schreibt das EDA. Die Schweiz setze weiterhin alle Verpflichtungen gemäss UNO-Resolution 2231 vollständig um.
Allerdings verstärke der Entscheid der USA politisch die Unsicherheit über die Zukunft des Atomabkommens und erhöhe damit auch die Rechtsunsicherheit für Schweizer Firmen, insbesondere für Finanzintermediäre im Hinblick auf den Handel mit dem Iran.
Die Schweiz vertritt seit 1980 als Schutzmacht die Interessen der USA in Teheran. Die so genannte Interessensektion der Schweiz in Teheran wickelt sämtliche konsularischen Angelegenheiten der USA im Iran ab. Das Schutzmachtmandat geht auf die Geiselkrise von 1980 zurück. Die USA brachen die Beziehungen zu Iran ab, nachdem der Iran die Islamische Republik ausgerufen hatte, Studenten die US-Botschaft in Teheran besetzt und Mitarbeitende der Botschaft als Geiseln festgehalten hatten. (sar/sda/reu/dpa/afp)