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Massiv zu hohe Rechnungen: Aargauer Skandalarzt musste Krankenkassen Geld zurückzahlen

Ein Aargauer Hausarzt wurde verurteilt, weil er illegal Drogen an schwerstabhängige Patienten verkauft hatte. Das Gesundheitsdepartement prüft seit Juli ein Berufsverbot. Recherchen zeigen: Er fiel auch beim Krankenkassenverband Santésuisse auf.

Philipp Zimmermann
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Der Hausarzt verkaufte illegal Drogen, darf aber weiterpraktizieren. (Symbolbild)

Der Hausarzt verkaufte illegal Drogen, darf aber weiterpraktizieren. (Symbolbild)

Tele M1

Im Juli hat das Aargauer Gesundheitsdepartement ein Aufsichtsverfahren gegen einen Hausarzt aus dem Bezirk Zurzach eingeleitet. Der heute 82-Jährige war vom Bezirksgericht Zurzach zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedingt verurteilt worden, weil er einzelnen schwerstabhängigen Patienten illegal Betäubungsmittel verkauft und dabei einen satten Gewinn von 11’000 Franken eingestrichen hatte. Zudem wurde er verurteilt, weil er ab 2008, dem Jahr der Praxiseröffnung, Patienten Medikamente abgegeben hatte, ohne über eine ohne Selbstdispensationsbewilligung zu verfügen. Dafür hatte ihn das Gesundheitsdepartement schon im Herbst 2014 gebüsst. Die Medikamente hatte er sich im Apotheken-Grosshandel bestellt.

Klage eingereicht

Recherchen der AZ zeigen: Auch der Krankenkassenverband Santésuisse wurde, unabhängig vom Urteil des Bezirksgerichts, auf den Hausarzt aufmerksam. Bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen kam zutage, dass er seinen Patienten im Durchschnitt massiv höhere Kosten verrechnete als die anderen Hausärzte in der Region. «Es ist korrekt, dass Santésuisse eine Klage bei der paritätischen Vertrauenskommission sowie beim Schiedsgericht für das Statistikjahr 2014 eingereicht hat», sagt Sprecherin Sandra Kobelt. Santésuisse wird tätig, wenn die durchschnittlichen Kosten um über 30 Prozent höher liegen als bei Ärzten, die in der selben Region und im selben Bereich tätig sind.

«Wer überdurchschnittlich hohe Kosten ausweist, wird gebeten, diese zu begründen», führt Kobelt aus. Die Wirtschaftlichkeitsprüfungen sollen primär präventiv wirken. Rückzahlungsforderungen seien nicht das Ziel. Doch bleiben die überhöhten Kosten auch nach der Antwort des Arztes nicht nachvollziehbar und unternehme er überdies nicht genügend Anstrengungen, um sie zu senken, müsse er eben dies innert einer vereinbarten Frist tun.

25 Millionen Franken Einsparungen

Wirtschaftlichkeitsprüfungen sollen in erster Linie präventiv wirken. Laut Schätzung von Santésuisse lassen sich damit jährlich rund 25 Millionen Franken an Prämiengeldern einsparen. Der jährliche Betrag, der durch missbräuchliche Datenverarbeitung oder Abrechnung durch Ärzte verursacht wird, sei je nach Jahr sehr unterschiedlich.

Im konkreten Fall hat Santésuisse das Verfahren abgeschrieben. «Es kam zu einem Vergleich», erklärt Kobelt. Wie hoch die Werte des Zurzibieter Hausarztes lagen, dazu kann sie aus Datenschutzgründen keine Angaben machen. Zur Art der Kosten dagegen schon. «Weder die direkten noch die indirekten Medikamentenkosten stellten bei ihm ein Problem dar. Es waren ausschliesslich die Arztkosten», sagt Kobelt. Zu 2015 liegen noch keine Daten vor.

Der Kanton hat im Juli, also vor vier Monaten, ein Aufsichtsverfahren gestartet. Doch wieso lässt das Gesundheitsdepartement einen Arzt, der illegal Drogen verkauft und damit die Gesundheit von Menschen aufs Spiel gesetzt hat, weiter gewähren? Hätte das Departement diesem Skandalarzt die Berufsausübungsbewilligung nicht mit einer superprovisorischen Verfügung entziehen können? Und hat es zumindest Massnahmen getroffen, um zu kontrollieren, ob er wieder illegal Medikamente an Patienten verkauft?

Entscheid bis Ende Jahr

Das Gesundheitsdepartement äussert sich zu diesen Fragen nur zurückhaltend. «Aktuell verfügt er über eine Berufsausübungsbewilligung», sagt Sprecher Enrico Kopatz. «Das Gesundheitsdepartement hat aktuell keine Hinweise auf weitere Verfehlungen.» Ein Entscheid in Sachen Berufsverbot sei aller Voraussicht nach bis Ende Jahr zu erwarten. Er könne erst nach Erlangen der Rechtskraft kommuniziert werden.

Der Mann hatte einst in Deutschland Medizin studiert, brachte es zum Oberarzt. Danach führte er 33 Jahre lang in einer Grossstadt eine eigene Praxis, ehe er noch drei Jahre in einer Kleinstadt praktizierte. Mit 73 Jahren kam er in den Aargau und erhielt die Berufsausübungsbewilligung. «Das Gesundheitsdepartement hatte bei seiner Gesuchstellung keine Hinweise auf Vorstrafen in Deutschland erhalten», sagt Sprecher Kopatz.

Heute würde der Arzt im Kanton Aargau nicht mehr so leicht eine Berufsausübungsbewilligung erhalten wie vor zehn Jahren. «Seit 15. März 2017 erhalten nur ausländische Ärzte mit einem Schweizer Weiterbildungstitel oder nach einer mindestens dreijährigen Tätigkeit an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte eine Zulassung zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung», sagt Kopatz. Der Skandalarzt würde bei einer Direkteinreise aus Deutschland heute keine Zulassung mehr erhalten.

Jenes Urteil des Bezirksgerichts wurde rückwirkend auf den 30. März 2016 rechtskräftig. Der Arzt hatte erst Berufung angemeldet, dann aber nicht die dafür nötige Berufungserklärung eingereicht. Das Aargauer Obergericht trat deshalb am 9. Mai 2017 nicht auf die Berufung ein.