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Schweiz
Sie war die erste Bundesrätin der Schweiz. Nun schaltet sich Elisabeth Kopp, 80, in die Debatte um die Nachfolge von Didier Burkhalter ein – mit deutlichen Worten zur Frauenfrage.
Elisabeth Kopp empfängt in ihrer Wohnung in Zumikon zum Interview. Mit 80 Jahren ist sie zwar nicht mehr ganz so schnell auf den Beinen wie als ehemalige Eiskunstläuferin, wie sie selber sagt. Sie denkt aber nach wie vor schnell und formuliert sehr präzise. Beim Gegenlesen wägt sie, ganz Juristin, sorgfältig jedes Wort ab.
Elisabeth Kopp: Das war für mich eine Überraschung. Wie wohl für die meisten. Vor allem bedauerte ich es sehr. Im Gegensatz zu anderen politischen Exponenten vor allem aus dem Lager der SVP war ich mit seiner Aussenpolitik einverstanden, auch mit der sorgfältigen Öffnung gegenüber Europa.
Beeindruckt haben mich ganz besonders seine Stellungnahmen als Präsident der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE anlässlich der Ukraine-Krise im Jahre 2014. Was ich in Interviews von ihm las, fand ich hervorragend. Er wird im Bundesrat fehlen. Damit sage ich nichts gegen seine Vorgänger.
Nein. Zunächst war ich einfach konsterniert, dass Herr Burkhalter geht. Das musste ich erst verdauen.
Das schätze ich gleich ein. Es ist eine gesunde Tradition, dass die verschiedenen Landesteile im Bundesrat vertreten sind. Das Tessin ist ein kleiner Kanton und Landesteil. Und gerade Kleineren gegenüber sollte man eine gewisse Grosszügigkeit zeigen. Ein Tessiner Bundesrat oder noch besser eine Bundesrätin wäre eine Bereicherung.
Wer gibt in der Politik schon freiwillig etwas ab. Die Vielfalt der Schweiz, gerade auch ihre verschiedenen Landessprachen, gehört aber zu den eindrücklichsten Besonderheiten unseres Landes. Wir müssen zu unseren Minderheiten Sorge tragen.
Das ist eine mögliche Überlegung. Wichtig ist einfach, dass wieder eine Frau gewählt wird.
Ja. CVP und SP haben je eine Frau im Bundesrat. Die SVP wartet – wenn überhaupt – darauf, bis Magdalena Martullo-Blocher reif ist. Nur die FDP hat keine Frau. Das ist nicht gut für die Partei.
Umfragen zeigen: Frauen haben es gerne, wenn eine Frau aus der eigenen Partei im Bundesrat sitzt. Frauen können sich logischerweise eher mit Frauen identifizieren als mit einem Mann. Ich würde es deshalb sehr begrüssen, wenn die FDP wieder eine Frau im Bundesrat hätte.
Diese Geschichte ist bei mir längst abgehakt. Und rehabilitiert bin ich schon lange.
Frauen setzen oft andere Prioritäten aufgrund ihres Erfahrungshintergrunds. Dazu gebe ich gerne ein Beispiel.
Unsere Tochter hatte als Kind Asthma. Ärzte nannten als mögliche Ursache die zunehmende Luftverschmutzung. Auf unseren regelmässigen Japanreisen stellte ich fest, dass sich die Luft laufend verbesserte. Experten bestätigten diese Wahrnehmung und führten diese positive Entwicklung vor allem auf die Einführung von Katalysatoren und bleifreiem Benzin zurück. Darauf reichte ich eine Motion im Parlament ein, welche die Einführung von Katalysatoren und bleifreiem Benzin verlangte. Als ich Bundesrätin war, beschloss der Bundesrat ein entsprechendes Obligatorium. Als erstes Land in Europa, und trotz Gegenwind von allen Seiten. Im «Blick» las ich dann folgende Schlagzeile: «Elisabeth Kopp, die meist gehasste Frau der Automobilimporteure». Für mich war das ein Kompliment.
Doch, persönlich schon. Er war damals unser Nachbar, und er ist ein Gentleman. Er schnitt das Thema nie an. Was die Frauen betrifft, darf man aber auch nicht vergessen, dass wichtige Neuerungen nur dank ihren Stimmen durchkamen.
Zum Beispiel an das neue Eherecht, dem die Frauen 1988 mit 55 Prozent zustimmten. Die Männer lehnten es mehrheitlich ab. Stellen Sie sich vor: Als ich 1984 in den Bundesrat gewählt wurde, hätte mir mein Mann aufgrund des alten Eherechts verbieten können, das Amt anzunehmen. Aber auch die Mutterschafts-Versicherung kam nur dank den Frauen durch, die Männer lehnten sie ab.
(Lacht) Die Männer taten sich zunächst schwer, dass sie nicht mehr unter sich waren. Eigentlich hätte ja die SP-Nationalrätin Lilian Uchtenhagen 1983 erste Frau im Bundesrat werden sollen. Sie war eine grosse, intelligente und eloquente Frau. Sie wäre eine gute Bundesrätin geworden. Aber sie war den Männern nicht ganz geheuer. Wir möchten schon eine Frau, war der Tenor – aber nicht diese. Ein Jahr später konnten sie diesen Spruch nicht mehr bringen, und ich wurde gewählt. Die Männer strahlten damals ihre Gedanken fast physisch aus: Dieses Persönchen wird schon tun, was wir wollen. Das war ein Irrtum.
Ja, und weil ich es gewohnt bin, Anliegen auch umzusetzen, die mir wichtig sind.
