Islamischer Staat (IS)
Islam

Syrien-Kämpfer: «Foley bekehrte sich zum Islam»

Küsst seine Tanten wieder: Syrien-Rückkehrer Jejoen Bontinck. 
Küsst seine Tanten wieder: Syrien-Rückkehrer Jejoen Bontinck. Screenshot: Youtube/terzaketv
Enthauptete Geisel

Syrien-Kämpfer: «Foley bekehrte sich zum Islam»

Wenn es ein Versuch war, seine Henker gnädig zu stimmen, war er erfolglos: Der Reporter James Foley, der von einem Mörder des IS enthauptet wurde, soll zum Islam konvertiert sein. Das sagt der belgische Syrien-Kämpfer Jejoen Bontinck, der mit dem Amerikaner die Zelle teilte.
24.09.2014, 20:1625.09.2014, 09:57
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Voller Stolz stellten die Mörder das Video mit der Enthauptung ihres Opfers ins Internet. Der grausame Tod von James Foley schockierte im August die halbe Welt. Der amerikanische Reporter war bereits 2012 in Syrien entführt worden. Jetzt behauptet der junge Belgier Jejoen Bontinck, Foley sei zum Islam übergetreten. 

Bontinck, ein heute 19-jähriger Syrien-Rückkehrer, verbrachte im Sommer 2013 nach eigener Aussage etwa drei Wochen zusammen mit dem Amerikaner und dem britischen Reporter John Cantlie in Gefangenschaft des Islamischen Staats, wie die flämische Zeitung «Het Laatste Nieuws» berichtet. Auch Cantlie, der noch immer als Geisel festgehalten wird und auf Videos Propaganda für seine Entführer machen muss, soll laut Bontinck zum Islam konvertiert sein. 

«Wir mussten die ganze Zeit in der Zelle bleiben»

In den Verhören mit den belgischen Behörden schilderte Bontinck auch die Zelle, in der er zusammen mit den beiden Journalisten und dem Deutschen Toni Neukirch – der später freikam – in der Nähe von Aleppo eingesperrt war: 

«Aber ich denke, dass wir von allen Gefangenen noch am besten behandelt wurden.»
Jejoen Bontinck

«Es war ein gewöhnliches Zimmer mit beigen Wänden und einem beigen Steinfussboden. Ich schätze, der Raum war vier auf acht Meter gross. Er befand im Sous-sol, oben hatte es ein Schiebefenster, das den Blick auf eine lange, blinde Mauer freigab. Es hatte Strom und Licht, auf dem Boden lagen Matratzen und Schilfmatten und wir hatten ein paar Bücher. Wir mussten die ganze Zeit in der Zelle bleiben, auch zum Essen; wir durften sie nur für den Gang zur Toilette verlassen. Aber ich denke, dass wir von allen Gefangenen noch am besten behandelt wurden.»

Bontinck selber war mit 15 Jahren Muslim geworden, weil er sich in ein marokkanisch-stämmiges Mädchen verliebt hatte. Später wurde er in Antwerpen Mitglied der radikalen islamischen Organisation «Sharia4Belgium». Anfang 2013 ging er mit Erlaubnis seines Vaters nach Kairo, um den Islam zu studieren, reiste dann aber im Februar nach Syrien, wo er sich in Aleppo der Miliz «Madschlis Schura Mudschahedin» anschloss. 

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Als Verräter eingesperrt

Er habe nie gekämpft, behauptet Bontinck, sondern habe als Helfer in einem Krankenhaus arbeiten wollen. Als er, angewidert von der Gewalt, schon im März wieder nach Hause zurückkehren wollte, betrachtete ihn die Dschihadistengruppe als Verräter und sperrte ihn ein. Da die Miliz danach in den Reihen des Islamischen Staats und der Al-Nusra-Front aufging – die beiden Organisationen waren damals noch nicht verfeindet –, gelangte er im August 2013 in Gewahrsam des Islamischen Staats.

«Sie erzählten mir, sie hätten zuvor kein gutes Leben geführt. Sie hätten ihre Mütter nicht genug respektiert, zum Beispiel. Es war ihre Konversion, die ihnen dies vor Augen führte.»
Jejoen Bontinck über Foley und Cantlie

Dort traf er auf Foley und Cantlie, die von der Al-Nusra-Front entführt worden waren. Bei dieser Terrorgruppe habe man die Reporter gefoltert, sagte Bontinck den belgischen Behörden. Sie hätten nur wenig Essen bekommen und seien sehr dünn gewesen. Beim Islamischen Staat sei es ihnen besser gegangen. Beide hatten sich laut Bontinck schon fünf Monate vorher zum Islam bekehrt. 

«Kein gutes Leben geführt»

«Ich sprach viel mit ihnen darüber», sagte der Belgier. «Sie erzählten mir, sie hätten zuvor kein gutes Leben geführt. Sie hätten ihre Mütter nicht genug respektiert, zum Beispiel. Es war ihre Konversion, die ihnen dies vor Augen führte.» 

Die Möglichkeit, dass die Konversion der Geiseln unter Zwang erfolgte, erwähnt Bontinck nicht. Vielleicht fanden sie es zu riskant, dies ihrem jungen Zellengenossen zu verraten. Vermutlich hatten sich Foley und Cantlie in der Hoffnung, ihr Leben zu retten, zur Religion ihrer Peiniger bekehrt. Zumindest im Falle von Foley trog die Hoffnung. 

Bontinck, dessen Vater nach Syrien reiste, um seinen Sohn zurückzuholen, wurde im September 2013 freigelassen. Er wurde in Belgien verhaftet und intensiv verhört. Nach seiner Freilassung steht er nach wie vor unter Beobachtung. Ende September soll sein Prozess beginnen. Die Anklage lautet auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Sein Vater sagte Anfang Jahr, der ehemalige Islamist sei immer noch Muslim, aber gemässigt: «Er trägt keine Dschellaba mehr, und er küsst nun auch seine Tanten wieder. Das tat er vorher nicht.»

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