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Naher Osten

Seit Dienstag hat israelische Luftwaffe 900 Ziele angegriffen – erstmals auch Rakete aus Libanon abgefeuert

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Bild: MOHAMMED SABER/EPA/KEYSTONE
Medizinscher Notstand in Gaza

Seit Dienstag hat israelische Luftwaffe 900 Ziele angegriffen – erstmals auch Rakete aus Libanon abgefeuert

Die israelische Luftwaffe hat die vierte Nacht in Folge Ziele im Gazastreifen bombardiert. Nach palästinensischen Angaben wurden am Freitagmorgen mindestens drei Palästinenser getötet. US-Präsident Barack Obama warnte derweil vor einer Eskalation und rief beide Seiten zum Schutz von Zivilisten auf.
11.07.2014, 00:3911.07.2014, 10:46
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Augenzeugen aus Gaza-Stadt berichteten am frühen Freitagmorgen von 15 israelischen Luftangriffen über Nacht. Bei einem der drei Todesopfer handle es sich um den 33-Jährigen Ans Abu al-Kass, sagte ein Sprecher der Rettungsdienste. Eine Rakete sei in sein Haus in Gaza-Stadt eingeschlagen. Die israelischen Streitkräfte nahmen dazu zunächst keine Stellung.

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Bild: AFP

Seit Beginn der israelischen Offensive am Dienstagmorgen wurden nach palästinensischen Angaben mehr als 80 Menschen aus dem Gazastreifen getötet. Der Beschuss aus dem Küstengebiet hörte dennoch nicht auf. 

Alleine am Donnerstag seien mindestens 140 Raketen eingeschlagen und 44 weitere abgefangen worden, hiess es in einer Militärerklärung. Auch Jerusalem wurde am Donnerstag wieder zum Ziel der Raketen militanter Palästinenser. Die israelische Luftwaffe griff nach Armeeangaben seit Dienstag fast 900 Ziele im Gazastreifen an. 

Erstmals seit Gaza-Konflikt auch Rakete aus Libanon abgefeuert

Erstmals seit Beginn des jüngsten Gaza-Konflikts ist auch aus Libanon eine Rakete auf Israel abgefeuert worden. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv bestätigte am Freitag, ein Geschoss sei am Morgen in der Nähe der Grenzstadt Metullah gefunden worden. Es gab keine Berichte zu möglichen Opfern. Die Rakete sei auf offenem Feld im Norden Israels eingeschlagen, ohne Schäden anzurichten, sagte ein Militärsprecher der Nachrichtenagentur AFP.

Das israelische Radio meldete, es seien zwei Katjuscha-Raketen nördlich der Stadt Kirjat Schmona niedergegangen. 2006 hatten Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz einen einmonatigen Krieg geliefert. Hisbollah hatte damals Tausende von Raketen auf Israel abgefeuert. Seitdem kam es nur noch vereinzelt zu Scharmützeln an der Grenze. 

Mehrere Verletzte in Israel nach Raketenbeschuss aus Gaza

Eine im Gaza-Streifen abgefeuerte Rakete hat am Freitagmorgen eine Tankstelle in der israelischen Stadt Aschdod getroffen und eine schwere Explosion verursacht. Mehrere Menschen wurden bei dem Vorfall im Süden Israels verletzt. Einer der Verletzten befinde sich in einem lebensbedrohlichen Zustand, berichtete das staatliche Radio Israels. Nähere Angaben zur Zahl der Opfer machte der Sender nicht.

Die Tankstelle in Aschod.
Die Tankstelle in Aschod.Bild: STRINGER/REUTERS

Zurück zur Vereinbarung von 2012

US-Präsident Obama warnte in einem Telefonat mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vor einer weiteren Eskalation. Er rief «alle Seiten» dazu auf, «ihr Möglichstes zu tun, um das Leben von Zivilisten zu schützen und die Ruhe wieder herzustellen», wie das Weisse Haus am Donnerstagabend mitteilte.

