Trotz der fortdauernden Offensive der ISIS-Miliz hat Iraks Regierungschef Nuri al-Maliki internationale Forderungen nach der Bildung einer Einheitsregierung zurückgewiesen. Der Ruf nach einer «nationalen Notstandsregierung» sei ein «Putsch gegen die Verfassung».
Al-Maliki sagte am Mittwoch in einer vom Fernsehen übertragenen Rede weiter, hinter den Forderungen nach einer der Krise geschuldeten Einheitsregierung stünden «gefährliche Ziele». Damit sollten «der junge demokratische Prozess» im Irak zerstört und «die Stimmen der Wähler gestohlen» werden.
Al-Malikis Bündnis hatte bei der Parlamentswahl am 30. April bei weitem die meisten Stimmen auf sich vereinigen können. Seither schaffte der schiitische Politiker es aber nicht, eine neue Regierung zu bilden, weil er dabei auf die Zusammenarbeit mit Konkurrenten angewiesen ist.
Inzwischen steht al-Maliki auch international – US-Aussenminister John Kerry reiste in den Irak – unter Druck, unter Einbindung aller wichtigen politischen Gruppen eine Einheitsregierung zu bilden, um der Lage wieder Herr zu werden. Neben den Sunniten sind dies vor allem die Kurden, die das Chaos in einigen Gegenden nutzten, um selbst die Kontrolle zu übernehmen.
Im Irak sind seit Beginn der Offensive der Islamisten vor gut zwei Wochen nach Angaben der UNO etwa 900 Zivilisten getötet worden. «Es ist extrem schwierig, aus den umkämpften Gebieten zuverlässige Informationen zu bekommen. Aber wir müssen von mindestens 900 getöteten und 650 verletzten Zivilisten seit dem 5. Juni ausgehen», sagte der UNP-Sondergesandte Nikolaj Mladenow am Mittwoch per Videoschaltung aus Bagdad in New York.
Insgesamt gehe er von 1300 Toten und fast ebenso vielen Verletzten aus. Er sagte, das «Problem muss militärisch angegangen werden».
Der Vormarsch der ISIS-Miliz im Irak hat nach Schätzungen der UNO allein während der letzten Tage eine halbe Million Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Die Exekutivdirektorin des UNO-Welternährungsprogramms, Ertharin Cousin, erklärte am Mittwoch nach einer zweitägigen Reise ins Krisengebiet, viele lebten unter schwersten Bedingungen und humanitäre Helfer könnten sie kaum erreichen.
Derweil nahmen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Washington die ersten US-Militärberater ihre Arbeit im Irak auf. Sie sollen der Regierung in Bagdad im Kampf gegen die Dschihadisten Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIS) zur Seite stehen. (rar/sda/reu/dpa/afp)