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Öffentliche Familien-Tragödie – wie eine Bisexuelle um die Liebe ihres Vaters kämpft 

Öffentliche Familien-Tragödie – wie eine Bisexuelle um die Liebe ihres Vaters kämpft 

16.01.2017, 16:3116.01.2017, 16:41
Philipp Dahm
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Die Geschichte von Brandi Burgess ist eine Tragödie – und gewiss kein Einzelfall. Die 27-jährige Amerikanerin ist bisexuell, was nicht sein darf, wenn es nach ihrer Familie geht. Ihr Vater ist ein bekannter, christlich-konservativer Radiomoderator: Weil seine Tochter nach langem inneren Kampf zu ihren Gefühlen steht, hat ihr Papa sie nun ganz öffentlich verstossen.

Mit der Bibel in der Hand: Rick Burgess bei der Arbeit.
Mit der Bibel in der Hand: Rick Burgess bei der Arbeit.screenshot: youtube

Doch der Reihe nach.

Christlich-konservativer Radio-Moderator

Brandis Vater hat es als Radio-Mann zu bescheidenem Ruhm gebracht: Zusammen mit einem Kollegen moderiert er in Birmingham, Alabama, die «Rick & Bubba Show», die vor allem im Süden der USA ihre Zuhörer findet. «Meine erste Erinnerung ist, wie ich unter dem Radio-Pult meines Vaters sitze und ihm beim Reden zuhöre», schreibt seine Tochter.

Bild
bild: gemeinfrei via WikiCommons/öffentliche Familientragödie

Die Sendung ist ein Comedy-Format, das allerdings vom eher ernsten, christlich-konservativen Geist seiner beiden Zugpferde geprägt ist. Ihr Vater Rick habe «seine ganze Karriere darauf aufgebaut, Geschichten aus seinem Leben zu teilen», fährt Brandi fort. «Er hat eine Anhängerschaft angehäuft, weil er die Wahrheit sagt. Die Leute lieben ihn, die Leute hassen ihn. Seine direkte Art hat mich stets inspiriert.»

Je älter Brandi wird, desto häufiger steht auch sie im Mittelpunkt seiner Geschichten. Erst als sportliches Kind, dann als ängstlicher Teenie und schliesslich als interessierte junge Frau. «Ich war eine Pointe, eine glänzende Requisite, ein Cartoon», erinnert sich Brandi auf AL[abama].com. «Dann habe ich ihn – in seinen Augen – enttäuscht.»

Unversöhnlich: Rick Burgess.
Unversöhnlich: Rick Burgess.screenshot: youtube

«Bist du lesbisch?»

Der Konflikt tritt vor drei Jahren zutage, als Brandi auf Instagram das Foto einer Mutter auf einer Gay-Pride-Parade postet. Die Frau hält ein Schild hoch: «Ich liebe meinen schwulen Sohn». Ihr Vater Rick verlangt per SMS von ihr, das Bild zu entfernen. «Denke daran, wen du repräsentierst», schreibt er ihr. Und: «Bist du lesbisch?»

Brandi «gesteht» ihrem Vater schliesslich, dass er damit recht hat. «Ich liebe dich. Es tut mir leid. Ich liebe Gott immer noch», sagt sie ihm dazu. Rick reagiert unversöhnlich. «Du denkst, du bist so modern, so besonders. Aber du bist nichts. Du bist Durchschnitt», lässt er sie wissen und bombardiert sie mit Bibelsprüchen. Mit fatalen Folgen.

«Ich wurde still. Ich trauerte um meine Familie. Ich glaubte, ich sei egoistisch, eine Betrügerin», blickt Brandi zurück. Sie musste sich von ihren Geschwistern fernhalten – um sie nicht mit ihrer Homosexualität anzustecken. Als sie ihrer Stiefmutter eröffnet, sie habe sich in eine Frau verliebt, sagt die: «Du wählst entweder das oder uns. Wie kannst du deinem Vater nach allem, was er für dich getan hat, sowas antun?»

Stiefmutter Sherri sagt, die Frage der Homosexualität sei ein Kampf zwischen gut und böse.
Stiefmutter Sherri sagt, die Frage der Homosexualität sei ein Kampf zwischen gut und böse.screenshot: youtube

Die eigene Tochter als warnendes Beispiel

Rick Burgess spricht auch im Radio über seine «verlorene Tochter». «Ohne meine Zustimmung benutzte er mich als warnendes Beispiel.» Brandi leidet unsäglich darunter. «Ich liess zu, dass die schändlichen Vorwürfe meines Vaters mich definierten. Ich hasste meinen Körper, sabotierte Beziehungen und glaubte, ich sei der Liebe unwürdig.»

Doch die 27-Jährige hat sich von ihren alten Dämonen befreit. «Ich bin erlöst», schreibt die Gläubige. «Ich habe mich dem wundervollen Mysterium von Gottes Liebe ergeben und wurde Zeuge ihrer enormen Komplexität.» Nun erzählt sie ihre Seite der Geschichte und wendet sich direkt an «die jungen Frauen», die leiden mussten wie sie.

«Ich schreibe den jungen Frauen ...»

«Ich liebe euch. Euer Wert ist unantastbar», ruft sie ihnen zu. «Findet eine gute Freundin. Investiert in eine Therapie. Tanzt mitten in der Nacht und tragt die Verantwortung für das Leben, das ihr immer führen wolltet. Die Wurzel all dieser Hasstiraden ist Angst. Es ist deshalb nicht an euch, Angst zu haben. Lasst sie gehen.»

Heute kann die junge Frau, die in Philadelphia lebt, wieder in den Spiegel schauen. Liebe ist göttlich, dass wisse sie aus tiefstem Herzen. Deshalb hat sie auch nicht nur für Leidensgenossinnen geschrieben, sondern auch für einen, der sie leiden liess. «Ich bete für meinen Vater. Ich halte an der Hoffnung fest, und diese liegt ausgebreitet vor ihm. Vielleicht greift er zu. Vielleicht finden wir heraus, dass wir an derselben Hoffnung klammern.»

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Allein: Die Reaktion des Altvorderen macht keine Hoffnung, dass diese Familientragödie ein christliches Ende findet. 

Ohne Einsicht, ohne Versöhnlichkeit: Die heterosexuelle Ehe sei von Gott gegeben und «perfekt». Alles andere sei eine Verdrehung dieser Tatsache, sagt Rick Burgess nach der Publikation des Artikels seiner Tochter im Radio.Video: YouTube/Rick & Bubba

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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bronko
16.01.2017 17:11registriert April 2016
Ein weiteres tragisches Beispiel von fundamental christlicher Nächstenliebe...
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Linus Luchs
16.01.2017 16:51registriert Juli 2014
Könnte der fromme Radiomann vielleicht einmal darüber nachdenken, was Glaubensgesetze wert sind, die von ihm verlangen, sein eigenes Kind zu verstossen? Kann er offensichtlich nicht. Ein Fanatiker erster Güte. Ein christlicher Fanatiker, wohlgemerkt.
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Turist
16.01.2017 18:26registriert März 2016
Schon bedenklich, wie blind Glaube machen kann. Ich bin froh habe ich mit Religion nichts am Hut. Religion ist der häufigste Grund für Kriege und Gewalt. Das war schon immer so.
Ich bin für Leben und Leben lassen. Brauche nicht an irgendetwas zu glauben, dass nicht existiert, für mich gibts Natur und Evolution.

Je länger je mehr habe ich auch mit dem Christentum Mühe, obwohl ich auf dem Papier auch katholisch bin.
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