Das dürfte sich gut angefühlt haben. Nach über einem Monat im Amt durfte Donald Trump gestern Morgen die Zeitungen aufschlagen und wurde dabei nicht gleich vom Schlag getroffen. Für einmal hagelte es nicht scharfe Kritik, sondern Anerkennung für eine bemerkenswert präsidiale Rede.
Und da passierte etwas Ungewöhnliches. Donald Trump bedankte sich. Auf der Twitter-Timeline des Präsidenten, wo sonst um die frühen Morgenstunden bereits die ersten Schimpftiraden gegen die Presse zu lesen sind, stand in Grossbuchstaben «THANK YOU!»
THANK YOU!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 1. März 2017
Nicht nur der Präsident hatte gute Laune gestern, auch an der Wall Street lief das Geschäft. Bange hatte man an den Finanzmärkten auf die Rede des Präsidenten gewartet, nun hat der souveräne Auftritt Trumps den Dow Jones Index erstmals auf über 21'000 Punkte gehievt. Auch der Schweizer Leitindex SMI schloss auf einem Jahreshoch.
Dies hielt Trumps Kritiker aber nicht davon ab, auch auf die problematischen Punkte seines Auftritts aufmerksam zu machen. Kritisiert wurde unter anderem, dass der Präsident bisher noch keine konkreten Vorschläge dazu machte, wie er Obamacare ersetzen möchte. Auch wird stark bezweifelt, ob Trumps Steuersenkungen, der Bau der Mauer und die erhöhten Militärausgaben finanziell überhaupt tragbar sind.
Einige warfen dem Präsidenten zudem vor, dass er die Witwe des verstorbenen Navy SEAL für seine Zwecke ausgenutzt habe. Beim Einsatz in Jemen, wo der gestern Gewürdigte verstorben war, sei lange nicht alles so heroisch abgelaufen, wie Trump es verkündet habe.
Am Tag nach der grossen Rede wurden auch Details bekannt, was im Hintergrund abgelaufen ist. Zehn Tage lang soll Trumps Team an der Rede geschliffen haben, welche sich von der Tonalität her komplett von seiner aggressiven Antrittsrede vom 20. Januar unterschied.
Trump sei der Hauptautor der Rede gewesen, heisst es aus Insiderkreisen. Doch der US-Präsident zählte auch auf die Hilfe seiner engsten Vertrauten. Dabei soll sich die Stimme einer Person besonders stark in der Rede niedergeschlagen haben: Jene von Ivanka Trump.
Die Präsidententochter soll massgeblich dazu beigetragen haben, dass ihr Vater die Tonalität änderte. «Sie hat ihn dazu ermutigt», sagt ein Insider gegenüber Reuters.
Doch nicht nur das. Die 35-Jährige soll es auch gewesen sein, die den Präsidenten dazu bewegt haben soll, sich vor dem Kongress für eine bezahlbare Kinderbetreuung und bezahlten Familienurlaub einzusetzen. Zwei Anliegen, die Ivanka schon länger unterstützt und bei denen das Trump-Team auch die Unterstützung der Demokraten erhalten könnte.
Was schon länger vermutet wurde, erhärtet sich nun immer mehr. Die Rolle der «First Lady» übernimmt Ivanka, nicht Melania Trump. Während sich die Ehefrau des Präsidenten weitestgehend aus dem politischen Tagesgeschäft heraushält, spielt Trumps Tochter eine wichtige Rolle im Regierungsteam. Eine derart einflussreiche Präsidententochter hat es in der jüngeren US-Geschichte wohl noch nicht gegeben.