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Tabubruch in Jerusalem – 6 Erkenntnisse nach Trumps historischer Rede

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Trump hat im Nahen Osten neue Wut entfacht.  Bild: EPA/EPA

Tabubruch in Jerusalem – 6 Erkenntnisse nach Trumps historischer Rede

Donald Trump hat mit der jahrzehntelangen Nahostpolitik der USA radikal gebrochen und Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anerkannt.  Die Palästinenser rufen zum Generalstreik auf. 
07.12.2017, 04:2507.12.2017, 08:55
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Trump macht, was er will

Trump alleine gegen die ganze Welt. «Heute erkennen wir das Offensichtliche an – dass Jerusalem die Hauptstadt Israels ist.», erklärte US-Präsident Donald Trump seinen Entschluss. 

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Trump kippt mit seiner Unterschrift eine jahrzehntelange US-Doktrin in Israel. Bild: EPA/EPA

Offensichtlich ist aber auch, dass fast ausnahmslos alle Staaten der Welt für die Entscheidung Trumps nur Kopfschütteln übrig haben. 

Der US-Verbündete Saudi-Arabien rief die USA auf, die Entscheidung zurückzunehmen. Die Nato-Partner Frankreich und Grossbritannien als Vetomächte sowie weitere Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates beantragten eine Sondersitzung des Gremiums in New York. Sie soll bereits am Freitag stattfinden

Trump ist dies egal. Er soll seine Berater im Weissen Haus nur eine Stunde angehört haben, bevor er die Nahost-Politik der USA der letzten Jahrzehnte über den Haufen warf. 

«Trump bestimmt und alle marschieren mit.»
Rudolf Dressler, Ex-Botschafter 

Was kann Trump durch diesen Schritt überhaupt gewinnen? «Nichts. Weder ökonomisch noch machtpolitisch. Er will den Weg gehen, den er in seinem Wirtschaftsimperium auch gegangen ist: Er bestimmt und alle marschieren. Trump denkt, so funktioniere auch Politik», sagt der frühere Deutsche Botschafter in Israel, Rudolf Dressler, zur Süddeutschen Zeitung. Trump wolle mit diesem Schritt bloss die Beziehung zu Israels Premier Benjamin Netanjahu aufmöbeln. 

Der Friedensprozess ist tot

Nach Trumps Entscheid dürften die Friedensverhandlungen zwischen Israel und Palästina endgültig vorbei sein. Dies weiss man selbst im Weissen Haus. «Wir hoffen, dass die Verhandlungen nur vorübergehend ausgesetzt werden», erklärten Trump-Mitarbeiter gegenüber CNN. 

Aus Protest gegen die Jerusalem-Entscheidung Trumps haben die Palästinenser bereits zu einem Generalstreik und Demonstrationen aufgerufen. 

«Ich denke, dass Präsident Trump die USA heute Abend für jegliche Rollen im Friedensprozess disqualifiziert hat.»
Palästinensischer Chefunterhändler Erakat

Darüber hört Trump wohl gerne hinweg. Seine Mitarbeiter sagten den TV-Sender weiter, Trumps grosses Ziel sei ein Friedensabkommen zu schliessen.

«Trump ist ein Spieler. Aber wer im Nahen Osten glaubt, spielen zu können, reitet auf einer Rasierklinge. Der US-Präsident scheint aus seinem sehr eingeengten Blickwinkel wirklich zu glauben, mit diesem Schritt das Spielfeld erweitern zu können», sagt Experte Dressler dazu. 

Trump pfeift auf seine Verbündeten

Selbst die engsten Verbündeten der USA in der muslimischen Welt schäumen vor Wut: «Dieser gefährliche Schritt ist eine Provokation für die Gefühle der Muslime weltweit», warnte etwa der saudische König Salman in einem Statement.

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Saudi-König Salman ist «not amused».Bild: EPA/AFP POOL

Für die Bemühungen, den Friedensprozess voranzubringen, sei sie ein grosser Rückschritt. Die US-Regierung wurde aufgefordert, die Entscheidung rückgängig zu machen. Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem werde «gefährliche Folgen» haben.

USA gefährden sich selbst

Trump gefährdet mit dem Entscheid auch die Eigeninteressen. Denn die USA sind n ihrem Anti-Terror-Kampf auf ihre Verbündeten angewiesen. Der jordanische Geheimdienst etwa ist laut Experten eine wichtige Informationsquelle zum islamistischen Terror. Und Saudi-Arabien wird von Washington als «vitaler strategischer Partner in der Region» bezeichnet, Waffenverkäufe in Milliardenhöhe inklusive. Dieser Partner ist nun verärgert. 

