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Die unlustigen Spassvögel dürfen die Islam-Debatte nicht länger dominieren

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Die unlustigen Spassvögel dürfen die Islam-Debatte nicht länger dominieren

Der Islamische Zentralrat repräsentiert nicht die Muslime in der Schweiz, die «Weltwoche» nicht die Schweizer Restbevölkerung. Aber ihre Spassvögel haben die Lufthoheit über die Stammtische erlangt. 
08.12.2014, 14:0609.12.2014, 11:01
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Es ist Sonntag in Flums und Arben Sulejmani steht mit ratlosem Gesicht vor dem angesengten Gemeinschaftsraum seines Islamisch-Albanischen Kulturvereins. Zwei Polizisten notieren die Kennzeichen aller Autos, die vorfahren. 

In der Nacht haben Unbekannte die Scheibe der Eingangstür eingeschlagen und Brandsätze in das Lokal geworfen. Mehr weiss man nicht, und sowohl der Gemeindepräsident Christoph Gull als auch Sulejmani sagen das den Medienschaffenden vor Ort. Sulejmani geht nicht von einem religiös motivierten Anschlag aus, sondern von einem Nachtbubenstreich.  

Dann folgt der skurrile Auftritt von Nicolas Blancho und Patric Illi. Der Präsident des Islamischen Zentralrats und sein Sprecher rauschen mit mehreren Autos und einer 20-köpfigen Entourage von Begleitern mit bösem Blick, ihren Frauen und kleinen Kindern an. Dann besichtigt Blancho – die Anweisungen der Fotografen befolgend – rasch den Schaden und macht ein betretenes Gesicht. 

Blancho und Illi im zerstörten Lokal des Islamisch-Albanischen Kulturvereins in Flums. 
Blancho und Illi im zerstörten Lokal des Islamisch-Albanischen Kulturvereins in Flums. maurice thiriet/watson

Danach konstatiert er festlich herausgeputzt in jede Kamera, die er finden kann, dass der Vorfall besorgniserregend sei, religiös motiviert und ausserdem die Frucht islamophober Hetze in sozialen und klassischen Medien. Nach rund 20 Minuten reist er mit seiner Entourage wieder ab. 

Zuvor noch beschwert sich Illi wortreich bei watson darüber, dass sich Roger Köppel und Andreas Thiel mit ihrer «Weltwoche» und in «Giacobbo/Müller» über die Muslime lustig machen dürften und das berühmt-berüchtigte IZRS-Video, das eine islamische Revolution in der Schweiz ankündigt, als Provokation verurteilt würde.  

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Blancho und Illi, Andreas Thiel und «Weltwoche»-Köppel haben eines gemeinsam: Sie vertreten keine Mehrheit irgendeines wie auch immer gearteten Lagers innerhalb der Schweizer Bevölkerung. Der IZRS hat vielleicht 1000 Mitglieder, Thiel an guten Tagen 100 Zuschauer und die «Weltwoche» eine Auflage von noch knapp 70'000 Exemplaren. Und das Minarettverbot haben auch nicht 57,5 Prozent des «Schweizervolks» angenommen, wie Illi gern behauptet, sondern nur 57,5 Prozent derjenigen 52 Prozent der Stimmberechtigten, die abgestimmt haben.

Dagegen stehen rund eine halbe Million Muslime und drei Viertel der Schweizer Stimm- und Restbevölkerung, die sich um Koran und Moscheen so sehr scheren wie um ihren eigenen Glauben und ihre Kirchen: je länger, je weniger. 

Dennoch haben Blancho, Illi, Thiel und Köppel die Lufthoheit über die Stammtische gewonnen und dominieren den Schweizer Islamdiskurs. Thiel und Köppel sind Histrioniker, die unter maximaler Ausschöpfung ihres selbstdarstellerischen und komischen Talents Lärm schlagen. Die Konvertiten Blancho und Illi wissen das geschickt und unter Einsatz ihres unfreiwillig komischen Habitus in Aufmerksamkeit für ihr salafistisches Projekt umzumünzen.

Thiel vs. Illi im «TalkTäglich» auf TeleZüri

Man mag diese absurden Auftritte und Auseinandersetzungen der Spassvögel amüsant finden. Indes nur solange, als man nicht bedenkt, dass sie allesamt ihre politischen, religiösen und kommerziellen Interessen über den gesellschaftlich-religiösen Frieden aller im Land stellen. 

Und vielleicht in letzter Konsequenz auch über den Frieden des Islamisch-Albanischen Kulturvereins von Arben Sulejmani in Flums.  

   

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67 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Señor Ding Dong
08.12.2014 14:35registriert Dezember 2014
Die Islam-Debatte ist Musterbeispiel dafür, dass für Sachpolitik in der Schweiz je länger je mehr kein Platz mehr ist und es nur noch um politische Profilierung, Wählerfang und dem Generieren über-simpler Stammtischparolen geht. Dem Beitrag kann ich nur zustimmen!
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Zeit_Genosse
09.12.2014 08:55registriert Februar 2014
Wir sollten der Religion wieder einen Platz im Privaten anbieten und solche Religionsdebatten nicht arenamässig vermarkten. Was wir erleben ist ein medial gallopierender Religionsmissbrauch zur Nutzung von Partikularinteressen. Religion wird bewusst überbewertet und schafft unverrückbare Positionen und keinen Dialog. Profitieren tun Extremisten, Medien und Satiriker. Der Fanatismus wird genährt, weil er medial ein Gesicht und damit ein Gewicht erhält. Verlieren tun die Religionen, die nur noch für Extrempositionen herhalten müssen. So wie wir oversext and underfucked sind, oder overnewsed and underinformed, so sind wir jetzt auch noch overtrashed and underinspired.
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Yamou
08.12.2014 17:47registriert Februar 2014
Höchste Zeit für diesen Zwischenruf gegen die Brunnenvergifter hüben und drüben. Mit Hilfe der Medien schaukeln sich die immer weiter gegenseitig hoch - bis?
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