Eine soziologische Studie kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands brachte Erstaunliches zutage. Demnach erlebten Frauen in der DDR doppelt so häufig einen Orgasmus wie Frauen aus Westdeutschland.
Auf der Grundlage dieser vergleichenden Studie stellte die US-amerikanische Professorin Kristen Ghodsee nun folgende These auf: Frauen in kommunistischen Staaten hatten das befriedigendere Sexualleben.
Warum dies so sein soll, begründete Ghodsee in einem Essay in der New York Times, das der Tages-Anzeiger aufgenommen hat.
Ghodsee führt das grössere sexuelle Vergnügen der ostdeutschen Frauen auf ökonomische Faktoren zurück. Sprich: DDR-Frauen hatten schlicht weniger Stress. Denn anders als in der BRD mussten sie nicht fürchten, wegen einer Schwangerschaft den Job zu verlieren.
Im Gegenteil: Viele sozialistische Länder stellten alleinerziehenden Müttern, Geschiedenen und Witwen zusätzliche Ressourcen zur Verfügung. Die US-Professorin schreibt: «Das reduzierte die sozialen Kosten einer ungewollten Schwangerschaft und hat die Opportunitätskosten gesenkt, wenn man Mutter wurde.»
Eine stärkere Gleichberechtigung war Teil des sozialistischen Programms. Dazu gehörte das Recht sich scheiden zu lassen oder auch die Möglichkeit abtreiben zu können.
Damit konnten sich die Frauen im Osten ein freieres Sexualleben leisten als die Frauen im Westen.
«Nach meiner Scheidung hatte ich noch immer einen Job und meinen Lohn und ich habe keinen Mann gebraucht, der mich unterstützte. Ich konnte tun, was mir gefiel», zitiert Ghodsee eine bulgarische Zeitzeugin.
Diese zieht den Vergleich zu ihrer Tochter heute – und deren Sexualleben. «Wenn sie nach der Arbeit nach Hause kommt, ist sie zu müde, um noch viel mit ihrem Mann zu machen. Sie sitzen wie Zombies vor dem Fernseher. Als ich in ihrem Alter war, hatte ich viel mehr Spass.» (fvo)