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Kunst

Interview mit Zeichner Ralf König, der Freude an Pornos hat

«Gottes Werk und Königs Beitrag» hiess 2011 Ralf Königs Ausstellung im Cartoon-Museum Basel.
«Gottes Werk und Königs Beitrag» hiess 2011 Ralf Königs Ausstellung im Cartoon-Museum Basel.Bild: KEYSTONE
Interview

«Nächste Frage, ich erigiere!» Der Zeichner Ralf König hat Freude an Pornos

Seine Schwulen-Comics gehören zum Inventar jedes WG-WCs. Er selbst ist eine Legende. Jetzt kommt er nach Zürich. Freizügiger als je zuvor. Mit uns redet er über Sexfilme – und Reizworte wie Facebook, AfD und Charlie Hebdo.
08.07.2016, 13:2710.07.2016, 14:24
Simone Meier
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Lieber Ralf König, bitte, beseitigen Sie doch ein für alle Mal unsere kulturpessimistische Sicht auf Pornos. Pornos sind super, weil ...
... man es sich dabei solo richtig gut gehen lassen kann. Natürlich auch zu zweit oder dritt, aber die meisten gucken den Stoff wohl allein. Man schaltet ab, es ist wie Kurzurlaub. Ich finde, Pornogenuss ist eine eigene Kategorie der Befriedigung und nicht zwingend «Ersatz» für irgendwas.

Sie selbst stiessen als zarter Knabe auf die Pornosammlung Ihres Vaters. Könnten Sie uns diesen beglückenden Moment etwas näher bringen?
Beglückend war das zuerst nicht, eher verstörend, dieser gigantische Penis in dem Mund. Ich war gerade elf und hatte so was nie gesehen. Aber die Irritation war dann schnell perdü und ich fand’s strunzgeil.

Und die Technik?
Das waren dänische Super-8 Filmchen, und ich musste lernen, mit dem Filmprojektor umzugehen. Als Leinwand diente die Blümchentapete, es waren die 70er, aber dazu musste ich erst den gekreuzigten Heiland abnehmen. Da war mir erst etwas mulmig. Aber es passierte nichts, kein Blitz vom Himmel. Da hatte sich das mit Gott gleich miterledigt.

Legendär! 

Nein, das ist kein Uraltporno, das ist der splitternackte Til Schweiger in der Ralf-König-Verfilmung «Der bewegte Mann».
Nein, das ist kein Uraltporno, das ist der splitternackte Til Schweiger in der Ralf-König-Verfilmung «Der bewegte Mann».bild: neue constantin film

Söhne entdecken also die Pornofilme ihrer Väter. Bei Ihnen zuhause und in Ihrer Graphic Novel «Pornstory» gleich mehrfach. Ist das der Lauf einer ganz normalen Familiengeschichte?
Sofern Pornos im Haus sind, entdecken Kinder die meistens auch. Und heute müssen die Kids nicht mal heimlich in verbotenen Schränken wühlen. Ich finde, im Internet gibt’s viel zu viel zu leicht und umsonst, das Herzklopfen damals beim verbotenen Öffnen des Schränkchens möchte ich nicht missen.

Stört Sie eigentlich die Anwesenheit von Frauen in Pornos?
Nein, überhaupt nicht! Ich kenne Schwule, die kriegen beim Anblick weiblicher Nacktheit gleich Pusteln. Vielleicht hat mich das mit den Heteropornos damals geprägt, ich war ja immer schwul und fand schon in den 70er-Jahre-Pornos die Männer geiler.

Was ist Ihr liebster Porno und warum?
Also. Da schlüpft dieser südländische, schwarzbärtige Typ morgens ins Bett zu diesem noch schlafenden, strunzgeil behaarten ... und der wiederum setzt sich später mit seinem verboten geilen Arsch voll auf ... *hüstel*. Nächste Frage, ich erigiere.

Ein Buch des Kolumnisten Max Goldt heisst «Mein äusserst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz». Haben Sie auch irgendeine libidinöse Verbindung zu uns?
Da war ein kleiner sexy Schweizer Motorradfahrer namens Stoni, der mich öfter besuchte. Und einmal lief das «Kondom des Grauens» als Puppentheater in Zürich und war wochenlang ausverkauft. Ich erhielt eine Einladung zu einer dreitägigen wunderbaren Berg- und Seentour mit einem Zürcher Comicfan. Diese strotzgesunden Kühe und fetten Butterblumen gibt es ja wirklich!

