Der Mann ist Mönch im Namen Buddhas, er trägt ein freundliches Lächeln auf den Lippen, und für seine 49 Jahre hat er auch noch ein ziemliches Knabengesicht. Aber von all dem sollte man sich nicht täuschen lassen. Ashin Wirathu gehört zu den schlimmsten Hasspredigern, die der Buddhismus hervorgebracht hat.
Der Mönch aus Mandalay, Myanmars zweitgrösste Stadt, wird für viele der Gräueltaten mitverantwortlich gemacht, die in dem südostasiatischen Staat gerade an Muslimen begangen werden.
Aus seinem Kloster Masoeyin führt Wirathu seit Jahren gegen den Islam einen Krieg mit Worten der bösesten Art. In seinen Predigten fordert er regelmässig, alle Muslime aus dem ehemaligen Birma zu vertreiben. Längst nutzt Wirathu auch das Internet für seine Propaganda. Auf Facebook hat er inzwischen mehr als 400'000 Follower. Auch auf Twitter und YouTube ist er aktiv.
Überall die gleiche Leier: Der Islam sei böse, Muslime mordeten und vergewaltigten buddhistische Frauen, sie bekämen zu viele Kinder, sie wollten Myanmar, das ehemalige Birma, islamisieren.
Das US-Nachrichtenmagazin «Time» hob Wirathu deshalb schon 2013 auf ihren Titel. Schlagzeile dazu: «Das Gesicht des buddhistischen Terrors». Andere nennen ihn «Birmas Bin Laden» («The Guardian») oder sogar «Buddhas Bin Laden» («Spiegel»). Dass er als Buddhist ausgerechnet mit dem Gründer eines islamistischen Terror-Netzwerks in eine Reihe gestellt wird, regt Wirathu nicht einmal besonders auf.
Wenn der Mönch in Mandalay wieder einmal ausländische Journalisten empfängt – was er häufig macht –, entgegnet er mit sanfter Stimme: «Ich verteidige nur meine Liebsten. Ich warne die Leute vor Muslimen. Wie ein Hund, der bellen würde, wenn sich Fremde ihrem Haus nähern. Ich bin wie ein Hund. Ich belle.» Tiervergleiche mag der Mann im orangefarbenen Gewand sehr.
In Wahrheit macht Wirathu aber viel mehr. Zur islamfeindlichen Stimmung, die in dem mehrheitlich buddhistischen Land jetzt schon zur Vertreibung von 400'000 Muslimen der Rohingya-Minderheit geführt hat, trug er erheblich bei.
Er predigt Sätze wie: «Muslime sind wie afrikanische Karpfen. Sie vermehren sich schnell, sind sehr gewalttätig und fressen sich gegenseitig.» Erst vor ein paar Tagen beschrieb er Rohingya als «Tiere, die mit dem Hintern fressen».
Mönch wurde Wirathu schon mit 14 Jahren, gleich nach der Schule. 2001 trat er der nationalistischen Bewegung 969 bei, die muslimische Geschäfte boykottieren und religionsübergreifende Ehen verbieten lassen will. Zwei Jahre später, noch zur Zeit der Militärdiktatur, wurde er nach gewalttätigen Ausschreitungen gegen Muslime zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. 2010 kam er durch eine Amnestie frei.
Seither macht er sich als Hassprediger einen Namen. Im Gespräch mit «Time» behauptete er, 90 Prozent von Myanmars Muslimen seien «radikale, böse Leute». «Meine Religion und meine Rasse zu beschützen ist wichtiger als Demokratie.»
Die Hetze verbreitet er auch über eine nationalistisch-buddhistische «Vereinigung zum Schutz von Rasse und Religion», bekannt unter der Abkürzung Ma Ba Tha. Angeblich hat die Gruppe die Unterstützung von einflussreichen Militärs.
Mit Buddhas Lehren von Offenheit und Toleranz hat das alles nichts zu tun. Im Vergleich mit anderen Weltreligionen galt der Buddhismus bislang als Glaube, der für extremistische Positionen weniger anfällig ist.
Bekanntestes Foto eines buddhistischen Mönchs ist vermutlich immer noch das Bild von Thich Quang Duc, der sich 1963 in Vietnam selbst verbrannte, um gegen Unterdrückung zu protestieren. In Myanmar reihten sich Mönche 2007 in Proteste gegen das Militär ein.
