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Kapitol-Sturm: Neue Video-Aufnahmen zeigen absurde Szenen im Senat

Videos zeigen, worüber die Trump-Chaoten während des Kapitol-Sturms miteinander sprachen

Luke Mogelson von «The New Yorker» war hautnah mit dabei, als Trump-Anhänger am 6. Januar das Kapitol stürmten. Seine nun veröffentlichten Videoaufnahmen innerhalb des Kapitols bringen kuriose Szenen zum Vorschein.
18.01.2021, 12:1519.01.2021, 19:44
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Mogelson betritt das Kapitol, kurz nachdem sich der Mob Zugang verschafft hat, und schliesst sich einer Gruppe an, welche sich singend auf die Suche nach dem Senatstrakt macht. Gross ist die Frustration, als sie nur leere Räume vorfinden: «Wo sind die Verräter?» «Wo zur Hölle sind sie?» «Wo zur Hölle ist Nancy?»

Dann entfalten sich absurde Szenen. Ein Trump-Anhänger setzt sich in den Stuhl, in dem kürzlich noch Vize-Präsident Mike Pence sass. Prompt wird er von einem anderen Anhänger in Munitionsweste, ehemaliger Oberstleutnant der Luftwaffe, dazu aufgefordert, den Sessel zu verlassen:

«Schaut, ich liebe euch, Jungs, ihr seid meine Brüder, aber wir können nicht respektlos sein.»
Videoaufnahmen während des Kapitol-Sturms
Der ehemalige Oberstleutnant der Luftwaffe, Larry Brock Jr., hier mit Helm, wurde unterdessen verhaftet.screenshot: The New Yorker

Nicht alle teilen diese Meinung. Ein junger Mann mit «Make America Great Again»-Mütze ruft: «Sie dürfen die Wahl stehlen, aber wir dürfen nicht in ihren Sesseln sitzen?»

Das Video zeigt weiter, wie sich der Mob durch die Dokumente wühlt, welche die Senatorinnen und Senatoren in Eile zurückgelassen haben. «Schaut, der Einspruch von Ted Cruz in Arizona», verweist eine Trump-Anhängerin auf ein vorliegendes Dokument. Bei Ted Cruz handelt es sich um einen republikanischen Senator, welcher Trumps haltlose Behauptungen von Wahlbetrug unterstützt. Der Trump-Anhänger, der das Dokument vor sich hat, ist schockiert – ist er doch nicht auf ihrer Seite?

Trump-Anhänger während des Kapitol-Sturms im Senat
Diese Trumpisten rätseln: Haben sie die Wahrheit über Ted Cruz entdeckt?screenshot: the new Yorker
Trump-Anhänger A
«Der Einspruch. Er wollte uns die ganze Zeit verraten»
Trump-Anhänger B
«Was? Wirklich?»
Trump-Anhänger A
«Schau. ‹Einspruch gegen die Auszählung der Wahlmännerstimmen des Staates Arizona.›»
Trump-Anhänger C
«Warte. Kann ich ein Foto davon haben.»
Trump-Anhänger B
«Warte, nein, das ist was Gutes.»
Trump-Anhänger A
«Okay, ja stimmt, das ist eigentlich was Gutes.»

Joshua Black, ein weiterer Anhänger der Meute, fordert den Rest ebenfalls auf, nicht respektlos zu sein. In seiner blutverschmierten Wange steckt ein gelbes Plastik-Projektil. Nach kurzer Zeit folgen die meisten Mob-Anhänger seinem Befehl und treten den Rückzug an. Joshua Black setzt sich daraufhin auf den Boden und ruft seinen Vater an.

Dann betritt der gehörnte «QAnon Schamane» Jake Angeli zum ersten Mal den Senat, wie dieses Video zeigt:

«Verdammt erstklassig, Mann», schreit er mit dröhnender Stimme und entdeckt dann den verletzten Black. «Schaut euch den Typen an, ist mit Blut bedeckt. Gott beschütze dich.» Auch ein anwesender Polizist wendet sich an Black:

«Alles in Ordnung? Benötigen Sie medizinische Hilfe?»

«Mir geht's gut. Danke», antwortet dieser, während er weiter mit seinem Vater telefoniert. Inzwischen hat sich der QAnon Schamane zu Mike Pences Pult bewegt, als sich derselbe Polizist an die Menge wendet:

«Kann ich euch irgendwie dazu bewegen, den Senatstrakt zu verlassen?»

«Wir werden gehen», ruft einer, der nicht auf dem Video zu sehen ist, «ich habe dafür gesorgt, dass sie sich an diesem Ort nicht respektlos verhalten.» Darauf antwortet der Polizist beschwichtigend mit ausgestreckten Armen:

«Okay, ich möchte euch nur wissen lassen, dass dies DER meist heiligste Ort ist.»
Der Polizist tritt ziemlich gelassen auf.
Der Polizist tritt ziemlich gelassen auf.screenshot: the new yorker

Dann wartet er, die Hände am Gürtel abgestützt, während sich der QAnon Shamane in Pences Sessel positioniert und ein Foto von sich machen lässt. Ein anderer Anhänger bemerkt die Kuriosität der Situation:

«Das ist seltsam. Du solltest uns eigentlich stoppen.»

Der Polizist zählt mit ausgestrecktem Zeigefinger die Anwesenden im Raum: «Eins, zwei, drei, vier, fünf.» Zuletzt zeigt er auf sich: «Eins.» Er gehe nur sicher, dass die Anwesenden nichts anderes täten, sagt er und äussert erneut seine Bitte:

«Könntet ihr jetzt bitte diesen Raum verlassen? Ich würde das sehr schätzen.»

Noch einen tieferen Einblick in diesen Tag gewähren mehr als 500 Videos, welche Hacker von Parler heruntergeladen hatten, bevor die App offline ging. Sie zeigen den dunklen, geschichtsträchtigen Moment aus den Augen derjenigen Menschen, die daran teilgenommen haben.

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Trump-Anhänger stürmen Kapitol
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Trump-Anhänger stürmen Kapitol
Am 6. Januar 2021 wurde das Kapitol in Washington von Trump-Anhängern gestürmt.
quelle: keystone / manuel balce ceneta
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Chaos in Washington
Video: watson
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81 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Donny Drumpf
18.01.2021 12:29registriert November 2019
Das zeigt halt eindrücklich wie wichtig es ist, dass gegen Falschinformationen vorgegangen wird.

Und es zeigt, dass es auch ohne 9 Warnschüsse in den Rücken geht, sobald Jemand nicht Schwarz ist...
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Bambusbjörn ❤ lilie
18.01.2021 12:30registriert Juni 2018
Wie sagte doch Thommi Lee Jones in Men in black?
"Ein Mensch ist intelligent. Viele Menschen sind eine Horde hirnloser, gefährlicher Tiere."
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Magnum
18.01.2021 12:54registriert Februar 2015
Oh wow: Diese Flachzangen von Trumpisten sind also zum Senatstrakt gezogen, auf der Suche nach ihrem Feindbild Nancy Pelosi.

Pelosi ist Abgeordnete und Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, also der grossen Kammer, und nicht im Senat. Vor der Zertifizierung der Wahlmännerstimmen hatte der Senat getagt, ehe er sich für eine gemeinsame Sitzung beider Kammern zum Repäsentantenhaus begab. Das wurde so LIVE im TV gezeigt.

Und die Anhänger vom Stable Genius wundern sich bei ihrem Sandkasten-Staatsstreich-Versuch, warum der Senatssaal so leer war wie ihre von Helmen geschützten Köpfe?!
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