Ein Stück König made in Switzerland

Das, naja, «Fleisch» fressende Kondom in der Ralf-König-Verfilmung «Kondom des Grauens» stammt von H.R. Giger himself.
Das, naja, «Fleisch» fressende Kondom in der Ralf-König-Verfilmung «Kondom des Grauens» stammt von H.R. Giger himself.bild: ascot film

Sie haben klare Grenzen, was das Verfallsdatum von Pornodarstellern angeht, Sie schauen sich keinen über 45 an. Aber im richtigen Leben sind Sie schon toleranter, oder?
Hab ich das mal gesagt? Naja, leider find ich Altwerden nicht sehr sexy, und 45 war das Alter, an dem ich bei mir selber merkte, dass sich was verändert. Aber ich bin froh, dass ich den Grenzwert relativ hoch ansetze, manchem ist ja 30 schon zu alt.

«Pornstory» erzählt die Geschichte der Pornografie von Super 8 bis Xtube. Aber ausser den technischen Möglichkeiten scheint sich da nichts weiter zu entwickeln. Die Frauenfeindlichkeit bleibt. Wollten Sie einen feministischen Comic zeichnen?
Nein, ich wollte sogar möglichst neutral bleiben. Vielleicht konnte so eine Geschichte nur ich erzählen, als schwuler Mann bin ich da ein bisschen dazwischen. Ich verstehe die Männer gut, die Pornogucken geil finden, und Frauen, die das Frauenbild in Heteropornos abstösst. Ich glaube, die Verschiedenheit der Geschlechter zeigt sich in kaum etwas so klar wie in der Pornografie.

«Pornstory» ist nicht bloss ein Ralf König, es ist auch ein Nicolas Mahler. Er hat mit seinen fast abstrakten Strichmännchen die Pornofilm-Sequenzen gezeichnet. Was war Ihre Absicht?
Ich dachte, wenn ich die Pornosequenzen zeichne, wird das zu realistisch, trotz Knollennasen. Davor scheue ich mich normalerweise nicht, aber speziell in dieser Geschichte fand ich’s ungünstig, ich wollte, dass der Porno eine Art Fremdkörper bleibt, der eigentlich nicht zum üblichen heterosexuellen Alltag passt und dann umso mehr Verstörung hervorruft.

Und wie hat diese Zusammenarbeit ausgesehen?
Ich hab Nicolas 80er-Jahre Videos zugeschickt mit bescheuerten Originaldialogen, die man sich selbst gar nicht ausdenken kann! Das war seine Bedingung, der Text musste echt sein. Und da hatte ich zum Beispiel «Nasenanal» anzubieten, einen realen Dialog-Klassiker reinster Blödheit.

Sie beschäftigen sich ja nicht nur mit Sex, sondern auch mit Religion, sei das in «Prototyp» (die Schöpfungsgeschichte) oder in «Dschinn Dschinn» (Islamismus). Was hat Ihnen im Lauf Ihrer Karriere mehr Ärger eingebracht: Sex oder Religion?
Och, können wir nicht weiter über Pornos reden statt über Gott? Ist viel erfreulicher.

Nein!
Gut: Zu Anfang meiner Karriere in den 80ern, 90ern gab es noch kein Internet. Und wie entspannt das war! Keine Kommentarleisten, kein dummes Meinungs-Gegeifer, kein Shitstorm. Es gab Mitte der 90er mal diesen Versuch, meine Comics als pornografisch zu indizieren, aber die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdung hat die Knollennasen zur Kunst erklärt.

Und wann kam Gott?
Mit Religion sorgte ich erst 2007 in «Prototyp» für Aufregung, meine Schöpfungsgeschichte lief damals als Fortsetzungs-Strip in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Da gab's viel Empörung und wütende Abo-Kündigungen. Heute kann ich so dicke Pimmel zeichnen, dass die Sprechblase platzt, das regt kaum noch jemanden auf. Das neue Tabu ist Gott.

Ein König im Paradies

Bilder wie dieses aus dem Schöpfungsepos «Prototyp» galten 2007 als Tabubruch.
Bilder wie dieses aus dem Schöpfungsepos «Prototyp» galten 2007 als Tabubruch.Bild: KEYSTONE

Haben Sie seit «Charlie Hebdo» das Gefühl, Selbstzensur üben zu müssen? Hat sich Ihre Selbstwahrnehmung als Zeichner verändert?
Ich war nach dem Massaker bei «Charlie Hebdo» erst erschrocken, dann angewidert und dann depressiv, weil ich im Winter ohnehin nicht die stabilste Gemütslage habe. Mit dem Thema Religion war ich aber zu dem Zeitpunkt schon durch, es fing an, mich zu langweilen. Ich war zwar von Haus aus katholisch, aber nie gläubig, so wichtig war es mir auch wieder nicht. Und nun kommt der Islam daher und fordert Respekt vor seinem Gott ein.

