International

Türkei verbietet Ausgabe des Polit-Magazins «Nokta» wegen «Beleidigung des Präsidenten» 

Türkei verbietet Ausgabe des Polit-Magazins «Nokta» wegen «Beleidigung des Präsidenten» 

14.09.2015, 14:2114.09.2015, 14:41
Mehr «International»

In der Türkei hat die Polizei am Montag die Verbreitung eines politischen Magazins verhindert. Das Titelblatt der neuen Ausgabe der «Nokta» enthielt scharfe Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Die Vorwürfe gegen sein Magazin «Nokta» lauteten auf Beleidigung des Präsidenten und auf Propaganda für eine Terrororganisation, sagte Chefredakteur Cevheri Güven am Montag.

«Nokta» veröffentlichte das beanstandete Titelbild im Internet. In einer Fotomontage zeigt es Erdogan, der vor dem Sarg eines toten türkischen Soldaten ein Selfie macht. Von den Behörden lag zunächst keine Stellungnahme vor.

Zensierte «Nokta»-Ausgabe mit Erdogan-Montage vor dem Sarg von Okan Tasan.
Zensierte «Nokta»-Ausgabe mit Erdogan-Montage vor dem Sarg von Okan Tasan.

Erdogan duldet keine Kritik

«Nokta» verbreitete per Twitter die schriftliche Anordnung der Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung der Redaktionsräume und zum Einzug bereits ausgelieferter Exemplare des Magazins durch die Polizei. Der Vorwurf der Terror-Unterstützung sei dem Schreiben handschriftlich beigefügt worden, erklärte Chefredakteur Güven.

In einer Stellungnahme räumte «Nokta» ein, das Titelbild erscheine möglicherweise überzogen hart und sogar «gnadenlos». Das sei aber kein Verbrechen. «Nokta» bilde lediglich einen in der Öffentlichkeit weit verbreiteten Eindruck ab.

Das kritisierte Titelbild ist eine Anspielung auf den von der Opposition erhobenen Vorwurf, Erdogan habe die jüngste Eskalation zwischen den türkischen Sicherheitskräften und kurdischen Rebellen angefacht, um seiner Partei AKP bei den anstehenden Wahlen am 1. November nationalistische Wähler zuzutreiben.

«Toleranz ist eine schwierige Kunst»

Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) machte die Polizeiaktion zum Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage. Sie will von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu unter anderem wissen, ob der Einsatz gegen «Nokta» politisch motiviert war.

Der Chefredakteur der Oppositionszeitung «Cumhuriyet», Can Dündar, verwies darauf, dass «Nokta» schon in der Vergangenheit mit äusserst kritischen Titelbildern auf den Markt gekommen sei, ohne dass dies die Polizei auf den Plan gerufen habe. «Toleranz ist eine schwierige Kunst», schrieb Dündar auf Twitter.

Der Hintergrund: Am 10. September wurde in Ankara unter grosser öffentlicher Anteilnahme Sergeant Okan Tasan zu Grabe getragen. Der Soldat war in der aktuellen Offensive gegen die Kurden gefallen.
Der Hintergrund: Am 10. September wurde in Ankara unter grosser öffentlicher Anteilnahme Sergeant Okan Tasan zu Grabe getragen. Der Soldat war in der aktuellen Offensive gegen die Kurden gefallen.
Bild: UMIT BEKTAS/REUTERS

Kritiker werfen Erdogan vor, die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei immer weiter einzuschränken. Der Präsident geht persönlich mit Strafanzeigen gegen angebliche beleidigende oder staatsfeindliche Äusserungen von Bürgern und Journalisten vor.

Gegen «Cumhuriyet»-Chefredakteur Dündar läuft ein von Erdogan angestrengter Prozess, der dem Journalisten lebenslange Haft einbringen könnte.

Das Magazin «Nokta» war im Jahr 2007 verboten worden, weil es über angebliche Putschpläne der Militärs berichtet hatte. Es erscheint erst sein wenigen Monaten wieder.

(sda/afp)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
3 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
3
TikTok-Gesetz vom US-Senat gebilligt – Eigentümer soll wechseln

Das US-Gesetz, das einen Eigentümerwechsel bei der Kurzvideo-App TikTok erzwingen soll, hat auch den Senat als zweite Kongresskammer passiert. Damit kommt es nun auf den Tisch von Präsident Joe Biden, der bereits ankündigt hat, dass er es unterschreiben wird. Der in China ansässige Bytedance-Konzern hätte danach maximal ein Jahr Zeit, sich von TikTok zu trennen. Ansonsten soll die App aus amerikanischen App-Stores verbannt werden. Das Gesetz wurde vom Senat in der Nacht zum Mittwoch mit einer grossen Mehrheit von 79 zu 18 Stimmen angenommen.

Zur Story