«Diese irrationale und provokante Entscheidung wird zu einer weiteren Intifada sowie mehr Extremismus und Gewalt führen.»
Aussenministerium Iran

«Historisch richtig» – Es gibt auch Zustimmung

Während Kommentatoren rund um den Globus ihre Bestürzung über Trumps Entscheid ausrücken, gibt es auch Applaus. 

«Historisch richtig», beurteilt etwa die deutsche Bild den Tabubruch Trumps. Es gebe keinen Grund, dass Israel als nahezu einziges Land der Welt seine Hauptstadt nicht selber wählen dürfe. Es sei «historischer Unfug», dass Jerusalem als israelische Hauptstadt die Zwei-Staaten-Lösung verunmögliche. 

Denn eine Zweistaaten-Lösung sei in den letzten 50 Jahren gescheitert, OBWOHL Jerusalem nicht als Hauptstadt anerkannt gewesen sei.

«Donald Trumps Mut zur Wahrheit»: Ins gleiche Horn bläst der Kommentator der Welt. Zwanzig Jahre der Realitätsverweigerung hätten den Frieden im Nahen Osten nicht näher gebracht. Es sei Zeit, die Realität anzuerkennen. Auch in Europa, appelliert die Welt. 

Ein Geschenk für Israel

Die israelischen Politker sind natürlich erfreut über die Rückendeckung ihres wichtigsten Alliierten im Nahen Osten: 

«Es gibt kein passenderes oder schöneres Geschenk, jetzt wo wir uns 70 Jahren Unabhängigkeit des Staates Israel nähern.»
Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident
Palästinenser protestieren mit Streik
Aus Protest gegen die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, haben die Palästinenser am Donnerstagmorgen einen Generalstreik begonnen. Öffentliche Einrichtungen, Geschäfte, Schulen und Banken blieben geschlossen.

Die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas rief als Reaktion auf Trumps Entscheidung zu einem neuen Palästinenseraufstand auf. Im Gazastreifen sowie in verschiedenen Städten des Westjordanlands kam es am Mittwochabend zu ersten Protesten. In Gaza verbrannten Demonstranten Bilder von Trump, US-Flaggen sowie Autoreifen.

Mit Material von sda

Donald Trump ahmt Menschen nach

Video: watson

Gaza - Bomben nach der Waffenruhe 20.08.2014

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Gaza - Bomben nach der Waffenruhe 20.08.2014
Palästinenser betrachten die Schäden am dreistöckigen Haus von Rabah al-Dalow, einem Regierungsangstellten.
quelle: epa/epa / mohammed saber
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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Digitalrookie
07.12.2017 05:13registriert September 2017
Dass die "Welt" und die "Bild" Trumps Entscheidung unterstützen, kommt nicht von ungefähr. Beide gehören dem Axel-Springer-Verlag an und dieser vertritt nun einmal die Interessen der Atlantikbrücke, sprich jene der USA. Es würde mich auch nicht überraschen, wenn Trump den Tempelberg einebnen liesse; dann nämlich gäbe es nichts mehr, worum sich die drei Weltreligionen streiten könnten. Mir scheint, dass Trump auf den ganz grossen Krieg aus ist und er bewusst einen unkontrollierbaren Flächenbrand in der Region auslösen will. Falls nicht, ist er einfach nur grenzenlos dumm.
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Domino
07.12.2017 08:26registriert Januar 2016
Russland hat im April seine Botschaft nach Jerusalem verlegt. Kein Wort davon auf Watson. Wenn Merkel die israelische Regierung besucht, so tut sie das in Jerusalem. Wenn der französische Präsident die israelische Regierung besucht, so tut er dies in Jerusalem. Jerusalem ist seit 67 Jahren der israelische Regierungssitz.
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Sam1984
07.12.2017 08:02registriert Dezember 2014
"Es gebe keinen Grund, dass Israel als nahezu einziges Land der Welt seine Hauptstadt nicht selber wählen dürfe."

Na gut. Wie würde die Welt wohl reagieren, wenn Deutschland Paris als neue Hauptstadt wählt und teile Frankreichs annektiert ?

Letztes mal kams nicht so gut an, obwohl man nicht mal Paris als Hauptstadt wollte.
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