Das klingt schon fast trotzig abgeklärt.
Ich bin verstört, wie alle anderen auch. Es werden derzeit viele Cartoons nicht gezeichnet, Bücher nicht geschrieben und Filme nicht gedreht.

Sind Sie jetzt zahmer? Oder zorniger?
Weder noch, ich hab nur keine Lust, den Propheten zu zeichnen, weil ich erstens nicht von irgendeinem bärtigen Idioten gekillt werden will und zweitens ohnehin keine Lust habe, den Propheten zu zeichnen. Im Gegensatz zum katholischen Gott, den sie mir als Kind reingedrückt haben, ist mir der Islam fremd und gleichgültig. Und wegen dem Stress in der Welt auch nicht sympathisch. Ohne eingebildete Götter ginge es den Menschen besser.

Sie sind ein Facebook-Held. Und möchten dennoch gerne kotzen über die Bigotterie eines Mediums, das Nacktheit verbietet, aber Rechtsradikalismus erlaubt. Gehen die sozialen Medien gerade in eine ganz falsche Richtung?
Ich, ein Facebook-Held? Als Privatperson hätte ich da sicher kein Profil. Aber man muss Lesungen und neue Bücher bekannt machen, leider sind auch bei mir die fetten 90er vorbei. Ich misstraue dem Internet und der ganzen Technik sehr! Die Welt wäre nicht nur ohne Gott besser dran, sondern auch ohne Google, Amazon und Facebook. Wir sind jetzt schon am Nasenring von Apple und drücken als politischen Akt nur noch auf die Like-Taste. Wie wird das erst für kommende Generationen sein, die das gar nicht mehr in Frage stellen?

Verhält sich Facebook mit seiner Prüderie nicht auffallend wie eine Kirche?
Da kommt die bigotte, amerikanische Verklemmtheit zu uns wie im Trojanischen Pferd.

Apropos verklemmt: Die AfD ist auch nicht gerade homofreundlich. Haben Sie Angst vor dem, was da noch auf Deutschland zukommen könnte?
Ich bin seit etwa zehn Jahren knietief in der Midlifecrisis, aber einen Vorteil hat das Ältersein doch: Ich bekomme davon hoffentlich nicht mehr das meiste mit. Ich hatte eine coole Jugend in den 70ern und Sex & Drugs & Rock'n'Roll in den 80ern und 90ern, und immer ging’s aufwärts mit der Toleranz in der Gesellschaft. Mal über die Grenzen geguckt, leben wir auf einer Insel der Freiheit. Die Welt tickt aber grösstenteils anders und dass Dummheit und Hass wieder im Übermass zu uns rüber schwappen könnten, ist beklemmend.

Vielleicht würde ein lustiger Lesbencomic mit Frauke Petry und Beatrix von Storch für etwas Entspannung sorgen?
Was mit Lesben möchte ich gern mal zeichnen, aber selbst die schlechtest gelaunte Kampflesbe gibt mehr her als diese kalt lächelnde Petry und die vorsintflutliche Storch.

Ralf König kommt nach Zürich
Am 14. Juli tritt Ralf König im Rahmen des «Openair Literatur Festivals» mit einer Dia-Lesung aus «Pornstory» in Zürich auf. Die Graphic Novel erzählt restlos alles über Pornofilme von Dolly Buster bis James Deen, von den 70ern bis heute und von Einfluss des Pornokonsums auf allerlei Beziehungsleben. Bei schönem Wetter um 21.30 Uhr im Alten Botanischen Garten, bei unsicherer Witterung um 20 Uhr im Kaufleuten. Wer sich nicht vorstellen kann, wie das funktioniert: voilà.

«Pornstory» von Ralf König mit «sozialethisch desorientierenden Abbildungen von Mahler» ist 160 Seiten dick und kostet 27 Franken.
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Bild: rowohlt
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Der Protest der Karikaturisten nach dem Anschlag auf «Charlie Hebdo»

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2 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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pamayer
08.07.2016 23:10registriert Januar 2016
Ralf könig. Kult pur und etwas vom besten in der comic szene.
Und die Verfilmung des kondom des grauens ist trash erster Güte.
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