Eine Frau im Niqab spaziert mit ihrem Kind durch eine Stadt, über die Schulter gehängt eine AK-47, französische Frauen im Burka diskutieren in einem Internet-Cafe über Skype mit ihren Familien Zuhause, ein Auto hält am Strassenrand und weist eine Frau an, sich in der Öffentlichkeit züchtiger zu kleiden.
Diese und ähnliche Szenen sind in einem Video zu sehen, das der französische Fernsehsender France 2 vor Kurzem ausgestrahlt hat. Darin filmt eine Frau mit einer Kamera, die sie unter dem Niqab versteckt hat, das Alltagsleben in einer muslimischen Ortschaft.
Wer die Frau ist, ist nicht bekannt. Sie wollte ihre Identität laut France 2 aus Sicherheitsgründen nicht preisgeben.
Gemäss dem Fernsehsender handelt es sich um Aufnahmen aus der nordsyrischen Stadt Raqqa, der Hochburg der Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat. Nachdem der IS Raqqa vor gut 18 Monaten überrannt hatte, steht die Stadt vollständig unter Kontrolle der Islamisten, inklusive strenger Sittengesetze. Die Bilder aus dem vorliegenden Video wurden gemäss dem Sender bereits im Februar und April dieses Jahres aufgenommen.
Gut 150 französische Frauen sollen sich mittlerweile den IS-Milizionären angeschlossen haben, die meisten davon in Gefolgschaft ihrer Ehemänner, so France 2.
Das Video ist, falls die Authentizität verifiziert werden kann, eines der wenigen unabhängigen Dokumente aus dem Herzen des IS. Die bisher bekanntesten Aufnahmen aus Raqqa stammen vom Journalisten Medyan Dairieh, der für das Magazin Vice drei Wochen lang mit IS-Kämpfern unterwegs war. Allerdings wird bei Dairieh nicht klar, wie und unter welchen Umständen die Aufnahmen zustande gekommen sind. Der Journalist wurde bei seiner Reportage permanent von einem Informationsbeauftragten des IS begleitet.
IS-Stellungen nahe der Stadt im Norden Syriens sind seit Montag Ziel von Luftschlägen durch eine Koalition bestehend aus den USA und verschiedenen arabischen Staaten. Der syrische Machthaber Baschar Al-Assad wurde vorgängig nicht über die Angriffe informiert, gab im Nachhinein aber sein Plazet. An der UNO-Generalversammlung kritisierten jedoch sowohl Iran als auch Russland die fehlende völkerrechtliche Legitimation der Luftschläge. (wst)