Die Gerüchteküche brodelte, als am Montag gegen 15 Uhr (Ortszeit) ein dunkelgrüner, sehr altmodischer Zug in den Bahnhof von Peking einrollte*. War womöglich der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un Passagier des Gefährts? Oder seine Schwester Kim Yo Jong?
Breaking: North Korean armored train spotted at Beijing, China. Kim Jong Un probably on board. pic.twitter.com/p0Lij0Q1Wo
— Augustus Manchurius (@1984to1776) 26. März 2018
Am frühen Mittwochmorgen brachen Chinas Staatsmedien das Schweigen und bestätigten die Gerüchte: Der 34-jährige Machthaber Kim Jong Un war tatsächlich Passagier des Zuges und hat den chinesischen Partei- und Staatschef Xi Jinping für Gespräche in Peking getroffen.
Der Besuch vom chinesischen Partei- und Staatschef Xi Jinping ist das allererste diplomatische Treffen, seit Kim an der Macht ist. Er kommt aber nicht ganz überraschend.
Kim manövrierte sich in den letzten Monaten immer weiter ins Abseits – mit der Demonstration militärischer Macht, Raketentests und einer aggressiven Rhetorik vor allem gegenüber den USA.
Die Provokationen von Seiten Nordkoreas hatten Konsequenzen: Die Vereinten Nationen verschärften die wirtschaftlichen Sanktionen gegen das Land. Selbst China sah sich gezwungen, Exporte von Kohle, Meeresfrüchten und anderen Gütern nach Nordkorea zu reduzieren.
Kim Jong Un steht im Abseits und versucht sich nun mithilfe von China, einem alten strategischen Verbündeten, zurück in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen.
Kim Jong Un verfolgt mit seinem Besuch vor allem ein Ziel: Er will die Beziehungen mit China wieder ins Lot bringen. Denn im Hinblick auf das angekündigte Treffen mit US-Präsident Donald Trump im Mai, braucht Kim so viel Rückendeckung wie nur möglich. Und diese will er sich nun in China holen.
China ist ein alter Verbündeter Nordkoreas, denn die beiden Staaten einigten sich während des Koreakrieges 1950 bis 1953 auf ein Zweckbündnis – im Kampf gegen die USA. Dieses Bündnis will Kim nun wieder «auffrischen». Denn mit China auf seiner Seite kann Kim selbstbewusster in die Gespräche mit Trump gehen.
Xi Jinping bezeichnete die Begegnung mit Kim Jong Un als «offen und freundschaftlich». Zudem habe sich der nordkoreanische Machthaber der «Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel verpflichtet». Eine Aussage, die zwar deeskalierend klingt, aber rein gar nichts mit der atomaren Abrüstung Nordkoreas zu tun hat.
Mit der «Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel» meint Nordkorea nicht die Vernichtung der eigenen Waffen, sondern den Rücktransport aller US-Atomwaffen, die Nordkorea womöglich erreichen könnten. Dazu gehören die Atomwaffen in Japan, auf Guam, oder den Flugzeugträgern im Pazifik.
Es ist nicht das erste Mal, dass Nordkorea versucht, sich international gegen Angriffe abzusichern. Geklappt hat es bislang nicht. Denn Pjöngjang weigerte sich bis anhin beharrlich seinen Teil der Vereinbarung einzuhalten – nämlich den Abbau der eigenen Atomwaffen glaubhaft zu machen.
Die Botschaft Pjöngjangs an Trump ist eindeutig: China ist auf unserer Seite des Verhandlungstisches. Von Trump ist bislang noch nichts zu hören. Der sonst so Tweet-freudige US-Präsident hat sich zum Überraschungsbesuch (noch) nicht geäussert.
John Park, Direktor der Korea Working Group an der Harvard Kennedy School, sagte gegenüber Bloomberg: «Wenn ich jetzt Trump und das Weisse Haus wäre, wäre ich sehr besorgt.» Denn die aufgefrischte Liaison mit China verändere die Verhandlungsposition der USA enorm: «Laut dem Weissen Haus führte der enorme internationale Druck auf Nordkorea zu den diplomatischen Gesprächen. Nun ist die Realität aber eine andere, denn der Druck droht soeben durch ein riesiges Leck zu entweichen», so Park.
Die Rückendeckung durch China hat sich Kim nun mit dem Besuch in Peking gesichert. Es könnte gut sein, dass der 34-jährige Diktator noch vor seinem Treffen mit Trump im Mai dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Besuch abstattet. Denn mit zwei Partnern als Backup gegen Trump, wäre Kim noch weiter im Vorteil.
Warum sich Kim Jong Un in einem Zug und nicht einem Flugzeug nach China chauffieren liess hat zwei Gründe: Die Kim-Familie liebt Züge, denn sie kommen einer rollenden Festung gleich. Bereits Kim Il Sung nutzte während des Koreakrieges einen Zug als sein Hauptquartier und liess zahlreiche Hochsicherheits-Paläste bauen, bei denen viele einen direkten Zugang zu einem Bahnhof boten.
Der zweite Grund ist persönlicher Natur: Kim Jong Uns Vater litt an Flugangst und legte alle seine Reisen in Zügen zurück. Obwohl nicht bekannt ist, ob auch Kim Jong Un die Phobie seines Vaters teilt, scheint der aktuelle Diktator ebenfalls das rollende Gefährt zu bevorzugen.