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Liebe Kubaner, wünscht euch jetzt kein Happy Meal!

Kubaner feiern das diplomatische Tauwetter.
Kubaner feiern das diplomatische Tauwetter.Bild: EPA/EFE

Liebe Kubaner, wünscht euch jetzt kein Happy Meal!

Das diplomatische Tauwetter lockert womöglich das unselige US-Wirtschaftsembargo. Dann gingen die Läden wieder auf – und genau davor werden Kubaner jetzt schon wieder gewarnt.
21.07.2015, 06:1521.07.2015, 10:00
Max Dohner / Aargauer Zeitung
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Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Der Hinweis auf Übersättigung macht die beiden staubig. Der Hinweis kommt vom Europäer. Die anderen sind Journalisten in Kuba, Gründer der ersten regimekritischen Internetzeitung des Landes. «Bei uns geigt jeder frei seine Meinung», doziert der Europäer, «wann er will, wo er will – im Netz, also überall. Und keiner kräht danach. Ihr hingegen bloggt einen Satz, und gleich wird der Staat nervös. Famos! Ihr findet Beachtung weit über euer Land hinaus.» Ist das so kreuzfalsch? Hat der Mann etwa nicht recht?

Yoani Sànchez und Reinaldo Escobar.
Yoani Sànchez und Reinaldo Escobar.Bild: DESMOND BOYLAN/REUTERS

Nein. Der Ärger der beiden Blogger ist berechtigt. Sie heissen Yoani Sánchez und Reinaldo Escobar (ihr Mann). Yoani ist mittlerweile weltberühmt. Sie hatte im Internet illegal eine Art Tagebuch zu schreiben begonnen. Sie schilderte einfach das, was einer jungen Mutter mit wachem Geist in Havanna widerfährt – und widerstrebt. Yoani war mutig genug, das nach eigener Fasson elegant und stilsicher zu formulieren. Es genügte, um von Staats wegen mit altem Starrsinn darauf zu reagieren. Die Bloggerin wurde als «Söldnerin» im Dienst des Feindes hingestellt. Erst nachdem das Regime die Reisebeschränkungen gelockert hatte, nahm auch die Bewegungsfreiheit der beiden stark zu.

«Wir wollen mal Velo fahren»

Aber zurück zum Thema: Soll man Kubaner gönnerhaft belehren, wie sie mit Freiheit umzugehen haben? Mit Medienüberreizung? Westlichem Konsum? Die Frage stellt sich vor allem jetzt, da zwischen Kuba und den USA Tauwetter einsetzt. Womit ein Ende der unseligen Wirtschafts-Blockade näher rückt. 

Kuba
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«Tut um Gotteswillen alles, um kein zweites Miami zu werden!»

Was in der Folge die Sorge nährt, das «konsum-naive» Kuba werde von einem Trash-Schwall erfasst und untergehen. In einer Entwertungswoge aus Starbucks-Kaffee, Castings im Privat-TV und McDonald’s-Happy-Meals. In den düstersten Farben wird das an die Wand gemalt, gipfelnd im mahnenden Satz: «Tut um Gotteswillen alles, um kein zweites Miami zu werden!»

Kuba-USA: 54 Jahre Feindschaft

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Kuba-USA: 54 Jahre Feindschaft
Nach Jahrzehnten der Feindschaft haben die USA und Kuba ihre diplomatischen Beziehungen offiziell wieder aufgenommen. Die Krise begann am Neujahrstag 1959, als kubanische Revolutionäre unter Führung von Fidel Castro in Havanna einmarschierten. Sie vertrieben den USA-freundlichen Diktator Fulgencio Batista.
quelle: x00660 / â© reuters photographer / reuter
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USA – Kuba: Der Vergleich

USA
Bevölkerung: 318 Mio.
Bevölkerungsdichte 34,6/km2
Stimmrechtsalter: 18
Parlamentssitze Frauen: 22 %
Wachstumsrate: 2,22 %
BIP pro Kopf: 53,04 $
Arbeitslosenrate: 7,4 %
Urbane Bevölkerung: 81,3 %
Netto-Migration: +5 Mio.
Geburtsrate: 12,5 pro 1000 Einwohner

Kuba
Bevölkerung: 11,3 Mio.
Bevölkerungsdichte: 100,7/km2
Stimmrechtsalter: 16
Parlamentssitze Frauen: 45 %
Wachstumsrate: 2,71 %
BIP pro Kopf: 6,05 $
Arbeitslosenrate: 3,2 %
Urbane Bevölkerung: 76,9 %
Netto-Migration: -140’000
Geburtsrate: 9,5 pro 1000 Einwohner

In anderen Worten: Es sind die neuen Möglichkeiten, die Kubaner fiebrig machen, egal ob vermeintliche Möglichkeiten oder nicht. Was gut sei und was schlecht, wurde ihnen lang genug vorgekaut. Wenn in der «Nordwestschweiz» gestern ein Kubaner zitiert wird mit den fröhlich besinnungslosen Worten: «Wir wollen mehr Internet, mehr Smartphones, mehr geile Klamotten!», dann schüttelt der fromme Revolutionspilger natürlich gramvoll den Kopf. Und die Esel von der Warenbörse glauben wieder mal, sie hätten gesiegt.

Jetzt auf
Die Aussenminister Bruno Rodriguez und John Kerry.
Die Aussenminister Bruno Rodriguez und John Kerry.Bild: MICHAEL REYNOLDS/EPA/KEYSTONE

Jurassic Park oder Gotham

In Zürich und Basel, in Suhr und Sursee prallt der Bekümmerte mit jedem Schritt an einen McDonald’s. Aber vom Kubaner erwartet er jetzt, am Scheideweg zwischen Fidels Jurassic Park und Uncle Sam’s Shopping-Gotham, mehr politische Reife und Kultur. Mehr Unschuld, mehr Utopie. Wie Griechenland in den letzten Tagen, muss Kuba fast im Alleingang solche Hoffnungen tragen. Gefragt, ob sie das wollen, wurden Kubaner auf faire Weise bis heute nicht. 

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quelle: getty images south america / chip somodevilla
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