Mit Weihnachten in Sicht träumen Händler normalerweise von fetten Umsätzen. Doch dieses Jahr könnte es für manche ein Nachschubproblem geben. Der Grund: Seit Hanjin, die siebtgrösste Frachtschiff-Reederei der Welt, in die Insolvenz gerutscht ist, sind Waren im Wert von geschätzt mehr als 13 Milliarden Franken in Häfen und auf Schiffen auf hoher See gestrandet.
Häfen verweigern Dutzenden Schiffen der südkoreanischen Reederei die Einfahrt, weil sie befürchten, dass Hanjin die Hafengebühr nicht bezahlen kann. Geschätzt 500'000 Container bleiben so auf den grossen Frachtern, während Hanjin um Gläubigerschutz verhandelt.
Besonders betroffen sind Elektronikhändler und solche, die Konsumgüter verkaufen. Denn die Vorweihnachtszeit ist die profitabelste Zeit des Jahres für sie. «Black Friday kommt bald», sagt der Chef der Hausgeräte-Sparte des Fernseher- und Smartphone-Herstellers LG, Cho Sung Jin. Der Tag nach dem US-Feiertag Thanksgiving Ende November sorgt in den USA traditionell für einen Konsumrausch.
LG liess bisher zehn bis 20 Prozent seiner Nordamerika-Fracht von Hanjin befördern. «Ich bin nicht sicher, ob wir mit unseren derzeitigen Beständen die Nachfrage bedienen können», erklärte Cho Sung Jin.
Auch Samsung, der grösste Smartphone-Hersteller der Welt, ist betroffen: Er sorgt sich um Ware auf zwei Hanjin-Frachtern im Wert von umgerechnet rund 37 Millionen Franken. Gläubiger könnten die Ware beschlagnahmen lassen, wenn die Schiffe in einen Hafen einlaufen.
Und in Peking hat der Asien-Geschäftsführer von Grill-Hersteller Weber, Stephen Zhu, seinen Kunden in Los Angeles und in Australien neue Ware geschickt, weil er nicht wusste, wann Hanjin zwei Container mit Grills im Wert von rund 760'000 Franken ausliefern wird.
Weltweit kann Hanjin geschätzt sechs Billionen Won (5,2 Milliarden Franken) Schulden nicht begleichen. In Südkorea und in den USA hat das Unternehmen Antrag auf Gläubigerschutz gestellt, um sich in Ruhe sanieren zu können. Hanjin hat bis 25. November Zeit, einen Sanierungsplan vorzulegen – das ist der Black Friday. Ein Gericht wird dann über die Zukunft der Reederei entscheiden.
Unterdessen wird versucht, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten soweit es geht. Vereinzelt können Hanjin-Schiffe mit Sondergenehmigung doch ihre Fracht löschen – in New Jersey und Long Beach in den USA etwa oder in Singapur. Und Hanjins Mutterkonzern hat einen Unterstützungsfonds mit 100 Milliarden Won (87 Millionen Franken) aufgelegt; nach langem Zögern gab Grossaktionär Korean Air am Mittwochabend seinen Anteil von 60 Milliarden Won (52 Millionen Franken) frei.
Ein Tropfen auf den heissen Stein bei 5,2 Milliarden Franken im Minus. Der Hafen von Rotterdam hat schon fast resigniert: «Bei den Schulden ist es sehr unwahrscheinlich, dass wir je unser Geld sehen werden», sagt Sprecher Sjaak Poppe. (wst/sda/afp)