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Brasiliens Fukushima: Riesen-Katastrophe nach Minen-Unfall

«Das ist unser Fukushima»: Diese Giftschlammlawine ist die grösste Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens

Ein Dammbruch in einer Bergmine löste eine giftige Schlammlawine aus. Jetzt sind ganze Gewässer verseucht, Fische sterben, die Anwohner haben kein Wasser. Der Betreiber behauptet dreist, der Schlamm sei nicht giftig.
27.11.2015, 16:1027.11.2015, 16:17
Roman Rey
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Brasiliens Fukushima: 62 Millionen Kubikmeter giftiger Schlamm kriecht in die Flüsse
Es ist die grösste Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens: Nach einem Unfall in einem Bergwerk in der Stadt Mariana krochen 62 Millionen Kubikmeter giftiger Schlamm in die umliegenden Gewässer.
quelle: x02675 / ricardo moraes
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Der Rio Doce, einst ein schöner, mächtiger Fluss in Brasilien, verwandelt sich in eine giftige, braune Brühe. Drei Viertel des 850 Kilometer langen Flusses sind verseucht. Schuld daran sind giftige Schlammlawinen, die seit einem Unfall in einer Bergbaumine vor drei Wochen in die umliegenden Gewässer kriechen.

Es ist die grösste Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens, wie Tests des Instituts für Wasser in Minas Gerais (IGAM) zeigen: Stellenweise sind die Arsen-Werte im Fluss zehn Mal so hoch wie das Gesetz erlaubt. «Das Ausmass des Umweltschadens entspricht 20'000 olympischen Schwimmbecken mit Giftschlamm», sagt UNO-Experte John Knox. In einem grossen Gebiet seien der Boden, die Flüsse und das Wassersystem kontaminiert worden.

Das Unglück passierte in Mariana im Staat Minas Gerais.

Das Desaster wird bleibende Schäden hinterlassen: «Viele Regionen werden nie mehr dieselben sein», prophezeit der Geologe Klemens Laschesfki zu Reuters. Der Biologe André Ruschi erklärt gegenüber ZDF heute: «Es wird mindestens 100 Jahre dauern, bis die Rückstände dieser Giftstoffe langsam verschwinden».

Videos zeigen verzweifelte Fischer, die weinend in ihren Holzbooten sitzen, in denen sie haufenweise tote Fische stapeln. Die Menschen, die an den verseuchten Gebieten leben, können das Wasser nicht mehr zum Trinken und Kochen benützen. Freiwillige und das Militär müssen mit Trinkwasserkanistern aushelfen.

Fischer sind verzweifelt.
YouTube/Jornal da Alterosa

Mittlerweile sind rund neun Tonnen verendete Fische aus dem Fluss entfernt worden. Dies berichtete das Portal UOL am Donnerstag (Ortszeit) unter Berufung auf die Umweltbehörde.

Minenbetreiber: Schlamm ist gar nicht giftig

So nahm die Katastrophe ihren Anfang: Am 5. November brachen zwei Dämme einer Eisenerz-Bergwerks in der Stadt Mariana und lösten eine Lawine aus 62 Millionen Kubikmeter Schlamms voller Eisenerz-Abfälle aus. Diese begrub praktisch das ganze Bergdorf Bento Rodrigues unter sich, mindestens 15 Menschen kamen ums Leben.

Der Betreiber der Mine spielt alles in geradezu dreister Weise herunter. Die Abwasser seien nicht giftig, sagt das Unternehmen Samarco, das zu gleichen Teilen dem brasilianischen Bergbaukonzern Vale und dem britisch-australischen Rohstoffkonzern BHP Billiton gehört.

Luftaufnahmen der Katastrophe.
YouTube/Pesca Amadora Esportiva

Präsidentin Dilma Rousseff vergleicht den Schaden mit der BP-Ölkatastrophe im Golf von Mexiko im Jahr 2010. Brisant: Samarco soll Rousseffs Wahlkampagne, wie auch die ihres Mitkonkurrenten, zu grossen Teilen mitfinanziert haben.

Im Netz entlädt sich die Wut gegen den Konzern und die Präsidentin. User beklagen sich darüber, dass die Regierung nur eine Zahlung von umgerechnet 270 Millionen Franken als Notfallmassnahme gewährt. «Selbst das Hundertfache davon kann nicht wiedergutmachen, was dieser Konzern angerichtet hat», schimpft ein User auf Facebook.

Ein weiterer schreibt: «Das ist unser Fukushima.» 

A propos Fukushima: Bilder aus der verbotenen Zone

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Fukushima – Bilder aus der verbotenen Zone
Impressionen aus der Todeszone: Die Bilder erinnern an Aufnahmen aus der ukrainischen Geisterstadt Pripjat, die nach der Katastrophe von Tschernobyl evakuiert wurde.
quelle: kazuma obara / kazuma obara
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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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UNO1
27.11.2015 17:40registriert Juni 2014
"Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluß vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, daß man Geld nicht essen kann." (Weisheit der Cree-Indianer)
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peeti
27.11.2015 19:33registriert März 2015
Endlich wird das Unglück auch hier bei uns zum Thema. Es ist def. Zeit für die Konzernverantwortungsinitiative.
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Marcel Nandy Füllemann
27.11.2015 17:05registriert April 2014
Die Tragödie hat bereits vor ein paar Wochen ihren Lauf genommen, krass das im Westen erst jetzt darüber berichtet wird, da vorallem bei diesem Material jede Sekunde zählt :/
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