Bei einem Mann gilt Durchsetzungsvermögen als positive Eigenschaft. Genauso wie Standfestigkeit. Bei einer Frau hingegen wird das schnell als Sturheit empfunden. Eine Frau in der Politik müsse aussehen wie ein Mädchen, denken wie ein Mann und schuften wie ein Pferd, sagte einst Barbara Castle, eine britische Politikerin der Labour Party. Ein wichtiger Unterschied zwischen den Geschlechtern ist auch das Verhältnis zur Macht. Mich als Frau interessierte Macht nur als Mittel, um wichtige Anliegen umsetzen zu können. Männer hingegen streben Macht oft aus Prestigegründen an.
Das war der absolute Höhepunkt, ja.
In Deutschland befragte man vor einiger Zeit für eine Studie alle Frauen, die nicht mehr für den Bundestag kandidierten, nach dem Grund dafür. Spannungen mit dem Partner sei die Ursache, war die häufigste Antwort. Gewisse Männer vertrügen es nicht, dass ihre Frauen in der Öffentlichkeit bekannter seien als sie.
Ich denke schon. Hoffentlich. Aber Ehemänner müssen auf vieles verzichten, wenn ihre Gattin Bundesrätin wird.
Dafür gibt es keine Patentrezepte.
Ja.
Ich verschwende keinen Gedanken mehr daran. Ich bin wieder Mitglied der FDP. Punkt. 2002 war ich ausgetreten, nachdem mich eine Journalistin nach dem Verhältnis zur FDP gefragt hatte. Es sei wunderbar, entgegnete ich. Man schicke mir jeden Oktober einen Einzahlungsschein, lade mich aber nicht ein zu Fraktionsessen und Fraktionsausflügen. Als sich danach wieder nichts tat, trat ich aus.
Das ist vor allem auf Ruedi Noser zurückzuführen. Ich war 2003 krank. Da besuchte mich eines Tages Ruedi Noser, damals Präsident der FDP des Kantons Zürich, wünschte mir gute Besserung und brachte mir 14 Rosen – je eine Rose für jedes Jahr, in dem die Partei auf mich verzichten musste.
Die politische Karriere von Elisabeth Kopp-Iklé (1938) begann 1970 mit der Wahl in den Gemeinderat von Zumikon. 1974 wurde sie die erste Gemeindepräsidentin in der deutschen Schweiz. 1972 wählte sie der Zürcher Kantonsrat in den Erziehungsrat des Kantons Zürich. 1979 folgte der Schritt in den Nationalrat. Und am 2. Oktober 1984 wurde Elisabeth Kopp als erste Frau in den Bundesrat gewählt. Kopp revidierte das Asylgesetz und das Eherecht. In ihrer Amtszeit führte sie auch das Katalysatoren-Obligatorium ein. Am 12. Dezember 1988 gab sie ihren Rücktritt auf Ende Februar 1989 bekannt. Steuer- und andere Affären um ihren Mann Hans W. Kopp hatten monatelang zu reden gegeben. Als dann Elisabeth Kopp einen Anruf an ihren Mann zugeben musste, verlor sie den Rückhalt in der Öffentlichkeit.
Ja, sehr – und daraufhin trat ich wieder in die FDP ein.
Ja, wir hatten ein konstruktives, langes, offenes und eingehendes Gespräch.
Ja.
Vor allem ein erfreulicher.
Nein, meine Wochenenden sind für meine Familie und Freunde reserviert. Aber ich verfolge die Versammlungen in den Medien und habe im Vorfeld einer Delegiertenversammlung auch schon einem mir bekannten FDP-Mitglied zusätzliche Argumente geliefert.
Das war kein Fehler. Ganz todsicher nicht.
Die Bundesanwaltschaft kann doch nur ermitteln, wenn ein konkreter Verdacht besteht, und genau das war ja nicht der Fall! Von einer Zeitung verbreitete Gerüchte reichen nicht aus. Mein Mann hatte sich vorbehalten, mit Rücksicht auf mein Amt jederzeit aus dem Verwaltungsrat auszutreten. Als ich ihn bat, dies zu tun, kam er der Bitte umgehend nach.
Ich tat das einzig Mögliche. Ich konnte es doch nicht dulden, dass mein Mann in einer Gesellschaft sass, die der Geldwäscherei verdächtigt wird, während ich gleichzeitig an einer Strafnorm zu Geldwäscherei arbeitete.
Niemand hat mir die Frage gestellt und ich sah keine Notwendigkeit für eine Information. Ein Rücktritt aus einem Verwaltungsrat bringt ja auch keinen Vorteil, da die Frage einer allfälligen Haftung weiter bestehen bleibt. Doch im Nachhinein betrachtet würde ich die Frage der Informationspolitik besser überlegen.
Nein. Es stellte sich ja heraus, dass die betreffende Firma einwandfrei war. Wovon mein Mann auch immer überzeugt war.
Aber sie beeinträchtigt mich nicht mehr.
Nein. Die Situation hat sich normalisiert. Inzwischen erhalte ich die Einladungen für die Fraktionsessen und Fraktionsausflüge wieder.
Ja. Die Wochenenden gehören, wie gesagt, Familie und Freunden.
Selbstverständlich.
Wenn ich an diesem Tag schon aus den Spätsommerferien zurück bin, werde ich an dem Anlass teilnehmen.
Ich erinnere mich an die positiven Dinge. Freue mich über das, was ich in all meinen politischen Ämtern erreichen durfte. Gerade auch für die Frauen.