Wegen der jetzigen Bilder sorgen sich viele Buddhisten nun aber um den Ruf ihrer Religion. Der Dalai Lama, der sich gerade wieder einmal in Deutschland aufhält, hielt mit seiner Meinung über das Geschehen in Myanmar auch nicht hinter dem Berg. «Die Menschen, die Muslime schikanieren, sollten an Buddha denken», mahnte er. «In einer solchen Lage hätte Buddha diesen armen Muslimen definitiv geholfen.»
Hast du den Überblick verloren? Hier 4 wichtige Fragen und Antworten zu den Rohingya:
Mit rund einer Million Angehörigen sind die Rohingya die grösste staatenlose Bevölkerungsgruppe der Welt und gehören zu den am stärksten verfolgten Minderheiten weltweit. Sie sprechen einen Dialekt, der dem in Chittagong im Südosten Bangladeschs ähnelt und sind sunnitische Muslime.
Im zu mehr als 90 Prozent von Buddhisten bevölkerten Myanmar werden die Rohingya als illegale Einwanderer angesehen und als «Bengalen» bezeichnet – obwohl viele von ihnen seit Generationen im Land leben. Die meisten leben im armen westlichen Bundesstaat Rakhine. Ihnen wird die myanmarische Staatsangehörigkeit verweigert, ihr Recht auf Berufswahl und die Wahl des Wohnortes ist beschränkt.
Im Jahr 2012 gab es erstmals eine Welle der Gewalt zwischen Rohingya und Buddhisten in Myanmar, mehr als hundert Menschen wurden getötet. In den darauf folgenden fünf Jahren flohen mehr als 120'000 Rohingya nach Bangladesch und in andere Länder in Südostasien – viele nahmen dafür gefährliche Reisen in wackligen Booten auf sich.
Im vergangenen Oktober verübte dann eine bis dahin unbekannte Rebellengruppe – die Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) – eine Reihe koordinierter tödlicher Angriffe auf Soldaten. Myanmars Armee reagierte mit einem massiven Einsatz. Rund 87'000 Rohingya flohen nach Bangladesch, viele berichteten von Mord, Vergewaltigung und niedergebrannten Dörfern.
In den folgenden Monaten beruhigte sich die Lage etwas. Zivilisten zufolge war die Bevölkerung jedoch weiterhin «Säuberungseinsätzen» der Armee auf der einen und einer Mord-Kampagne der Rebellen auf der anderen Seite ausgesetzt, die demnach systematisch mutmassliche «Kollaborateure» umbringen.
Am 25. August starteten die Rebellen erneut Angriffe auf Armee und Polizeiposten, dutzende Sicherheitskräfte wurden getötet. Bei Kämpfen wurden seither mehr als hundert Menschen getötet, hunderttausende ergriffen die Flucht.
Ursprünglich nannten sie sich Harakah al-Jakin (Die Glaubensbewegung). Ihr Kommandant Ata Ulla nutzte die Rhetorik von internationalen Dschihadistenbewegungen. Die Gruppe soll von einer Gruppe wohlhabender Rohingya-Emigranten in Saudi-Arabien gesteuert werden.
Berichten zufolge wurde Ata Ulla als Kind einer Rohingya-Familie im pakistanischen Karachi geboren und wuchs in Mekka auf. Seine Bewegung gründete sich nach der Gewaltwelle von 2012 und gewann in den folgenden Jahren an Zulauf.
In jüngster Zeit gibt sich die Gruppe weniger islamistisch und änderte ihren Namen in Arakan Rohingya Salvation Army. Ihre Bewaffnung ist eher schwach, die Angriffe vom vergangenen Oktober wurden zum grossen Teil mit Schwertern, Stöcken und wenigen, zum Teil selbst gebauten Schusswaffen verübt.
Nach eigenen Angaben will die Gruppe die Rohingya in Myanmar schützen, die myanmarischen Behörden stufen sie dagegen als «extremistische Terroristen» ein.
Die Friedensnobelpreisträgerin, die das Land faktisch regiert, wird wegen ihrer Haltung zu den Rohingya international kritisiert. Ihre Regierung wies Vorwürfe von Menschenrechtsvergehen zurück und verweigerte UNO-Vertretern, die die Vorwürfe untersuchen wollten, die Einreise.
Suu Kyi selbst sprach von «Fehlinformationen» und warf dem Ausland vor, mit seiner Unterstützung für die Rohingya den «Interessen von Terroristen» zu dienen. Eine Online-Petition fordert, Suu Kyi wegen der Unterdrückung der Rohingya den 1991 verliehenen Friedensnobelpreis abzuerkennen. (cma/sda/afp)