US-Präsident Barack Obama bei einer Rede.
US-Präsident Barack Obama bei einer Rede.Bild: AP/Pool The Dallas Morning News

Obama betonte demnach, dass die USA weiterhin als Vermittler bereitstünden, um die Überwindung der Feindseligkeiten zu erleichtern. Zu den Optionen gehöre auch die Rückkehr zu einer Waffenstillstandsvereinbarung von 2012. Damals hatten Ex-US-Aussenministerin Hillary Clinton und Ägypten zwischen beiden Seiten vermittelt.

Die israelischen Luftangriffe hatten 2012 acht Tage lang angedauert. Doch derzeit gibt es keine Anzeichen für ein Schweigen der Waffen. «Der Feind (Israel) hat die Angriffe gestartet und muss aufhören, wir verteidigen uns einfach nur», erklärte Ismail Hanija, bis vor kurzem Hamas-Regierungschef im Gazastreifen, am Freitagmorgen.  

«Waffenruhe nicht auf der Tagesordnung»

Auch Netanjahu strebt keine Waffenruhe mit der Hamas an. «Derzeit sprechen wir mit niemandem über eine Waffenruhe, das steht nicht auf der Tagesordnung», sagte der Regierungschef nach Informationen der Tageszeitung «Haaretz» vor dem Aussen- und Verteidigungsausschuss des israelischen Parlaments.

Der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon ist für einen begrenzten Einsatz von Bodentruppen im Gazastreifen. Israel würde sich auf Ziele konzentrieren, die nicht aus der Luft zerstört werden könnten, schrieb in der Nacht zum Freitag die Zeitung «Times of Israel» online. Konkret wurden die Tunnel genannt, welche die Hamas in der Nähe der israelischen Grenze gegraben hat.

Auf Antrag der UNO-Botschafter der arabischen Länder sowie der Palästinenser beschäftigte sich am Donnerstag der UNO-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung mit der eskalierenden Gewalt. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte an Israelis und Palästinenser, schnellstmöglich eine Waffenruhe zu vereinbaren.

Auch die internationale Gemeinschaft müsse alles in ihrer Macht stehende tun, um zur Entschärfung der Lage im Gazastreifen beizutragen, forderte der UNO-Generalsekretär. Ban sprach von rund 150 zerstörten palästinensischen Wohnhäusern. «Wieder einmal zahlen die Zivilisten den Preis», beklagte er.

Um eine Behandlung Verletzter zu ermöglichen, öffnete Ägypten inzwischen den Grenzposten Rafah. Die Spitäler im Norden des Sinai seien in Bereitschaft versetzt worden, um Palästinenser aufzunehmen, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Mena.

Kollabiert das Gesundheitssystem bald?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte derweil vor einem Kollaps der medizinischen Versorgung im Gazastreifen und im Westjordanland. Es mangle in den Palästinensergebieten an Medikamenten ebenso wie an Treibstoff für die Generatoren der Spitäler, erklärte die WHO. 

Bei der Eskalation der Gewalt zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas seien vier Kliniken und eine 
Wasser-Entsalzungsanlage in einem Flüchtlingslager beschädigt worden. Das palästinensische Gesundheitsministerium erklärte, der Treibstoff für die Spital-Generatoren in Gaza reiche nur noch zehn Tage angesichts der ständigen Stromausfälle.

Eine palästinensische Frau wird in einer Ambulanz zur medizinischen Versorgung in ein Spital gefahren.
Eine palästinensische Frau wird in einer Ambulanz zur medizinischen Versorgung in ein Spital gefahren.Bild: IBRAHEEM ABU MUSTAFA/REUTERS

Medikamente fehlen

Das Ministerium beklagte laut der WHO zudem, es könne wegen Schulden von mehr als 250 Millionen Dollar nicht ausreichend Medikamente vorrätig halten. In den Spitälern würden nur noch lebensrettende Operationen vorgenommen. 

«Wir arbeiten in einer schrecklichen Situation. Ich hatte heute nicht die nötigen Mittel, um Verletzte zu nähen und musste improvisieren», zitierte die WHO einen Arzt, der 24 Stunden am Stück im Dienst war. Die Organisation appellierte an Spender, 40 Millionen Dollar für den grundlegenden medizinischen Bedarf bereitzustellen. (trs/sda)

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